Mittwoch, 11. Dezember 2019
I just wanna see you dance in slow motion
Letzten Mittwoch fuhr ich nach der Arbeit kurz nach Hause, um ein bisschen zu schlafen. Ich war wirklich müde. Danach besuchte ich meine letzte Vorlesung für diesen Tag, die ziemlich interessant war.
Daraufhin fuhr ich heim, räumte auf, aß, duschte und machte mich fertig.
Ich schaute Dynasty, als er klingelte.
"Hey."
Schwarz stand ihm so gut.
"Welcome."
Ich ließ ihn herein, zwei Küsschen auf die Wange.
Er legte seinen Schal und seine Jacke ab, ich bot ihm etwas zu trinken an. Er scherzte erst damit, dass es für ihn heute nur bei einem Wasser bleiben würde - was ich ihm auch so abnahm. Dann wählte er den Wodka, womit ich überaus einverstanden war.
Ich ließ ihn sein Getränk selbst mixen und tat das selbe mit meinem. Wir setzten uns auf die Couch, er fragte, was ich anschauen würde.
Ich zeigte ihm Elizabeth Gilles, in die ich sehr verliebt bin (insbesondere in ihre Rolle der Fallon), aber er bevorzugte Monica, da sie verletzlicher wirkte.
Ich fragte, ob er verletzliche Mädels mochte, was er bejahte und damit erklärte, dass er gern der Mann ist, den Beschützer spielt und den Ton angibt.
Ich:"So you basically want a slave."
Er:"I wouldn't say it in that way but yeah."
Wie so oft wusste ich nicht, ob er scherzte oder nicht.
Wir redeten ziemlich viel. Er sagte, dass er am Tag zuvor in der Karaokebar war, es aber ziemlich langweilig gewesen war.
Er beschwerte sich, dass Apple ihm immer seine Ideen klauen würde und fragte, welche Erfindung ich rausbringen würde.
Ich erklärte ihm meine Idee eines Systems, dass einer Person Elektroschoks verpassen würde, sobald sie einen berührt.
Er fragte, ob ich Angst hätte, was ich bejahte. Wir sprachen über Pfeffersprays, Schießen und Selbstverteidigung.
Die Mischung meines ersten Getränks war schon ziemlich stark gewesen, aber ich mixte mir direkt eine neue.
Ich glaube, er fragte mich nach Haustieren. Schon wieder. Ich dachte: Wie oft willst du mir noch diese Frage stellen? Aber ich blieb höflich und beantwortete sie. Erneut.
Wir redeten über Essen. Er erzählte von einem italienischen Gericht, das 24 Stunden im Ofen sein musste. Und er sagte, dass er Käsespätzle mochte.
Plötzlich sagten wir irgendetwas gleichzeitig, weshalb er fragte, welches Sprichwort man in Deutschland dafür verwenden würde. Ich wusste nicht, ob es ein Sprichwort dafür gab, ich erinnerte mich lediglich an das, was wir in der Grundschule immer gesagt hatten:"Chips Cola verhext Kaugummi privat Schneeflocke öffentlich." Ohne jeglichen Sinnzusammenhang. Als ich das lachend laut aussprach, verstand er natürlich kein Wort, erklärte mir aber im Gegenzug, wie eine solche Situation in Italien gehandhabt wurde: Man verhakte seine kleinen Finger wie beim Klein-Finger-Schwur und sagt auf drei entweder Flick oder Flock. Das würde darüber entscheiden, ob man seelenverwandt war. Ich sagte natürlich flick, weil es das erste war und besser klang, er dagegen sagte flock. Hier schieden sich unsere Wege. :D
Ich wollte einfach nur ein deutsches Wort sagen, deshalb sah ich ihn an und sagte:"Kennzeichenerkennungsanlage" einfach nur um ihn zu verwirren und weil ich es lustig fand.
Wir tranken immer mehr, deshalb kann ich mich an einige Dinge nur bruchstückweise erinnern. Ich weiß nicht, wieso oder wie wir überhaupt auf das Thema gekommen sind, aber plötzlich erzählte ich ihm von Paul. Er fragte, wie er getötet wurde. Ich sah weg, weil meine Augen glasig wurden, blinzelte zwei Mal und versuchte das aufsteigende Gefühl der Ungerechtigkeit zu unterdrücken, bevor ich antwortete.
Glücklicherweise blieb unsere Stimmung nicht trüb. Wir sprachen über Könige, Beziehungen und Tiger. Apropos, ich glaube ich habe ihm erzählt, dass ich meinen Tiger Shirkan nennen würde und dass meine Brüste Shirkan und Baghira hießen. Er tippte darauf, dass Baghira die rechte war, womit er natürlich falsch lag. Wir sind einfach nicht auf einer Wellenlänge.
Irgendwann lag ich mit dem Kopf auf seinem Schoß und wir redeten so weiter. Dann setzte ich mich wieder auf, schenkte mir ein weiteres Glas ein und beobachtete ihn wie er die Polaroids betrachtete. Passend dazu erzählte ich von Macy, wie sie mein einziger Neujahreskuss gewesen war, die perfekten Lippen hatte und ein wundervoller Mensch war.
Er fing wieder an aus Harry Potter vorzulesen, was irgendwie cool war, weil ich ihn trotz seines Akzentes verstand. Zudem war es ziemlich lustig.
Er fragte nach einem Stift und malte die erste Seite meines Blocks voll mit sinnfreien Dingen wie seiner Unterschrift, einem Tiger und einem Hund, uns beiden auf der Erde, dem Mars, einer mathematischen Gleichung. Dann spielten wir ein, zwei Spiele, die aber ziemlich schnell vorbei waren. Er wollte Dynasty schauen, ich hatte aber schon den Laptop herunter gefahren. Ich fing wieder an von Elizabeth zu schwärmen, er zeigte mir Miriam Leone, die er ziemlich heiß fand.
Er stand auf, um sich einzuschenken, blickte dabei auf einen Spruch an meiner Wand und las vor:"'cause Darling I'm a nightmare dressed like a daydream." Er sah mich fragend an.
Ich:"Yeah. You better run as far as you can."
Als wir über Könige gesprochen hatten, hat er irgendwie mein Passwort rausgefunden. Oder vielleicht hab ich es eingegeben ohne darauf zu achten, dass er zusah. Auf jeden Fall wusste er es, was mich ziemlich nervte. Ich mochte mein Passwort und jetzt durfte ich es ändern.
Wir redeten über meine Rückenprobleme, weshalb er anfing meine Schultern und meine Nacken zu massieren. Was echt richtig gut tat. Er fragte, ob ich Massageöl da hätte, was ich verneinte. Daraufhin scherzte er damit, dass wir einfach Olivenöl nehmen könnten. Er bat mich Musik anzumachen und ich machte die "m"-Playlist an. Ich weiß nicht mehr, wie es dazu kam, aber irgendwann saß ich auf seinem Schoß, tanzte, trank und versuchte ihm einene Knutschfleck zu verpassen, als Rache dafür, dass ich im Theater mit einem Schal rumlaufen musste. Ich versuchte es wiederholt, aber er ließ es nicht zu, weshalb ich einfach tanzte. Zu spanischer Musik, "Body" von Jeremih, "Slow motion" und "We should be together" von Pia Mia. Mir war alles egal. Ich hatte Spaß.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich richtig erinnere, aber ich glaube, ich habe ihn plötzlich geküsst. Nachdem er wiederholt damit gerechnet hatte, dass ich ihn küssen würde, ich aber immer zu seinem Hals abschweifte, um ihm einen Knutschfleck zu verpassen, gab ich ihm das, was ich wollte. Gut, vielleicht wollte er es auch.
Meine T-Shirt wurde ziemlich schnell auf die Couch verbannt, er küsste meinen Hals und sagte dann:"You're gonna be so mad tomorrow." Ich wusste, was er getan hatte. Erneut würde ein lila Knutschfleck meinen Hals zieren.
Er hob mich hoch, setzte mich auf der Arbeitsplatte ab, wodurch ich ihm sein T-Shirt ausziehen konnte. Wir machten rum, mittlerweile lief "Whoregasm", als er sagte:"Let's go upstairs." Ich bat ihn meine Musik auszumachen, was er tat, bevor er mich hochhob und nach oben trug. Sehr männlich. Sehr sexy.
Danach schlug er vor, nochmal runter zugehen und weiter zu trinken. Keine Ahnung, was falsch bei mir war, aber ich war dabei, obwohl ich schon betrunken war.
Er fragte mich nach meiner schönsten Reise, ich erzählte ihm von dem simplen Kurztripp, der aber alles beinhaltete, was ich brauchte. Er erzählte von seiner Reise nach Kanada, als er 16 war. Obwohl er dort viel gekifft hatte, ging er als Junge hin und kam als Mann zurück. Er fing an ein paar Seiten darüber zu schreiben, wie er sich fühlte und machte das jetzt alle drei Jahre. Mittlerweile hat er 30 Seiten.
Ich verschwieg, dass ich fast täglich schrieb.
Er fragte, wo ich leben würde, wenn ich nicht hier leben dürfte.
In Deutschland Hamburg.
In der Welt Paris.
Wir spielten Ich hab noch nie, tranken Wodka. Aber irgendwann fing ich an Wasser zu trinken, um nicht zu dehydrieren. Außerdem aß ich Reiswaffeln. Irgendwann gegen drei Uhr beschlossen wir uns bettfertig zu machen. Ich gab ihm eine Zahnbürste und schminkte mich ab, während er schon mal nach oben ging. Als ich fertig war, machte ich das Licht aus. Ich war so betrunken, dass sich meine Augen nicht an die Dunkelheit gewöhnten.
"Fuck, I don't see anything."
Ich tastete mir den Weg nach oben.
"Are you blind?"
Ein wenig schmollend sagte ich "I'm so drunk", fiel in seine Arme und schlief auf der Stelle ein.
Gegen neun Uhr wachte ich auf. Ich war immer noch betrunken, aber mir ging er erstaunlich gut. Er war ebenfalls schon wach, ihm ging es deutlich schlechter. Er hatte Kopfschmerzen und war verkatert.
Ich hatte das Bedürfnis ihn zu nerven, also versuchte ich wieder ihm einen Knutschfleck zu verpassen, was nicht klappte. Ich war richtig gut drauf, er fragte nach einer Kopfschmerztablette. Ich gab ihm eine aus meiner Handtasche, wollte ihn aber weiterhin nerven. Aus diesem Grund fing er an mich zu kitzlen, was ungefähr mein Tod ist. Ich konnte nicht mehr vor lachen. Als ich mich wieder beruhigt hatte, gingen wir runter und frühstückten.
Ich machte meinen Adventskalender auf und brach das Stück Schokolade in zwei, weil ich so ein guter Mensch war und es mit ihm teilte. Er nahm mir beider Stücke aus der Hand und warf sie sich in den Mund.
Ich war fassungslos.
"How could you do that?"
Er öffnete eine Hand und zeigte mir ein Stück Schokolade. Er hatte mich verarscht.
"You almost broke my heart."
Bei Brot und Tee unterhielten wir uns über das Universum.
Danach ging er.
Ich schlief noch ein wenig und ging mittags in die Vorlesung, was nicht wirklich viel brachte, weil ich immer noch Restalkohol hatte.
Ansonsten gibt es nicht viel zu erzählen. Ich nehme mir viel Zeit für mich, gehe auf Weihnachtsmärkte und unternehme was mit Freunden. Am Freitag hat Toni uns alle zu sich zur Feuerzangenbowle eingeladen, was gemischte Gefühle in mir auslöste. Davon werde ich ein ander Mal erzählen. Gestern war ich mit Ina auf vier Weihnachtsmärkten und in den Straßen der Stadt unterwegs. Wir haben viele tolle Geschäfte und Dinge entdeckt und es war wunderschön. Heute geh ich mit einem Kumpel aus der Uni feiern, den ich schon fast ein Jahr lang nicht mehr gesehen habe. Ich bin gespannt wie es wird.

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Dienstag, 3. Dezember 2019
Stop being an asshole and counting my eye rolls
Es scheint als würde ausgerechnet die besinnliche Zeit voller Termine sein.
Ich versuche einen Mittelweg zu finden.
Viel erleben und trotzdem viel alleine sein und reflektieren.
Am Donnerstag hab ich mich mit Ina auf einen Kaffee getroffen. Ich finde es wirklich schön, dass wir uns momentan so oft sehen. Wir hatten wieder sehr viel zu lachen.
Abends bin ich noch mit Joschua Burger essen gegangen. Es war diesmal nicht so datingmäßig, sondern eher freundschaftlich, was ich sehr entspannt fand. Wir hatten gute Gespräche, viel zu lachen und als ich das nächste Mal auf die Uhr sah war es bereits zehn. Die Zeit war wie im Flug vergangen. Wir bezahlten und gingen zurück zur Uni, da ich noch eine Stunde arbeiten musste.
Ich war letzten Freitag mit Max und Ina feiern. Davor haben wir mit Fabi und Macy bei mir vorgeglüht. Wir hatten echt viel Spaß.
Macy erzählte von ihrer schweren Vergangenheit auf unserer Schule, den Problemen, die ihr die Menschen in dieser Stadt bereiteten und den Vorurteilen, mit denen sie zu kämpfen hat.
Sie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten und das brach mir das Herz.
Sie erzählt mir schon einiges, das sie belastet, aber bei weitem nicht alles. In ihr schlummert noch so viel mehr Schmerz.
Dennoch muss ich sagen, dass sie wirklich Fortschritte macht. Ich sehe es. Sie steht für sich selbst sein, sie sagt ihre Meinung und sie ist verständnisvoll.
Ich bin davon überzeugt, dass sie sich eines Tages lieben wird.
Und ich kann es gar nicht erwarten, sie dann zu sehen. Sie ist jetzt schon eine wundervolle, tiefsinnige und sehr liebenswerte Person. Ich weiß, dass sie leuchten wird, sobald sie das auch selbst glaubt.
Ich habe mich stets so gefühlt, als würde ich nirgendwo so richtig dazu gehören.
Macy hat das noch in einem viel größeren Ausmaß gefühlt.
Aber ich finde es toll, wie sie an sich arbeitet, um das zu bekämpfen.
Macy war ziemlich oft mein Ritter in glänzender Rüstung, wenn ich von anderen Leuten enttäuscht wurde. Sie ist so verlässlich.
Sie hatte Bedenken, dass unsere Stimmung durch ihre Tränen im Keller war, aber das war sie nicht. Obwohl es uns alle geschockt hat, sie so zu sehen. Selbst ich hab sie noch nie weinen sehen.
Trotzdem konnte sie danach wieder lachen.
Der Clubabend war ganz okay. Die Musik war gut, aber mit den Menschen bin ich nicht wirklich warm geworden. Max war mehr oder weniger verzweifelt auf der Jagd und wurde immer frustrierter, als es nicht klappte.
Dann ging er sogar einfach, ohne sich von Ina und mir zu verabschieden.
Ina und ich gingen auch kurz darauf, fuhren zu mir, tranken Tee und schliefen. Am nächsten Tag fuhr sie mich sogar nach Hause. Es war wirklich sehr schön.
Ich bin sehr gesegnet. Meine Freunde sind wirklich toll.
Am Samstag habe ich meine ersten Plätzchen gebacken und am Sonntag war ich mit Ina auf einem Weihnachtsmarkt.
Gestern war ich in der Bib und abends in einem Gottesdienst. Diesmal in einer anderen Kirche, weil ich ihm näher sein wollte. Die Kirche war wunderschön, der Gottesdienst und die Predigt auch, aber die andächtige Stimmung fehlte mir. Unter all den Lichtern fühlte man sich sehr beobachtet. Trotzdem schaffte ich es, die Touristen auszublenden. Die Türen schlossen sich und die lärmende Stimmung der belebten Straße verstummte. Ruhe, Reflektion und Emotionalität begannen.
Danach schlenderte ich noch eine halbe Stunde durch die beleuchteten Straßen der Stadt und hörte Musik. Es war ziemlich kalt, aber der Anblick der Gebäude in Einheit mit den Klängen meiner Musik erfüllte mein Herz so sehr, dass ich fast ein wenig sentimental wurde. Niemand wird mir jemals dieses Gefühl geben können. Das kann nur ich mir geben. Ich konzentrierte mich ganz auf mich selbst. Ich war verliebt.
Ich ging in die Arbeit und erledigte noch, was getan werden musste. Danach fuhr ich heim.
Welch Ironie. Sobald man sich ausschließlich auf sich selbst konzentriert, kommen andere Menschen wieder an.
Pietro fragte, ob ich am Mittwoch Zeit hätte. Ich hatte. Obwohl ich sehr überrascht war, dass er sich überhaupt noch mal gemeldet hatte.
Eric schrieb mir, dass er gerne mal wieder ein Bier mit mir trinken würde.
Wollte ich das?
Ich fände es schon ganz interessant, mal wieder mit ihm zu quatschen.
Aber eigentlich bin ich froh, dass er weg ist. Aus diesem Grund hab ich überhaupt etwas mit ihm angefangen. Damit die Sache gegessen ist. Aber er schreibt mir immer noch, immer wieder.
Ich kann nicht sagen, was ich will. Momentan bin ich eher wieder ein bisschen abgeneigt, aber das ist stimmungsabhängig.
Andererseits: Laut Shallon ist es ein "Hölle Nein" wenn es kein "Hölle ja" ist.
Wir werden sehen. Ich hab vorerst andere Dinge zu tun.

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Dienstag, 26. November 2019
I'm a bad chick, I need a bad one with me
Am Donnerstag ging ich mit Joschua Mittag essen. Er wollte anstelle des Geldes, das ich ihm schuldete, lieber von mir zum Essen eingeladen werden. Wieso eigentlich nicht?
Wir wollten uns eigentlich am Brunnen treffen, aber er kam mir schon entgegen, als ich die Treppen des U-Bahngeschosses nach oben stieg.
Wir gingen zu dem Italiener, bei dem wir auch das letzte Mal waren. Joschua ist ein ziemlicher Gentleman. Er hält mir jede Tür auf, lässt mich bei jeglichem Hindernis, das unseren Weg kreuzt und uns verbietet nebeneinander herzugehen, vorgehen und ist auch ansonsten sehr zuvorkommend.
Er bestellte eine Pizza, ich Spaghetti Carbonara. Halt stop. Ich hab nicht mal bestellt. Als der Kellner die Bestellung aufnahm, lies ich ihm den Vortritt und wollte danach bestellen, aber er handelte es so:“Für die Dame einmal Spaghetti Carbonara und für mich bitte Pizza XY.“
Ich lachte, weil ich noch nie erlebt hatte, dass jemand meine Bestellung übernahm und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.
Das Essen kam und der Kellner verschwand wieder, aber Joschua hatte etwas vergessen.
Er hob die Hand und sagte zu dem Kellner:“Verzeihung? Könnte ich bitte die scharfe Soße haben?“
Der Kellner brachte die Soße und antwortete mit stark italienischem Akzent und mit Blick auf mich:“Ahh eine scharfe Soße, weil du auch eine scharfe Freundin hast.“
Wir lachten (ich ein bisschen verlegen), aber Joschua handelte die Situation souverän.
Wir unterhielten uns wirklich gut. Ich muss sowieso sagen, dass er diese ganze Datingsache extrem gut drauf hat. Er merkt sich Dinge, die ich ihm vor Monaten erzählt habe und stellt Fragen, die ich mir teilweise noch nicht einmal selbst gestellt habe. Man merkt einfach, dass er Erfahrung auf diesem Gebiet hat. Er weiß, wie man einer Frau ein gutes Gefühl gibt.
Als wir fertig gegessen hatten, bestellte ich die Rechnung. Da ich mit Karte zahlte, musste ich mit dem Kellner hinter zur Kasse gehen. Als ich zurückkam stand Joschua schon fertig angezogen da, mit meinem Mantel in der Hand und half mir in ihn hinein. Ich war beeindruckt. Es war, als wäre er aus einem anderen Jahrhundert. Genau solche altmodischen Dinge mag ich.
Wir gingen zur Uni, ich hatte noch eine Vorlesung, er musste arbeiten. Er begleitete mich bis vor die Tür meines Vorlesungssaales. Wir verabschiedeten uns mit einer Umarmung und ich ging in meine Vorlesung.
Bevor ich losfuhr, um mich mit Joschua zu treffen, hatte ich Pietro geschrieben. Ich hatte nichts von ihm gehört und eigentlich geht es ja gegen meinen Stolz. Aber als ich am Montag mit Max bei einem Kaffee darüber redete, überzeugte er mich. Mit dem einfachen Argument:“Sonst kriegst du halt nicht, was du willst.“ Außerdem meinte er, ich sollte die Zügel in die Hand nehmen, weil er wahrscheinlich ein wenig verunsichert war. Und er sagte, ich sollte ihn zu meiner Bitch machen. Also schrieb ich:“Hey, my bitch. Wanna come over tonight?“
Als ich in der Vorlesung saß und nach zwei Stunden zum ersten Mal wieder auf mein Handy schaute, erwartete ich nicht, schon eine Antwort zu bekommen. Ich täuschte mich. Drei Nachrichten von Pietro. Ich rechnete mit einer Absage, aber ich täuschte mir erneut.
„Sounds good. The second one. About the first one no comment.“
Wir machten aus, dass er um neun zu mir kommen würde.
Die Vorlesung war ziemlich anstrengend. Ich bekam ziemlich starke Kopfschmerzen, weshalb ich mich nicht mehr konzentrieren konnte. Darum ging ich in der Pause heim. Ich kaufte Wein und Wodka, kochte und aß und legte mich nochmal eine Weile hin. Die Kopfschmerzen waren daraufhin zum Glück weg.
Ich räumte ein wenig auf, duschte und machte mich fertig. Ich war ein wenig nervös. Jemanden in seine Wohnung zu lassen ist ein ziemlicher Schritt. Für manche Kerle vielleicht nicht, deren Wohnungen aussehen als würden sie eine Woche und nicht ein Jahr dort wohnen. Wenn man es klug anstellt, kann man anhand meiner Wohnung einiges über mich herausfinden. Nicht jeder verdient es, mich auf diese Art und Weise zu kennen. Also verdeckte ich die Sachen, die zu persönlich waren.
Ich war oben, hörte „Bottled up“ mit meinen Kopfhörern und hatte die Balkontür geöffnet. Plötzlich erhielt ich einen Anruf von Pietro.
„Hey, are you sleeping?“, hörte ich ihn sowohl durch mein Handy als auch durch die offene Balkontüre. Er hatte lediglich geklopft anstatt zu klingeln, was ich aufgrund meiner Musik nicht gehört hatte.
Ich ging hinunter und öffnete ihm die Tür.
Irgendwie bin ich jedes Mal überrascht, wie groß er ist. Ich habe ihn stets kleiner in Erinnerung.
Zwei Küsschen auf die Wangen, er legte seine Jacke und seinen Schal ab. Er hatte sogar ein Hemd an. Wir machten Smalltalk, ich bot ihm was zu trinken an. Er entschied sich für den Wodka und untersuchte währenddessen meinen Kühlschrank, um herauszufinden, was ich aß. Da die Woche sich bereits dem Ende zuneigte, war die Auswahl nicht besonders groß. Er betitelte meinen Nudelsalat mit den Worten „That pasta looks sad“. Dann besichtigte er meine Wohnung und fand sie ziemlich cool.
Wir setzen uns auf die Couch, fingen an zu trinken und redeten ziemlich viel. Ich hab mein Selbstbewusstsein gefakt. Nicht alles, aber diese kleine Prise over the top auf jeden Fall. Oder vielleicht war es mir auch mittlerweile immer mehr egal.
Er legte sich quer auf die Couch, so dass ich überhaupt keinen Platz mehr hatte. Ich versuchte ihn zur Seite zu schieben, was nicht funktionierte, weshalb ich mich halb auf seine Brust legte und versuchte, mich so schwer wie möglich zu machen, damit er es unbequem hatte und mir wieder Platz machen würde. Es funktionierte, er setzte sich wieder auf.
Nach einem kurzen Blick auf mein Dekolleté fragte er:“Do you like your boobs?“
Ich:“Yeah. Why?“
Er:“I don‘t know, some girls are very insecure about them.“
Ich:“I‘ve been there too, but that‘s who I am. Why should I not love myself?“
Er:“I like that.“
Wir kamen mal wieder auf das Thema der deutschen Sprache zu sprechen. Er meinte, dass es sehr schwer sei und sich hart anhöre. Um das zu demonstrieren, nahm er „Sakrileg“, das auf meinem Couchtisch lag, schlug wahllos eine Seite auf und fing an auf deutsch daraus vorzulesen. Es hörte sich so lustig an, ich konnte fast nicht mehr aufhören zu lachen. Dann nahm er sich zum Gegenbeweis „Irristible alchimie“, das ebenfalls auf meinem Couchtisch lag, blätterte wieder wahllos zu einer Seite und fing an auf französisch zu lesen – obwohl er selbst kein französisch spricht. Aber ich muss zugeben, dass es sich besser anhörte als sein deutsch.
Irgendwas lag ihm auf dem Herzen, über das er reden wollte, aber er war noch nicht dazu bereit, als ich nachfragte. Später vergaßen wir es.
Er fragte, ob ich gerne eine Beziehung hätte, was ich verneinte. Er hingegen war mehr oder weniger auf der Suche nach einer, mit der Begründung, dass seine letzte schon zwei Jahre her ist, er ein Beziehungstyp ist und er gerne wieder jemanden hätte.
Ich hätte ihn ehrlich gesagt ganz anders eingeschätzt. Bisher kam es immer so rüber, als hätte er den Glauben an Beziehungen verloren. Vielleicht war es die dunkle Jahreszeit, die seine Meinung geändert hatte oder vielleicht war er auf jemanden getroffen, der seine Meinung geändert hat. Wer weiß, wie viele er am Start hat.
Er fragte, wieso ich keine Beziehung wollte und ich erklärte ihm, dass ich kein Beziehungstyp bin, dass ich noch nicht bereit dafür bin, noch an mir arbeiten muss und vor allen, dass ich nicht weiß, ob ich jemals dazu in der Lage sein werde, eine gesunde Beziehung zu führen.
Er:“Aren‘t you scared of never getting married?“
Ich:“No. I‘m fine alone. I don‘t need a man to have a family.“
Er:“Nice.“
Ich sagte, dass ich nicht an bedingungslose Liebe glaube, weil es für mich immer Bedingungen gibt. Er fragte nach den Voraussetzungen, die mein Traummann erfüllen müsste.
Ich erläuterte ihm einige, wie beispielsweise Intelligenz, die Fähigkeit zum Holzhacken und dass er noch lustiger sein musste als ich – was schwierig war, weil ich mich selbst ziemlich lustig finde und stets über meine eigenen Witze lache. Außerdem sagte ich, dass der Glaube an etwas eine Voraussetzung ist. Es muss kein Gott sein, aber der Glaube an eine Kraft, die übernatürlich und größer ist, als das was wir Menschen uns vorstellen und kontrollieren können, ist mir wichtig. Ich habe gläubige und nicht gläubige Menschen in meinem Umfeld und ich sehe einen signifikanten Unterschied, wenn es um das Thema Glücklich-Sein geht. Natürlich spielen da auch andere Faktoren eine Rolle. Aber ich war fast zwei Jahre mit einer Person zusammen, die an nichts glaubte. Nicht an einen Gott, nicht an ein Universum, nicht an Karma, nicht an das Gute in Menschen, nicht an mich und vor allem nicht an sich selbst. Das war Gift.
Er:“But you can‘t make a person believe in something.“
Ich:“I won‘t. But if you don‘t believe in something, I won‘t pick you.“
Er:“I‘m too logical to believe. But you‘re looking for perfection. You know, sometimes you meet someone who‘s not as beautiful but he makes you laugh and then you guys just click.“
Ich:“I‘m not looking for perfection. I just don‘t settle for less. I did it once and I‘m never gonna do it again.“
Er:“You settled for less?“
Ich:“Yeah.“
Irgendwann sagte er:“Tell me about your dreams.“
Ich:“When it comes to a job or in general?“
Er:“Whatever you like,“
Spaß halber antwortete ich:“I want to put people into prison. I wanna build a castle. I wanna have like twelve cats.“
Er:“Twelve?“
Ich:“Yeah, I‘m gonna be a cat lady.“
Er:“I always feel sorry for them.“
Ich:“Why?“
Er:“It‘s kind of sad.“
Dann sagte er, dass er gerne zwölf Hunde hätte, als ob das nicht genau so traurig wäre. :D
Wir tranken immer mehr, irgendwann prahlte ich mal wieder mit meiner Stärke. Also landeten wir wieder beim Armdrücken. Ich gab wirklich mein Bestes, durfte sogar beide Hände verwenden – auch als er mit seiner schwächeren Hand drückte. Ich hatte keine Chance.
Irgendwann wollte er vor die Tür gehen und bei meinen Nachbarn klingeln. Ich zog ihn an seinem Hemd wieder rein, schloss die Tür und schubste ihn mit dem Rücken dagegen. Er drehte den Spieß um, nahm meine Handgelenke und drückte sie über meinen Kopf, während er mich gegen den Einbauschrank presste. Ich grinste. Ich mochte dieses Spiel.
Dann wollte er auf den Balkon gehen. Ich schloss die Tür, als er draußen stand und sperrte ihn aus. Er drohte mir damit, dass er schreien würde und fing schon an meinen Namen laut zu sagen, sodass ich ihn um des Friedens Willen wieder hinein ließ. Er legte sich auf das Bett und tat so als würde er schlafen. Nachdem ich mit ihm kämpfte, damit er mir auch Platz ließ und wir Probe lagen, kamen wir zu dem Schluss, dass wir heute Nacht wohl oder übel kuscheln würden mussten.
Wir gingen wieder hinunter, tranken mehr und redeten. Er fragte mich, ob ich jemals was mit jemandem hatte, der vergeben war, was ich verneinte. Er hingegen bejahte es. Es war ein Mädchen, das schon fünf Jahre lang in einer Beziehung war.
Ich:“How could you do that?“
Er:“What? It‘s none of my business acutally.“
Ich:“She‘s the one to blame, but you‘re not innocent either.“
Er:“Would you never do that?“
Ich:“No.“
Er:“Why?“
Ich:“I respect the other woman. I‘ve been there too. I don‘t want men who cheat, it‘s not attractive. And I believe in Karma.“
Er:“I guess it‘s mostly because you‘ve been cheated on too. But you know, it‘s their decision.“
Ich:“I know. If you want to cheat, you will find a way. But it won‘t be me.“
Er:“I like that.“
Wir kamen auf ein paar lustigere Themen zu sprechen. Er zeigte mir Fotos von seinem letzten Silvester – an dem er sehr betrunken war – und wir sprachen darüber, wie wir unsere Weihnachtsferien verbringen würden.
Er entdeckte meine Polaroidkamera, die mir meine (fantastischen) Freunde zum Geburtstag geschenkt hatten. Er wollte damit Fotos machen, ich war dabei.
Zuerst machten wir die Denker-Pose. Als das Klicken des Blitzlichtes ertönte, schoss mir „You took a polaroid of us“ durch den Kopf. Ich schüttelte es und legte es ins Licht auf den Tisch. Wir lachten, als es sich nach und nach entwickelte. Dann schossen wir ein weiteres. Er wollte so tun, als wären wir betrunken. Wir interpretierten es unterschiedlich. Er schloss die Augen, ich ließ meine offen und tat, als würde ich den Flaschenhals der Wodkaflasche ablecken. Auf unserem letzten Foto taten wir beide so als würden wir den Flaschenhals ablecken. Unsere Zungen berührten sich kurz. Als alle Fotos fertig entwickelt waren, drehte es sie um und sagte, ich solle zwei auswählen. Ich zog beide Flaschenhalsbilder, ihm blieb damit das Denkerposebild.
Er meinte, er hätte noch ein Foto von uns. Er suchte es auf seinem Handy. Es war ein Foto von unserem ersten Kuss, mich sah man nur von hinten, den Kopf in den Nacken gelegt, um überhaupt zu ihm hoch zukommen. Pietro dagegen erkannte man sehr wohl. Houssan hatte dieses Bild gemacht, der kleine Bastard.
Peitro erzählte mir von einem Fest im Herbst, auf dem er sehr betrunken war. Er war verwundert, dass ein Mädel überhaupt mit ihm rumgemacht hatte, weil er in diesem Zustand sicher nicht gut geküsst hatte.
Ich:“You don‘t think you‘re a good kisser when you‘re drunk?“
Er:“You rated me a seven.“
Ich:“Right.“
Wir saßen ziemlich nah beieinander. Er starrte auf meine Lippen und senkte den Kopf ein wenig.
Ich:“Do you want a tipsy kiss?“
Er nickte.
Wir küssten uns.
Anfangs war es süß und unschuldig. Abwartend. Wir ließen unsere Hände bei uns. Dann vertieften wir den Kuss, es wurde intensiver und ehe ich mich versah, saß ich lediglich mit meiner Jeans bekleidet auf seinem Schoß und knöpfte sein Hemd auf. Wir machten rum und die Stimmung heizte sich ziemlich auf. Er hob mich hoch und sagte:“Let‘s go upstairs.“
Ich hatte nichts dagegen. Erst recht nicht, als er mich gegen die Wand gepresst küsste.
Ich wollte noch einen kurzen Abstecher im Bad machen. Im hellen LED-Licht des Spiegels schimmerte mir ein dunkellila Knutschfleck in meiner Halsbeuge über meinem linken Schlüsselbein entgegen. Fuck. Ich wollte am Samstag ins Theater gehen und ein Kleid anziehen. Jetzt durfte ich das ganze Wochenende mit einem Schal rumlaufen. Ich würde mich an ihm rächen. Auch seinen Hals würde ein Knutschfleck zieren.
Er hatte es zuvor geschafft, die Badezimmertür auszurenken. Ich dachte, ich hätte sie wieder eingerenkt, aber dann stand ich im Bad und bekam die Tür nicht mehr auf. Ich fing an zu lachen, als er runterkommen und mich befreien musste. Ich löschte unten alle Lichter, legte meinen Schmuck ab und ging nach oben zu ihm.
Ich tat das, was Max mir geraten hatte. Ich nahm die Zügel in die Hand. Hölle, war ich selbstbewusst. Ich dachte, es würde ganz gut funktionieren – was es auch tat, bis es plötzlich nicht mehr funktionierte. Er nannte mir den Grund, ich war überzeugt, dass die Ursache mentaler Natur war. Er setzt sich ziemlich unter Druck. Das hielt uns nicht davon ab, die Schublade meines Bettkastens zu öffnen und andere Sachen zu machen.
Ich war immer noch in der Sphäre, in die er mich versetzt hatte und spielte gedankenverloren mit seinen Haaren. Er lachte, weil ich die Decke anstarrte.
Dann legte er sich neben mich. Ich ging nochmal hinunter, um mein Make-up abzumachen und Zähne zu putzen, er holte sich währenddessen ein Glas Wasser. Als ich wieder nach oben kam, lag er im Bett und machte eine Sprachnachricht auf italienisch.
Er:“That‘s my friend, say hi.“
Ich:“Hiii.“
Er redete auf italienisch weiter und ich hatte das Gefühl, dass es um mich ging. Das sagte ich ihm auch, aber er wollte mir nicht sagen, was er gesagt hatte. Deshalb fing ich an auf deutsch zu reden. Und ihn ein bisschen auf deutsch zu beschimpfen.
Danach lagen wir noch nebeneinander und redeten. Es war ein wenig deep talk dabei, aber auch banale Sachen, wie dass wir beide Essen Menschen vorzogen. Gegen ein beschlossen wir ins Bett zu gehen. Er stellte den Wecker mit seiner Applewatch und fragte, ob ich aus dem 19. Jahrhundert wäre, als ich meinen Wecker anhand eines altmodischen Weckers stellte. Ich holte noch eine zweite Bettdecke, weil er ein noch aggressiverer Deckenklauer war als ich. Dann schliefen wir. Ich versuchte es zumindest. Ich wachte sehr oft auf, hatte einen komischen Traum und einfach viel zu wenig Platz. Er redete wieder im Schlaf. Erst auf italienisch, dann sagte er plötzlich ganz enthusiastisch:“Fuck, I love it!“
Sehr amüsant.
Das Klingeln des Weckers riss mich aus meiner wohl einzigen Tiefschlafphase in dieser Nacht. Ich hatte ein wenig Restalkohol und war so müde. Ich wusste nicht, wie ich die Vorlesung überstehen sollte.
Trotzdem zog ich mich an und ging nach unten, um mir Frühstück zu machen. Er kam nach ein paar Minuten nach, wollte kurz von meinen Haferflocken probieren, hatte aber keine Zeit mehr für einen Tee.
Ich:“Did you sleep well?“
Er:“I had a lot of space.“
Er fragte, ob er im Schlaf geredet hätte, ich erzählte es ihm. Danach musste er gehen, um seine Vorlesung nicht zu verpassen. Er zog seine Jacke und seinen Schal an. Ich erinnerte ihn an sein Polaroidbild, das noch auf dem Tisch lag. Er steckte es in seinen Geldbeutel. Zwei Küsschen auf die Wange, dann ging er. Ich aß mein Frühstück, dann erhielt ich eine Nachricht, dass er seine Applewatch vergessen hätte. Er kam noch einmal, ich ging nach oben und holte sie ihm. Dann war er endgültig weg.
Ich frühstückte zu Ende, machte mit fertig und ging in die Vorlesung. Konzentration ist zwar etwas anderes, aber es war okay. Danach fuhr ich wieder heim und schlief erst einmal eine Runde.
Um fünf traf ich mich mit Max auf einen Kaffee. Ich erzählte ihm von der vorherigen Nacht und er gab mir Tipps, die sehr hilfreich waren.
Wir werden sehen, ob ich ihn überhaupt wiedersehe. Es ist an ihm, sich zu melden. Glücklicherweise hab ich diese Woche meine Tage, dann komm ich nicht in Versuchung.
Abends traf ich mich noch mit den beiden Julias und Toni bei Nadja, die in eine neue Wohnung gezogen war. Ich zog einen Rollkragenpulli an, um den Knutschfleck zu verdecken. Ich wollte keine Fragen beantworten. Der Abend war ganz schön.
Diese Woche geh ich endlich mal wieder feiern. Ich vermisse das Tanzen so sehr. Ich brauch etwas Neues.

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Mittwoch, 20. November 2019
Your fingerprints, there ain't a sign of them on my body
Ich hatte gestern einen sehr erleuchtenden Moment.
Ich habe viel über Lena und über Frauen insgesamt nachgedacht.
Warum lassen wir uns manchmal wie Scheiße behandeln?
Der Grund dafür liegt klar in unserem mangelnden Selbstwertgefühl und der Angst, die Zukunft könnte nichts Besseres bringen.
Ist das nicht das Schlimmste, was wir tun können? Ein auf Angst basiertes Denken?
Warum versuchen wir nicht positiv an das Leben heran zugehen mit der festen Überzeugung, dass alles für uns passiert?
Ich bin mir sicher, dann wird es auch so passieren.
Warum versuchen wir Typen zu ändern?
Warum daten wir das Potential anstelle dessen, was wirklich vor uns steht?
Wir sind nicht dazu da, Typen dabei zu helfen, die beste Version ihrer Selbst zu sein. Das müssen sie alleine schaffen.
Das gleiche gilt für deren Meinungen.
Wenn mir ein Typ sagt, er will keine Beziehung - aus welchen Gründen auch immer - werde ich einen Teufel tun und ihm vom Gegenteil überzeugen.
Das wäre verschwendete Energie.
Zudem würde ein Mann, der sich seiner Meinung sicher und standhaft ist, sich nicht überzeugen lassen.
Lässt er sich überzeugen, ist er entweder nicht standhaft oder hat Spielchen gespielt.
So oder so würde es also ein schlechtes Licht auf ihn werfen.
Das Selbe gilt für mich. Ich würde auch nicht wollen, dass jemand um mich kämpft, wenn ich sage, dass ich noch nicht bereit für eine Beziehung bin. Ich sage das nicht, um irgendeinen Instinkt in Männern zu wecken.
Man stelle sich vor, ich sage das, weil ich einfach nur ehrlich bin. Ehrlich zu anderen Menschen und vor allem ehrlich zu mir selbst.
Wieso haben wir das Bedürfnis anders als unsere Vorgängerinnen zu sein?
Seine Ex hat ihn so verletzt - ich werde ihn heilen.
Seine Ex hat verrückte Sachen gemacht - ich werde entspannt sein.
Seine Ex hat ihn betrogen - ich werde ihm zeigen, dass er wieder lieben kann.
Nein.
Einfach nur Nein.
Es ist nicht unsere Aufgabe, einen sicheren Hafen für Männer zu schaffen.
Der Gedanke dahinter ja kein schlechter, auch ich habe das Helfersyndrom. Aber Männer müssen sich genau so mit sich selbst auseinandersetzen und für ihre mentale Gesundheit sorgen wie Frauen. Wir müssen uns dazu zwingen, nicht die Ritter in glänzender Rüstung zu spielen für Typen, die nicht mal ihre eigenen Dämonen besiegen können. Was auch kein Vorwurf sein soll. Aber dafür gibt es Therapeuten und Psychologen.
Wir werden nicht dafür bezahlt, wenn wir die Hobbytherapeuten, Sicherheitsnetze und Lebenserleichterer für Typen spielen.
Jeder, wirklich jeder von uns, wurde schon einmal verletzt.
Das ist keine Entschuldigung dafür, in Selbstmitleid zu baden und andere Menschen mit hinein zuziehen.
Wenn du mental nicht gesund bist, wird sich das auf Menschen aus deiner Umgebung auswirken. Wenn du dir nicht Zeit nimmst, deine Wunden zu heilen, wirst du Menschen verletzen, die dich nie verletzt haben. Du wirst Menschen für das bestrafen, was ihre Vorgänger dir angetan haben. Das ist ein Teufelskreis, der durchbrochen werden muss.
Wir sollten uns auch nichts schön reden.
Es gibt keine gemixten Signale.
Wenn man aus den Signalen nicht schlau wird, ist er es nicht.
Jemand, der wirklich verrückt nach dir ist, wird dich nicht daran zweifeln lassen, was er für dich empfindet.
Wenn dir jemand zeigt, wer er ist - glaub ihm.
Ein "Er verletzt mich nur, um mich von sich zu stoßen, weil er Angst hat, dass seine Gang mir etwas antut, wenn sie mich als seine Schwachstelle entdeckt" ist im wahren Leben eher unrealistisch.
Wenn er dich verletzt, weil er ach so viel Angst davor hat, sich emotional auf jemanden einzulassen, ist er nicht bereit. Toxische Beziehungen fangen oft schon in der Kennenlernphase an. Denn genau dort setzen wir unsere Grenzen und bestimmen, welches Verhalten wir tolerieren.
Lasst uns alle an unserer mentalen Gesundheit arbeiten und unsere Erwartungen nach oben schrauben. Das ist der Schlüssel zu einem gesunden Selbstwertgefühl.

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Dienstag, 19. November 2019
Higher than the moon, not wearing pants
Die Party war so lala.
Macy kam abends zu mir, wir haben Nudeln gekocht und vorgeglüht. Es war richtig witzig. Und erleuchtend.
Ich:"Ich habe gerade meinen Ersti-Moment und ich weiß nicht, warum der ausgerechnet dann kommt, wenn es erst wird."
Macy:"Vielleicht hast du ihn gerade, weil es ernst wird."
Ich war baff. Sie hatte recht. Ich war nicht bereit für den Ernst, der kommen würde. Ich habe das Gefühl, mein Studentenleben noch gar nicht richtig ausgelebt zu haben und genau das möchte ich jetzt tun.
Und ich sehe, welche Fortschritte sie macht was ihre mentale Gesundheit angeht. Das ist so schön mit anzusehen. Sie ist noch nicht auf dem Level, auf dem sie sein sollte, aber sie macht Schritte in die richtige Richtung und das freut mich.
Wir nahmen die U-Bahn und trafen uns auf der Party mit ziemlich vielen Leuten aus der Schule. Ich konnte mich im Nachhinein nicht daran erinnern, dass zum Beispiel Wassi da war, aber wir haben zusammen ein Foto gemacht.
Macy und ich tanzten erst auf der Tanzfläche als noch fast niemand drauf war. Es war uns so egal. Wir tanzten nur für uns. Macy hat so ein gutes Körpergefühl. WIE KANN SIE SICH NICHT ÜBER ALLES LIEBEN????
Unglaublich.
Ich erinnere mich daran, dass wir Shots getrunken haben. Zwei, drei, vielleicht auf fünf. Was angesichts der Tatsache, dass Macy und ich schon ganz gut vorgeglüht hatten, vielleicht keine gute Idee war.
Ich glaube, ich bin mit Peter und Bene auf die Jagd gegangen, aber keiner von uns hat was erwischt. :D
Irgendwann wurde die Stimmung komisch. Vielleicht waren es auch die Leute oder die Tatsache, dass die Leute sehr sehr jung waren. Einer war besoffener als der andere. Ein Mädel kippte auf der Tanzfläche einfach um. Wir wurden von ziemlich komischen Typen angegraben.
Macy und ich kauften uns eine Pizza, was uns sehr gut tat. Alle anderen hatten wir inzwischen verloren. Dann fanden wir Fabi wieder, der auf den volltrunkenen Sevi aufpasste und wir beschlossen uns auf den Heimweg zu machen. Die Schlange an der Garderobe war endlos lange. Wir stellten uns an. Die Leute fingen an zu schubsen und zu drängeln, ich war richtig genervt und dementsprechend auch zickig. Menschenmassen rauben mir so viel Energie und ich war eh schon müde.
Als wir endlich unsere Jacken hatten, warteten Macy und ich noch auf Fabi und den Rest der Gruppe. Macy fuhr mit dem Taxi heim, der Rest mit der U-Bahn. Ich war richtig genervt, müde und zickig. Als dann Leute in der U-Bahn anfingen zu kotzen, schloss ich meine Augen und wartete sehnsüchtig auf meine Haltestelle. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so froh war, daheim zu sein.
Ansonsten gibt es nicht viel zu erzählen.
Lena hat gerade bei mir in der Arbeit vorbeigeschaut und mir von ihrem Ex-Freund erzählt. Ich hab ihr bereits im Sommer gesagt, dass sie ihn abschießen soll, aber sie fand sich selbst in einer giftigen On-Off-Beziehung wieder. Blässe zeichnete ihr Gesicht und in ihren Augen schimmerten Tränen, als ich ihr fragte, wie es ihr ginge. Es brach mir das Herz. Warum lassen wir Frauen das eigentlich mit uns machen?
Er hat scheinbar ziemlich schlimme Dinge zu ihr gesagt, auch welche, die ihren Körper betreffen. Darüber kann ich nur den Kopf schütteln. Lena ist ein Traum. Kurven wie eine griechische Göttin, langes rotblondes Haar, Sommersprossen, leuchtend blaue Augen und ein Lächeln, das ansteckend ist. Noch dazu hat sie eine unglaublich liebe Persönlichkeit, ein sehr großes Herz, aber leider viel zu wenig Selbstwertgefühl.
Ich hoffe, sie bleibt standhaft und lässt ihn nicht mehr in ihr Leben zurück. Sie verdient so viel Besseres.
Apropos. Ich werde aus Pietro einfach nicht schlau. Normalerweise schreibt er mir am Wochenende immer, ob wir in der kommenden Woche was machen wollen. Bisher hab ich nichts von ihm gehört und ich denke auch nicht, dass noch was kommen wird.
Ich habe mit Max darüber geredet, der mir die Männerpsychologie erklärte. Laut ihn wäre es ganz gut, wenn ich mal die Zügel in die Hand nehmen würde. Vielleicht tue ich das, mal sehen.
Heute geh ich noch mit Ina einen Kaffee trinken, darauf freu ich mich schon sehr!
Momentan mache ich ziemlich viele Dinge für mich. Ich gehe in die Kirche, schlendere danach zu meiner Musik durch die nächtlichen Straßen. Am Wochenende hab ich das erste Mal seit fünf Jahren wieder gemalt. Es war kein Meisterwerk, aber es hat mir gut getan. Ich liebe Kunst, auch wenn ich selbst keine große Künstlerin bin. Ich bin am Überlegen, mir ein paar Leinwände und Farben zu holen, um meinem Innersten freien Lauf zu lassen.
Heute gehe ich noch mit Ina einen Kaffee trinken, darauf freue ich mich schon sehr.
Ansonsten werden wir sehen, was passiert.

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Mittwoch, 13. November 2019
Listening to word of mouth about how you been out and about
Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll.
Vielleicht einfach mit dem gestrigen Tag.
Pietro und ich waren ursprünglich zum Spaghetti Carbonara machen verabredet.
Inzwischen war es Nachmittag und ich hatte nichts von ihm gehört, was mich ein wenig verunsicherte.
Hatte er es vergessen?
Immerhin hatten wir es vor über einer Woche ausgemacht und seitdem nicht mehr geschrieben.
Während es in meiner Vorlesung über wirtschaftliche Krisen ging, war ich mit den Gedanken bei der Frage, was ich machen würde, wenn er sich nicht meldete. Auch wenn ich wusste, dass es so vielleicht besser war, würde es meinem Ego nicht ganz so gut tun.
Normalerweise scheiß ich drauf. Er ist der Kerl, er muss sich melden. Mein Stolz ist zu groß, um einem Kerl hinterher zu laufen.
Allerdings hatte ich noch nie was mit jemandem, der so mein Typ war wie er. Und ich wollte ja einfach nur wissen, was Sache war. Ich hasse es, in der Schwebe zu sein.
Toni schrieb mir währenddessen, ob wir uns nach meiner Vorlesung und vor ihrer nächsten für eine halbe Stunde kurz treffen wollten. Ich sagte zu und erwähnte, dass ich einen Rat von ihr als Frau Selbstwertgefühl brauchen könnte.
Ich dachte an das, was Shallon in ihrem Podcast sagte. Anstatt so zu tun als wäre es uns egal und uns aber insgeheim zu fragen, was los ist, sollten wir einfach nachfragen, um Klarheit zu bekommen.
Also beschloss mehr oder weniger ihn einfach zu fragen, ob das heute Abend noch stehen würde.
Trotzdem wollte ich mir davor noch Tonis Meinung anhören.
Ein paar Minuten später sah ich auf mein Handy und siehe da: Eine Nachricht von Pietro, ob um neun bei ihm für mich okay wäre.
Ich musste ein Grinsen unterdrücken.
Die Vorlesung wurde überzogen, aber ich ging schon früher.
Ich ging nach draußen, setzte mich auf eine Bank vor der Uni und wartete auf Toni. Als sie kam, umarmte ich sie ganz fest. Es fehlt mir, sie nicht mehr jeden Tag in der Uni zu sehen.
Wir redeten ein wenig und sie fragte, ob alles okay wäre und wieso ich ihren Rat brauchte. Ich erzählte es ihr und sagte, dass es sich mit seiner Nachricht sowieso erledigt hatte.
Sie:“Aber ich glaube, ich hätte ihm nicht geschrieben.“
Ich:“Warum überrascht mich das nicht?“
Sie:“Was ist da eigentlich der neueste Stand?“
Ich erzählte ihr die Kurzfassung.
Sie:“Und denkst du, da wird was daraus?“
Ich:“Nein.“
Sie:“Wieso nicht?“
Ich:“Weil ich das beschließe.“
Sie sah mich an, als wäre ich verrückt geworden.
Sie:“Ich weiß nicht, ob man so was einfach beschließen kann...Hast du Gefühle für ihn?“
Ich:“Nein!“
Vermutlich sagte ich das ein wenig zu energisch, denn sie lachte und antwortete:“Woah, okay!“ :D
Ich:“Früher oder später werde ich es wahrscheinlich nicht verhindern können, weil mein Körper Oxytocin ausschüttet, aber ich muss soweit es geht rational bleiben.“
Sie:“Ach ja, diese Oxytocinausschütte machen mich auch immer totaaal fertig.
Aber woher weißt du, dass es nicht passt?“
Ich:“Es heißt doch immer, dass man es weiß, wenn man ‚den Richtigen‘ trifft und dass es einfach ist.“
Sie:“Und es ist nicht einfach?“
Ich:“Nein. Zum Beispiel die Sprachbarriere. Wir können uns zwar wirklich gut verständigen, aber egal wie gut ich jemals englisch spreche, es wird nie meine Muttersprache sein.“
Sie:“Kann er deutsch?“
Ich:“Nein. Und er weigert es sich auch es zu lernen. Da sind schon die einfachsten Grundvoraussetzungen nicht da.“
Sie:“Also besteht nicht die Möglichkeit, dass du nach Italien auswanderst?“
Ich:“Oh Gott, nein!“
Sie:“Was hält er denn von deinem Lieblingskönig?“
Ich:“Gute Frage, da muss ich ihn heute direkt mal ausquetschen.“
Wir redeten noch ein wenig weiter über die Uni, ihre Katze und was bei ihr gerade so los war. Auch wenn es nur für eine halbe Stunde war, war es schön sie mal wieder zu sehen.
Danach fuhr ich heim, aß ein bisschen was und machte mich, während ich „How to be Single“ zum fünften oder sechsten Mal anschaute, fertig. Ich war mir sehr unschlüssig darüber, was ich anziehen sollte. Ich wollte gerne einen Rock anziehen, gleichzeitig aber nicht zu overdressed sein. Noch dazu war er eher der mühelos coole und legere Typ. Also entschied ich mich letzten Endes für eine Jeans und ein terrakottafarbenes Oberteil, zog aber schöne Stiefel und einen Mantel an. Aus meinen Kopfhörern tönte Musik aus nicht meiner ganz so jugendfreien Playlist, als ich zur U-Bahn ging. An der Halstestelle ausgestiegen, schlenderte ich zu „Bubblegum“, „Too much“ und „Tequila does“ die Straßen entlang zu seiner Wohnung. Dieses Mal war ich ausnahmsweise pünktlich. Ich klingelte, der Summer ertönte und ich ging, während ich mein Handy und meine Kopfhörer in meiner Tasche verstaute, die Treppen hoch in den ersten Stock. Er wartete bereits an der Tür, gab mir zwei Küsschen zur Begrüßung als ich noch auf der letzten Treppenstufe stand und somit beinahe das Gleichgewicht verlor. Er ließ mich hinein, ich zog meine Schuhe und meinen Mantel aus und wir machten ein wenig Smalltalk. Ich war froh, dass ich mich gegen den Rock entschieden hatte, denn er trug lediglich Jeans und T-Shirt. Er fragte mich, ob ich wollte, dass er für mich kochte oder ob ich es auch lernen wollte. Natürlich wollte ich es auch lernen. Seine ganzen kulinarischen Geheimnisse.
Er schenkte uns Weißwein ein.
Wir redeten ein bisschen über unser Wochenende und die vergangene Woche, während er den Speck schnitt und ich die Eier trennte. Er erzählte, dass er am Donnerstag im Club war uns es am Freitag nicht in die Vorlesung geschafft hätte.
Ich sollte das Eigelb mit der Gabel verquirlen, während er immer noch mit dem Speck beschäftigt war.
Plötzlich hörte er auf, beobachtete mich belustigt und meinte:“You‘re cute.“
Als ich fragte, was ich denn falsch machen würde, kam er zu mir, nahm mir die Gabel aus der Hand und verrührte das Eigelb in kreisenden Bewegungen. Ich hatte Zickzack-Bewegungen gemacht, die scheinbar nicht richtig waren. :D
Dann hobelte ich Parmesan in das verquirlte Eigelb, während er den Speck anbriet und die Spaghetti ins Wasser tat, nachdem er zuvor gefragt hatte, ob ich wie ein Junge oder wie ein Mädchen essen würde. Da ich nicht ganz so flott im Hobeln war, nahm er mir diese Aufgabe ab und erkannte, dass es nicht an mir, sondern an der Hobel lag. Er schöpfte Wasser aus dem Topf mit den Spaghetti ab, goss sie ab und vermischte in der Pfanne mit dem Speck. Dann gab er abwechselnd das Eigelb und das Wasser hinzu, fügte Salz und Pfeffer hinzu und schon waren die Spaghetti Carbonara fertig. Ich dachte immer, das wäre viel komplizierter und geheimnisvoller.
Wir aßen und es schmeckte wirklich gut, auch wenn er sagte, dass das nicht seine besten Spaghetti Carbonara wären.
Ich:“I‘m so bad at putting the spaghetti on my fork, just ignore me.“
Er:“Don‘t look at me either, I eat like an animal.“
Er hatte nicht gelogen.
Da ich nicht so geübt darin war, Spaghetti in Hochgeschwindigkeit auf meine Gabel zu drehen, war er viel eher fertig als ich.
Er:“I‘m gonna put on some music while you‘re finishing. My favourite song. It describes my character.“
Ich wartete gespannt. Die ersten drei Takte ertönten und ich erkannte es sofort.
Der Spast hatte einfach „Figure me out“ angemacht. Das Lied traf mich da, wo mich sonst nur wenige Sachen treffen. Das hatte er ganz berechnend und mit Absicht gemacht.
Ich:“How do you still remember that song?“
Er:“It‘s my favourite song of all time.“
Ich:“Don‘t lie to me.“
Er:“Okay, it‘s fine.“
Ich:“I‘m telling you all the things that are none of your business whenever I‘m drunk.“
Das hätte ich ihm wirklich nicht erzählen sollen. Dieses Lied ist sehr persönlich. Ich antwortete viel zu ehrlich auf seine Fragen.
Mittlerweile hatte auch ich meine Portion Spaghetti aufgegessen. Er nahm den Rest und wollte ihn auf einem Teller in den Kühlschrank stellen. Die Alufolie fiel ihm aus der Hand und rollte sich ca. einen Meter auf. Anstatt sie wieder aufzurollen, wie jeder normale Mensch, riss er das Stück ab, gab es mir und sagte, ich solle mir ein Spiel damit überlegen. Ich rollte die Alufolie zu einer langen Wurst, während er den Teller im Kühlschrank verstaute.
Er:“So what‘s your game?“
Ich:“I hit you until you die.“ und ‚schlug‘ ihn ein paar Mal meine Alufolienpeitsche gegen den Oberarm.
Er:“Wait.“ Er nahm sie mir aus der Hand, bog sie und kam auf mich zu. Er stand vor mir und legte mir meine einstige Peitsche wie eine Kette um den Hals.
Er:“It‘s like a wedding ring.“
Ich verdrehte die Augen. Dann legte ich meinen wunderschönen Ehering ab und formte ihn zu einer Peitsche zurück. Er fand, dass das kein richtiges Spiel war und holte sich ein eigenes Stück Alufolie, aus der er einen Ball formte. Obwohl er jetzt sein eigenes Spielzeug hatte, wollte er trotzdem meine Peitsche und zog daran. Ich sah es überhaupt nicht ein nachzugeben, weshalb ich sie festhielt. Sie riss. Er hatte sie kaputt gemacht. Aus Rache machte ich seinen Ball kaputt. :D
Wir tranken immer mehr Wein und plötzlich redeten wir über Kinder.
Er:“So, how are we gonna name our children?“
Ich:“I already have some names.“
Er:“Yeah, me too.“
Ich:“Go ahead.“
Er:“So if it‘s a girl, I wanna name her Beatrice.“
Ich verzog mein Gesicht.
Ich:“No. It sounds good in italian, but I don‘t like the way Germans pronounce it.“
Er:“What about you?“
Ich sagte ihm den Jungennamen, den ich aus einem Shakespearestück hatte und wegen dem mich alle stets aufzogen. Ich fand ihn schön und melodisch.
Er:“That sounds like the name of a bad guy in Harry Potter.“
Ich:“It‘s not. What about your name for a boy?“
Er:“If I had a boy, I‘d name him Leonardo.“
Ich:“I can live with that.“
Er:“So we‘re moving to Italy?“
Ich:“No way! I‘m gonna stay here! Maybe we can switch it up.“
Er:“Okay, let‘s say we spend ten months in Italy and two here.“
Ich:“No, I‘m sorry.“
Er:“I‘ll build you a castle.“
Ich:“No, I wanna build it on my own.“
Er:“Brick by brick?“
Ich:“Yes.“
Er:“I can imagine you taking one brick and then telling me to do it.“
Wir tranken weiter Wein, redeten über Fußball und andere Dinge. Dann kam er wieder auf die Idee ein Spiel zu spielen. Wahrheit oder Pflicht. Ich willigte ein, obwohl ich nicht gut darin war, mir kreative Fragen auszudenken, was ich ihm auch sagte.
Wir fingen an zu spielen, natürlich nahm ich nur Wahrheit. Es wurde natürlich ein wenig sexuell.
Irgendwann nahm er Pflicht und ich befahl ihm zu tanzen. Er zierte sich ein wenig, aber ich gab nicht nach. Dann meinte er, er bräuchte dazu ein Mädel, um die typische Club-Situation zu simulieren. Gnädigerweise stellte ich mich zur Verfügung. Wir tanzten ein wenig, was ein bisschen komisch war ohne Musik, aber ziemlich lustig.
Danach beschloss er, dass wir ein neues Spiel spielen sollten. Zwei Wahrheiten, eine Lüge. Auch etwas wofür man viel Kreativität aufbringen muss, was mir angetrunken nicht so gut gelingt. Ihm dagegen umso mehr. Ich erfuhr ziemlich krasse und verrückte Geschichten über ihn und stellte fest, dass mein erster Eindruck von ihm gar nicht so falsch war. Er ist in der Tat sehr gefühlskalt.
Ich war ziemlich schlecht in dem Spiel. Er war dafür umso besser, was ich komisch fand. Normalerweise fällt es Leuten eher schwer mich einzuschätzen, aber er lag jedes Mal richtig. Vielleicht hatte er irgendwelche psychologischen Tricks auf Lager an was man eine Lüge erkennt und war noch nicht angetrunken genug, um sie nicht zu benutzen. Noch dazu waren die Dinge, die ich sagte, nicht überaus kreativ.
Was mir Bedenken gab, war die Tatsache, wie gut er lügen konnte. Das ist normalerweise meine Stärke, aber wiedereinmal antwortete ich viel zu ehrlich.
Nach ein paar Runden fingen wir an über Filme und Kunst zu reden. Er fragte nach meinem Lieblingsfilm und schlug vor, dass wir einen seiner Lieblingsfilme anschauen sollten. Nightmare. Ein Horrorfilm. Ich sagte ihm, wie ich zu Horrorfilmen stand – nämlich gar nicht. Er zeigte mir den Trailer.
Ich:“No, I can‘t watch that movie. I‘m gonna have nightmares.“
Er:“I will protect you tonight.“
Ich:“It‘s not about tonight, it‘s about every night that follows.“
Er:“I can be there too.“
Ich:“Of course you will.“
Ich ließ mich zu einem anderen Horrorfilm überreden. Scream. Wir gingen in sein Zimmer und machten es uns auf seinem Bett gemütlich. Er legte den Arm um mich und startete den Film auf dem Laptop, der sich auf seinem Schoß befand. Ich glaube, wir sahen ungefähr zehn Minuten von dem Film. Ich fand ihn nicht so schlimm, weil die Spannung nicht so extrem war, aber das viele Blut (auch wenn es nicht besonders gut gemacht war) war nicht so meins. Dann beschloss er, dass wir uns bettfertig machen sollten. Er ging ins Bad, gab mir eine neue Zahnbürste und ließ mich allein, nachdem er sich die Zähne geputzt hatte. Nachdem ich ebenfalls fertig war, ging ich in sein Zimmer. Er hatte mir ein T-Shirt zum Schlafen hingelegt. Ich zog mich um, schlüpfte in sein T-Shirt und legte mich neben ihn.
Er fing an über seine Professoren zu reden und bezeichnete sie als dumm und rassistisch, weil sie ihm nicht helfen würden.
Ich:“Maybe you should learn a little bit of german just to break the ice.“
Dann übersetzte ich ihm ein paar Sätze, die er brav wiederholte. Ich konnte nicht widerstehen. Ich bat ihn „Tschechisches Streichholzschächtelchen“ zu sagen. „Tschechisches“ kriegte er ganz gut hin, beim zweiten Wort stockte er.
Er:“That‘s impossible. You Germans put like five words into one.“
Ich:“Yeah, we wanna be exclusive.“
Er:“I hate you Germans.“ Dann beugte er sich über mich und küsste mich. Wir machten rum, es ging auch ein bisschen weiter als das, aber mehr ist nicht passiert. Er ist ziemlich ausdauernd.
Die Müdigkeit traf uns wie ein Schlag, mittlerweile war es ein Uhr.
Er ging nochmal ins Bad, ich lag alleine in der Dunkelheit und dachte:“Das ist es nicht.“
Gott gab mir genau das, was ich haben wollte. Einen sehr attraktiven Kerl, der optisch total, aber charakterlich überhaupt nicht mein Typ war.
Als er wieder kam lagen wir nebeneinander im Bett und diskutierten darüber, wer das Licht ausmachen würde. Ich bot an, dass wir unsere Kräfte entscheiden lassen sollten. Also machten wir Armdrücken. Er gewann natürlich, obwohl ich beide Hände benutzte. Als ich meine Niederlage auf einen schlechten Tag schob, hob er mich über sich und auf die andere Seite, wo die Nachttischlampe stand. Ich gab mich geschlagen, machte sie aus und kletterte wieder über ihn auf die andere Seite des Bettes.
Wir redeten noch ziemlich viel. Irgendwie kamen wir auf das Thema Glaube zu sprechen.
Er:“Do you believe in God?“
Ich:“Yes. I‘m religious.“
Er:“Really? Like praying and going to church?“
Ich:“I went to church yesterday.“
Ich dachte zurück an die Predigt der Kirche und wie ich danach zu meiner Musik durch eine der schönsten Straßen dieser Stadt schlenderte. Das hatte mir gut getan.
Er:“I don‘t know anybody of our generation who goes to the church when they don‘t have to.“
Ich:“Me neither.“
Er:“How often do you pray?“
Ich:“Every day.“
Er:“At what time? Before going to sleep?“
Ich:“Yes.“
Er:“What are you praying for?“
Ich:“That‘s very personal.“ Ich dachte darüber nach, was davon ich ihm erzählen wollte. Es waren nur Bruchstücke. Ich antwortete:“First of all I thank God. Then I‘m praying for everyone who means something to me. And for the world.“
Er nahm meine Hand und sagte:“Let‘s pray together.“
Ich entzog sie ihm wieder und antwortete:“No. Do you even believe in God?“
Er:“I don‘t know. I used to until I was twelve. I was always praying for the poor. Now I only believe in things I can prove. But I don‘t know. Do you also believe in hell and heaven?“
Ich:“Yeah, but it‘s kind of difficult. I was just thinking about it the other day: What makes someone a bad person? Is ist just one really bad decision? Or many small decisions? I‘m not sure about that.“
Wir unterhielten uns noch über die Bibel, verglichen das Alte Testament mit dem Neuen und analysierten verschiedene Stellen. Dann beschlossen wir schlafen zu gehen.
Um das ein wenig zu erklären: Sein Bett beinhaltet zwei Matratzen, die oft auseinander rutschen, sodass in der Mitte eine Mulde ist. Damit keiner von uns in dieser Mulde schlafen musste, lagen wir beide auf der linken Bettseite.
Ich schlief ganz gut. Ab und an wachte ich auf, weil er wieder im Schlaf redete. Das meiste davon war italienisch, so dass ich nichts verstand. Ich war einmal im Halbschlaf und ich dachte, er wäre wach, denn er fragte:“Is there some room left on your side? I don‘t wanna sleep in the hole.“
Ich bejahte es verschlafen und rutschte ein Stück. Als ich merkte, dass er nicht nachrückte, fragte ich, ob es so besser wäre. Er antwortete nicht und mir war klar, dass er nur wieder im Schlaf geredet hatte. Also schlief auch ich weiter.
Das Klingeln des Weckers riss mich aus einer Tiefschlafphase. Ich blieb noch ein bisschen liegen, während er schon ins Bad ging. Dann zog ich mich ebenfalls an. Er fragte, ob ich einen Tee wollte, ich nahm das Angebot an. Er ging in die Küche, während ich einen Abstecher ins Bad machte. Meine Haare waren ein kleines Chaos, aber ansonsten hätte es schlimmer sein können.
In der Küche tranken wir unseren Tee, der noch sehr heiß war.
Er:“Did you sleep well?“
Ich:“Yes. What about you?“
Er:“I slept very well.“
Ich:“You were talking again.“
Er:“What did I say?“
Ich:“Most of it was in italian, I didn‘t understand. But you said something about sleeping in the hole.“
Er lachte und antwortete:“I don‘t remember any of it. I should record myself one day.“
Wir redeten noch ein bisschen über seine Gerede im Schlaf. Dann überraschte er mich, als er mich fragte:“Were you praying for me last night?“
Ich:“No.“
Er:“I thought you‘d pray for everyone.“
Ich:“Okay, in this case you‘re right. Did you pray?“
Er:“Yeah, I prayed:‘Please God, let me speak in Italian when I‘m sleeping so she doesn‘t understand‘.“
Ich:“I bet you were saying mean things about me.“
Er:“We both will never know.“
Dann wurde die Zeit knapp, weil er gehen musste, um mit seinen Professoren zu reden. Wir gingen noch mal ein paar deutsche Sätze durch, dann zogen wir uns an und machten uns auf den Weg zur U-Bahn. Es war komisch, den Weg, den ich sonst immer Musik hörend und selbst-reflektierend alleine ging, mit ihm zu gehen. Es regnete, was meine Haare noch wundervoller aussehen ließ. Wir unterhielten uns aber ziemlich gut, ebenso wie beim Teetrinken hatten wir viel zu lachen. Als meine U-Bahn einfuhr, redeten wir gerade über ein Restaurant, in dem er mit seinen Eltern war. Er meinte, er würde mir weiter davon erzählen, wenn wir uns das nächste Mal sehen würden. Zwei Küsschen auf die Wange, dann stieg ich in meine U-Bahn. Ich drehte mich nicht mehr um und sah auch nicht aus dem Fenster. Ich machte „Bad as the boys“ an und reflektierte die letzten Stunden. Aus mentaler Sicht war ich an einem besseren Ort. Er ist wirklich heiß, wir unterhalten uns gut und lachen auch viel, aber im Endeffekt ist er nichts für mich. Vor ein paar Jahren hätte ich mich vielleicht in ihn verliebt, weil er das komplette Gegenteil von mir war. Mittlerweile will ich niemanden, der absolut anders ist als ich. Ich weiß, was ich will und ich will ihn nicht auf diese Art und Weise.
Ich fuhr nach Hause, zog mich um, frühstückte Nudelsalat und frischte mich ein wenig auf. Dann ging ich zur Arbeit. Nachmittags trank ich noch mit Max einen Kaffee. Ich erzählte ihm von der Situation gestern und auch er verstand es nicht wirklich. Außerdem ist er der Überzeugung, dass Pietro ein Arschloch ist. Damit mag er ziemlich richtig liegen.
Max begleitete mich noch bis zu dem Raum, in dem ich meine nächste Vorlesung hatte. Nach der Vorlesung arbeitete ich noch eine Stunde. Dann traf ich mich mit Joschua. Er hatte mir während meines Praktikums ein paar Mal geschrieben und gefragt, ob ich mit ihm Mittagessen gehen wollte, aber ich hatte nie Zeit. Als er mich letzte Woche wieder anschrieb, sagte ich zu. Dumm war nur, dass er nur abends konnte. Auch Max meinte davor schon, dass Abendessen gehen ein wenig datingmäßig wäre.
Ich ließ es einfach auf mich zukommen. Ich hörte „Daylight“ als ich durch die nächtliche Straße zu dem Brunnen ging, an dem wir uns trafen. Er war schon dort. Er umarmte mich zur Begrüßung, dann schlug er vor, ob wir italienisch essen gehen wollten. Was wäre denn datingmäßiger?
Beim Italiener angekommen erfuhr ich, dass er sogar reserviert hatte. Nicht schlecht.
Der Kellner führte uns zu einem Tisch im hinteren Bereich des Restaurants. Wir bestellten eine Flasche Wasser, eine Pizza für ihn und Spaghetti für mich.
Wir unterhielten uns wirklich gut. Auch wenn viele düstere Themen wie Selbstmord, Tod und seine bizarren Familiengeschichten dabei aufkamen. Joschua ist sehr intelligent. Er mag auf den ersten Blick unschuldig (aber gut trainiert) und ein wenig streberhaft wirken, aber er ist das komplette Gegenteil. Er hat Eier. Ich weiß nicht, wie ich das anders beschreiben soll, aber er ist ziemlich männlich und selbstbewusst. Vielleicht auch ein bisschen machohaft, derbe Witze inklusive. Was man auf den ersten Blick überhaupt nicht von ihm erwarten würde.
Wir redeten ziemlich viel und ich war froh, dass uns keine Sprachbarriere trennte. So war es viel einfacher.
Wir analysierten das Phänomen, warum Männer nicht mehr so männlich waren. Er hatte ziemlich interessante Ansichten. Er meinte, dass hänge mit Handys zusammen, dass sie nicht auf eigenen Beinen stehen müssen und selten aus ihrer Komfortzone herauskommen. So hatte ich das noch gar nicht gesehen, aber es klang überaus logisch.
Ich erfuhr, dass Joschua schon sehr früh auf eigenen Beinen stehen musste. Er war 26 und hat schon sehr viel erlebt. Er fordert sich selbst stets heraus. Das formt und stärkt einen Charakter.
Als wir aufgegessen hatten, fragte der Kellner, ob wir noch einen Nachtisch wollten. Joschua bestellte Windbeutel mit Mascarponefüllung und Schokoüberzug.
Der Kellner sah mich fragend an.
Ich:"Oh, für mich nichts, danke, ich bin voll."
Kellner:"Ah, ich bringe noch eine zweite Löffel."
Den Nachtisch teilen. Datingmäßiger geht's wohl nicht mehr.
Die Windbeutel kamen und Joschua sagte, ich solle sie wenigstens probieren. Sie schmeckten wirklich gut, aber ich schaffte gerade einmal einen halben. Joschua aß die restlichen dreieinhalb.
Mittlerweile waren wir drei Stunden in dem Restaurant und ich spürte, wie ich langsam aber sicher müde wurde. Joschua fragte nach der Rechnung. Ich holte meinen Geldbeutel heraus, in der vollsten Überzeugung, dass ich meinen Teil zahlen würde, weil Max mit zuvor damit aufgezogen hatte. Ich bin jemand, der selten Bargeld dabei hat und fast alles mit Karte zahlt. Ich fand meine fucking Karte nicht. Ich konnte es nicht glauben. Das war mir noch nie passiert. Ich versuchte nachzudenken, wann ich sie das letzte Mal benutzt hatte: Am Supermarkt an der Kasse. Ich war so bepackt gewesen, dass ich die Karte kurzerhand einfach in meine Jackentasche anstatt in meinen Geldbeutel steckte. Genau in die Jacke, die ich heute natürlich nicht anhatte. Ich konnte es nicht fassen. Mein Bargeld betrug sich auf stabile sieben Euro. Hitze stieg mir in die Wangen. Das Ganze war mir so unangenehm, auch wenn Joschua mir versicherte, dass ich mir keinen Stress machen sollte und ihm das auch schon öfter passiert wäre.
Genau das wollte ich vermeiden. Ich wollte nicht, dass er zahlte. Und erst recht nicht wollte ich, dass er denken könnte, das wäre ein Trick, um mich von ihm einladen zu lassen. Joschua ging zum Kellner und bezahlte, während ich immer noch versuchte, diese Peinlichkeit zu verarbeiten. Wie konnte ich nur meine Karte einfach in meine Jackentasche stecken?
Ich entschuldigte mich mehrmals bei ihm und versprach, ihm das Geld so schnell wie möglich zurückzuzahlen. Er nahm es total gelassen, versuchte mich zu beruhigen und erzählte mir von Situationen, in denen er seine Karte vergessen hatte.
Er schlug vor, noch etwas trinken zu gehen.
Eigentlich war ich ziemlich müde und hatte nicht so Lust darauf, aber er hatte gerade mein Essen bezahlt, deshalb wollte ich mich nicht direkt danach verabschieden.
Er trinkt keinen Alkohol und kannte sich dementsprechend nicht aus, was Bars anging.
Ich führte ihn zu der einen Bar, in der ich einmal mit Pietro war. Den Weg, den ich heute morgen mit Pietro gegangen war, ging ich nun abends mit Joschua.
Die Bar war schon ziemlich voll, weshalb wir in die gingen, in der ich meinen Geburtstag gefeiert hatte. Wir bestellten eine Flasche Wasser, die ich zahlte und unterhielten uns noch. Es war ganz nett, aber irgendwann war ich mental sehr ausgelaugt. Seine Witze waren auch nicht mehr ganz so lustig und sie wurden immer derber. Ich hab grundsätzlich nichts gegen solche Witze, mein Humor geht ziemlich weit. Aber es war ein langer und anstrengender Tag, ich hatte nicht ausreichend geschlafen und wollte am nächsten Tag früh raus. Wir gingen zur U-Bahn, mittlerweile war es nach zwölf.
Wir verabschiedeten uns mit einer Umarmung und ich war so froh, als ich in der U-Bahn war und die Menschen mit Hilfe von Musik ausblenden konnte. Noch froher war ich, als ich zu Hause war, Tee trank und mein Makeup, das ich nun 28 Stunden trug, abmachen konnte.
Es war halb zwei, als ich schließlich einschlief.
Heute Abend kommt Macy vorbei. Wir kochen, dann gehen wir noch auf eine Studentenparty. Das wird bestimmt lustig.

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Freitag, 8. November 2019
This time I'll throw it back, boy, can you handle that?
Ich wollte gestern ursprünglich mit Macy und Fabi auf eine Verbindungsparty gehen, aber unsere Pläne haben sich ein wenig geändert.
Macy sagte im Vornherein schon ab, weil sie so viel zu tun hatte, also blieben erst mal nur noch Fabi und ich. Ich lud ihn zu mir zum Vorglühen ein. Mit ein wenig Verspätung und einem Rucksack voller Bier kam er schließlich bei mir an. Als wir zuvor geschrieben hatten war es schon ziemlich lustig und so ging es nun weiter. Wir spürten beide das erste Bier bereits und ich wusste, dass es eine gute Nacht werden würde.
Vielleicht hätte ich etwas bemerken müssen, aber ich dachte mir nichts dabei, als er versuchte – ganz erwachsen, so wie wir beide nun mal sind – die Deckel vom Bier in meinen Ausschnitt zu werfen. Ich warf zurück und im Gegensatz zu ihm traf ich wenigstens. :D Okay, nur ein Mal, aber ich war ziemlich stolz auf mich. :D
Wir haben uns richtig gut unterhalten und viel gelacht. Irgendwann schrieben wir mit Sevi, der mit ein paar Leuten bei Nico zum Vorglühen war und wollte, dass wir auch vorbeikamen. Also nahmen Fabi und ich unser zweites Bier in die Hand und zogen los. Wir schlenderten erst noch ein wenig durch meine Nachbarschaft, weil dort eine Veranstaltung war. Als wir aber niemanden sahen, den wir jagen wollten, gingen wir in Richtung U-Bahn.
Plötzlich deutete Fabi auf einen Kerl, der uns entgegen kam und fragte:“Waschbär oder Igel?“
Ich dachte, er hätte vollkommen den Verstand verloren. Der Typ hat ihn einfach ignoriert und da sah ich, wie sich an der Ecke des Hauses, wo der Typ gerade noch ging, etwas bewegte. Ein Igel.
Wie süß! Fabi und ich fielen in den Geheimagentenmodus und schlichen dem Igel nach. Und das sogar ziemlich lange. :D Als wir am Ende der Gasse angekommen waren, beschlossen wir den Igel in Frieden zu lassen und zur U-Bahn zu gehen. Gesagt getan. In der U-Bahn hörten wir mit seinen Kopfhörern Musik und tanzten ein bisschen. Die Leute werden sich auch was weiß ich gedacht haben, aber ich hatte sehr viel Spaß. :D
Wir hörten seine spanische Musik, dann meine spanische Musik und plötzlich machte er „Durch den Monsun“ von Tokio Hotel an. :D Es war wirklich lustig.
An der Uni stiegen wir aus. Fabi erklärte, dass wir ein Stück bis zu Nicos Wohnung gehen mussten. Wir schlenderten durch die Straßen. Irgendwann hatte ich für den Bruchteil einer Sekunde den Gedanken, dass wir uns in der Nähe von Pietros Wohnung und den ganzen Bars befanden.
Fabi und ich kamen irgendwie auf Avril Lavigne zu sprechen und er beschloss „Skater Boy“ anzumachen, damit wir dazu singen konnten. Er suchte auf seinem Handy nach dem Lied, im selben Moment gingen zwei Typen an uns vorbei. Mein Gehirn verstand es erst, als sie schon vorbei waren.
Ich hörte nur:“Hey.“
Fabi, der dachte, sie wollten uns anpöbeln, entgegnete ein wenig aggressiv:“HEY!“
Ich stoppte den schwungvollen Schritt, den ich drauf hatte, abrupt und drehte mich ebenso schwungvoll um.
Pietro und Houssan.
Auch die beiden hatten sich umgedreht. Pietro ging ein paar Schritte auf mich zu, ich auch auf ihn.
Zwei Küsschen auf die Wange, wie immer. Dieses schöne Gesicht.
Kurzer Einschub: Pietro hatte am Wochenende gefragt, ob ich in dieser Woche Spaghetti Carbonara mit ihm kochen wollte.
Ich testete ihn und sagte, ich hätte nur am Freitag Zeit.
Er hatte keine Zeit und fragte, ob ich nicht am Donnerstag könnte. Ich verneinte und wir verschoben es auf nächste Woche.
Nun war Donnerstag und er sah mich in Begleitung eines anderen Kerls. Noch dazu sieht Fabi ganz gut aus. Nicht mein Typ, aber der Typ vieler anderer Frauen.
Fabi stellte sich Pietro und Houssan vor, dann redeten wir darüber, was die jeweils anderen vorhatten. Bitte beachtetet, dass ich angetrunken war und deshalb mein teuflisches Ich zum Vorschein kam.
Pietro:“What are you doing?“
Ich:“We‘re going to a friend and afterwards to some dorm party.“
Pietro:“What dorm party?“
Fabi sagte ihm die Adresse.
Ich:“What are you guys doing?“
Houssan:“We‘re going to some bar and then to the club.“
Pietro:“You should come.“
Ich:“Oh, I can‘t go to the club tonight. I have class tomorrow at nine.“
Pietro:“Yeah, me too, at eight.“
Ich:“You guys are crazy!“
Wir redeten noch ein bisschen weiter, irgendwie kamen wir auf das Thema Bitches zu sprechen.
Pietro und ich diskutierten immer wer von uns wessen Bitch war. Ganz klar ist er meine Bitch.
Mit einem leichten Grinsen auf den Lippen, wohl wissend, dass er eine Diskussion starten würde, sagte er zu Houssan:“Yeah, she‘s my bitch and you‘re my bitch, so you come with us.“
Ich:“You‘re my bitch! The three of you are my bitches.“
Fabi setzte einen beleidigten Gesichtsausdruck auf.
Ich:“Okay, he‘s my wife and you‘re my bitches.“
Ich legte Fabi meine Hand auf die Schulter.
Pietro fragte leicht belustigt:“He‘s your wife?“
Zu Houssan sagte er:“I‘d rather be the bitch than the wife. Wifes don‘t get fucked.“ Houssan stimmte ihm zu.
Ich:“Yeah, he buys beer for me...“
Und ich spielte die Karte, von der ich wusste, dass sie seinem Ego vielleicht nicht gut tun würde. Das ist für den Jungen, der immer sagt „I don‘t care“.
Ich:“:...he‘s my soulmate!“
Bei unserem letzten Treffen hatte ich Pietro aus Spaß des Öfteren gesagt, dass wir Seelenverwandte wären.
Mit dem Hauch eines Lächelns fragte Pietro:“I thought we were soulmates.“
Ich:“Can we all be friends?“ Ich streckte die Arme nach einer Gruppenumarmung aus.
Es kam zu einer Gruppenumarmung, aber ohne mich. Die Jungs verbündeten sich gegen mich und schlossen mich aus der Gruppenumarmung aus. Aus Spaß legten sie die Arme umeinander, drehten sich um, gingen ein paar Schritte von mir weg und sagten:“Bye!“.
Ich drehte mich ebenfalls um und ging ein paar Schritte von ihnen weg. Fabi war wieder neben mir, ich drehte mich nochmal um und rief Pietro und Houssan, die sich ebenfalls noch einmal umgedreht hatten, „Bye, have fun!“ zu. Da ich währenddessen ging, lief ich direkt gegen ein abgesperrtes Fahrrad, woraufhin Fabi lauthals zu lachen anfing.
Dann gingen wir in entgegengesetzte Richtungen davon.
Was für ein kranker Zufall. Aber irgendwo hatte ich im Gefühl, dass ich heute auf ihn treffen würde.
Fabi, dem ich zuvor von „dem Italiener“ erzählt hatte, fragte:“DAS ist der Italiener? Alter, der ist eine Zehn! Gut, dass wir noch nicht gesungen haben!“
Ich:“Er ist eine Neun.“
Fabi:“Und der hat‘s nicht hinbekommen?“
Ich:“Psst, das muss unter uns bleiben.“
Erst war ich ein bisschen angepisst, dass ich auf ihn getroffen bin, weil er mir jetzt den ganzen Abend im Kopf herumspuken würde.
Aber dann machte Fabi wie versprochen „Skater Boy“ an und wir zogen singend und tanzend durch die Straßen. Fabi sang mit seiner tiefen Stimme voller Selbstvertrauen, aber sehr falsch. :D Ich hatte viel zu lachen. Wir sangen noch „This love“ und „Monsta“, dann waren wir auch endlich bei Nicos Wohnung angekommen.
Sevi machte uns auf, außer ihm waren noch Maxi und seine Fast-Freundin Sandra da, Nicos Schwester und ein gewisser Felix. Wir tranken Bier, redeten viel, spielten irgendwelche Trinkspiele. Fabi und ich spielten wie versprochen DJ und machten unsere spanische Musik an. Nico erzählte mir von seinem Safariurlaub im Sommer, Maxi und ich redeten über die Uni und Sandra, die die Süßheit in Person ist, überredete mich dazu, Tequilashots zu trinken. Alter. Tequila und ich sind alles andere als Freunde. Der bloße Geruch bringt die Erinnerungen an meine erste Studentenparty zurück, auf der ich nach zu vielen Shots mit Anna auf dem Klo landete.
Ich tat es trotzdem.
Und ich war wirklich gut dabei.
Irgendwann beschlossen wir, nicht mehr auf die Verbindungsparty zu gehen, weil wir so eine nette Runde waren. Trotzdem wollte ich die letzte U-Bahn nehmen, weil ich fest entschlossen war, in die Vorlesung zu gehen.
Fabi fragte, ob er bei mir schlafen könne. Ich sagte zu, ich war es ihm schuldig, da er Macy und mich nach meiner Geburtstagsfeier bei ihm schlafen ließ und sich sehr nett um uns kümmerte.
Ohne zu hinterfragen warum. Wir mussten die selbe U-Bahn nehmen, er musste lediglich ein paar Minuten länger fahren.
Ich war zu angetrunken, um irgendetwas zu ahnen. Ich weiß, dass das sehr naiv von mir war.
Im Schnellschritt gingen wir dann zur U-Bahn und fuhren zu mir nach Hause.
In der Wohnung zog ich die Couch aus, gab ihm Bettwäsche und eine Zahnbürste und erklärte ihm, er solle sich wie zu Hause fühlen.
Ich merkte, wie er ein wenig touchy wurde.
Er legte den Arm um mich und sagte:“Ich weiß, dass du schon eine Freundschaft Plus hast, aber ich würde dir auch gerne eine anbieten.“
Ich war zu angetrunken für einen geschockten What-the-fuck-Moment, deshalb sagte ich nur:“Bro, du musst schlafen.“
Bro? :D Mein Ernst? :D
Fabi gab sich geschlagen, wir machten uns bettfertig und gingen schlafen. Er auf der Couch, ich in meinem Bett.
Was zur Hölle? Wo kam das denn her? Wollte er deshalb bei mir übernachten?
Also hatte ich das im Oktober nicht falsch in Erinnerung, als ich dachte, dass er mir das angeboten hatte.
Zu seiner Verteidigung muss ich sagen, dass er betrunken war. Er hatte mehr Bier und sehr viel mehr Tequila als ich getrunken und seit Mittag nichts mehr gegessen.
Mein Wecker klingelte fünf Stunden später. Ich hatte so was von Restalkohol.
Ich machte mich fertig und trank noch einen Tee mit Fabi. Wir hatten wieder sehr viel zu lachen, was vermutlich auch am Restalkohol lag. Sein Angebot von letzter Nacht war vergessen.
Dann ging er, ich zog mich um und ging zur Uni.
Aus der Vorlesung nahm ich nicht wirklich viel mit, aber immerhin ein kleines bisschen was.
Mittags ging ich mit Max in die Mensa. Als wir danach noch einen Kaffee trinken waren, kam ein Freund von ihm vorbei und redete kurz mit uns. Arthur. Er war echt ganz süß. Ich bemerkte seine Blicke, war mir aber nicht sicher.
Max und ich gingen noch eine Runde spazieren, dann verabschiedeten wir uns. Vorher rief er mich an um mir zu sagen, dass Arthur ihn gefragt hätte, ob ich seine Freundin wäre und dass er total bemerkt hätte, dass Arthur mich gut fände. Er würde mich auf dem Laufenden halten.
Heute treff ich mich nach Ewigkeiten mal wieder mit Franzi. Ich freu mich schon sehr!
Was meinen Gemütszustand angeht, fühle ich mich heute sehr gut. Natürlich dachte ich zu oft über Pietro nach, deshalb bin ich auch froh, dass wir uns diese Woche nicht getroffen haben. Der Abstand tut mir gut. Ich fühle mich, als hätte ich seit letzter Nacht wieder die Oberhand. Ich liebe dieses Spiel. Ich weiß, es ist nicht risikolos, aber mein teuflisches Ich reibt sich die Hände in dem Wissen, dass ich gerade die Oberhand habe.
Ich habe mich bei unserem letzten Treffen vielleicht ein wenig zurückgehalten und das sollte sich ändern. Er sollte meine wilde und verrückte Seite kennen. Denn nur in diesem Zustand fühle ich mich frei.

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Dienstag, 5. November 2019
My Baby's fly like a jet stream, high above the whole scene
Das hatte ich nicht erwartet.
Ich versuche momentan mein Temperament zu zügeln, überlegt zu handeln und alles rational zu hinterfragen.
Emotionen bleiben dabei weitgehend außen vor.
Ich war am Wochenende in einem Musical. Eigentlich wollte ich es nie sehen, weil ich befürchtete, dass es meine Bild von ihm verändern könnte. Meine Vorstellung von ihm beruht auf einem Wissen, dass ich mir mit Hilfe von Sachbüchern angeeignet habe.
Ich bin praktisch mit seinen Geschichten groß geworden. An ein Leben ohne ihn kann ich mich nicht erinnern. Es wurde mir in die Wiege gelegt.
Der Grund, warum ich mich zu ihm so hingezogen fühlte, lag wohl in der Widersprüchlichkeit seines Charakters. Ebenso wie meines. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der in sich so gegensätzlich ist wie ich. Es ist tröstlich zu wissen, dass jemand - auch wenn es vor langer Zeit war - ganz ähnlich gefühlt hat. Nur schien er diese Zerrissenheit nie wirklich überwunden zu haben.
Gefangen in einer Welt, die an strengen moralischen Traditionen festhielt, während er sich von ihr verstoßen fühlte. Nur weil er fühlte, was er fühlte.
Eine bodenständige Gesellschaft, für die seine Zukunftsvisionen wie Spinnereien schienen. Er war seiner Zeit voraus.
Die Kunst, der er sich widmete, sein einziger Trost, während andere von ihm verlangten, in den Krieg zu ziehen.
Die Kunst, die einzige Möglichkeit, die er immer und immer wieder nutzte, um der Realität zu entfliehen.
Die Einsamkeit, die er irgendwann so sehr zu lieben begann, dass er die Anwesenheit von Menschen verabscheute.
Bis zu diesem Wochenende war mir gar nicht bewusst, wie einsam er wirklich gewesen sein musste. Weil die wenigsten ihn verstanden. Hätte ich ihn verstanden?
Ich hatte gute Dinge über das Stück gehört. Meine Erwartungen waren nicht allzu hoch, da ich wusste, dass ich sehr kritisch sein konnte.
Ich weiß nicht, wann meine Erwartungen das letzte Mal so übertroffen wurden.
Ein unglaublich tolles und modernes Bühnenbild, wundervolle Musik, grandiose Schauspieler und eine Geschichte, die Raum für eigene Interpretation lies.
Ich denke, es lag an der Musik und den Schauspielern, die Gefühle extrem gut transportieren konnten. Denn: Ich weinte. Ich weinte und weinte und weinte.
Nicht, weil es so traurig war. Ich weinte, weil es bedrückend war, romantisch, würdevoll, einsam, trotzig, brüderlich und verräterisch.
Mir wurden zwei Dinge bewusst:
1. Man sollte niemals gegen sein Gewissen handeln. Man könnte eine Kettenreaktion unbekannten Ausmaßes auslösen.
2. Ich weinte, weil ich mich durch die Geschichte an Emotionen erinnerte, die ich selbst einmal gefühlt hab oder die ich fühlen würde, wäre ich in der selben Situation.
Ich konnte mich sehr gut in den Protagonisten hineinversetzen, aber auch in Nebenrollen. Ich fühlte, was sie fühlten.
Ich hatte die Befürchtung, dass diese schon etwas romantisierte Version meine eigene beeinflussen könnte und ich mich womöglich sogar in den Protagonisten auf der Bühne verlieben könnte. Erstaunlicherweise war dem nicht so. Ich konnte die Version des Regisseurs sehr gut von meiner eigenen trennen.
Nach dem der Vorhang fiel, die Menschen von ihren Sitzen sprangen und ein tosender Applaus auf die Darsteller herabregnete, war ich nervlich ziemlich durch. Ich wurde sehr nachdenklich. War es gut, Emotionen so weit es ging außen vor zu lassen?
Leben wir nicht für die Emotionen?
Aber würde ich sie in einem solchen Extrema zulassen, müsste ich sowohl die positiven als auch die negativen Emotionen zulassen. Das würde einen einzigen sturm-und-drängerischen Höhen- und Tiefflug bedeuten. Das wäre sehr nervenaufreibend und ich würde mich selbst nicht so gut verstehen, wenn ich die Emotionen nicht hinterfragen würde.
Wollte ich jemanden, der derartige Emotionen in mir auslöste?
Die positiven vielleicht. Die negativen auf gar keinen Fall. Das entzöge mir jegliche Kontrolle.
Ich bin seit einiger Zeit davon überzeugt, dass Rationalität das Einzige ist, was mich weiterbringt und schützt.
An diesem Wochenende geriet diese Überzeugung ein wenig ins Wanken.

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