Dienstag, 20. September 2016
All you have to do is stay
Was meine Freunde angeht ist mein Leben momentan ein totales Chaos. Vielleicht liegt es daran, dass jeder seinen eigenen Weg jetzt geht, aber mache Veränderungen sind schon sehr krass.
Ina und Vroni sind seit einer Woche in Nepal. Sie bleiben da für ein halbes Jahr und arbeiten in einer Schule und in einem Kinderheim. Und obwohl es noch nicht lange her ist, als ich sie zum letzten Mal gesehen habe, ist es sehr merkwürdig. Ina und ich schreiben eigentlich ununterbrochen miteinander, aber seit sie in Nepal ist, bekomme ich höchstens eine Sprachnachricht pro Tag. Was ungewohnt für mich ist. Klar, ich verstehe, dass sie nicht pausenlos für mich Zeit hat, aber ich bin es seit 15 Jahren gewohnt, sie spätestens alle zwei Wochen zu sehen oder von ihr zu hören. Es fühlt sich komisch an, weil ich weiß, dass sie tausende Kilometer weit weg ist, wenn ich ein Problem habe und sie bräuchte. Ich hoffe, dass sich nicht allzu viel in diesem halben Jahr zwischen uns verändert.
Natürlich hab ich auch noch andere Freunde, aber die meisten sind momentan sehr beschäftigt. Was ich natürlich verstehe, keine Frage.
Lene hat Anfang des Monats ihre Ausbildung angefangen, ist deswegen ziemlich gestresst und verbringt glaub ich ansonsten viel Zeit mit ihren Freund oder den Mädels von ihrer Tanzgruppe.
Anna dreht zur Zeit voll am Rad. Sie hat mir letzten Freitag zum fünften Mal in Folge sehr kurzfristig und wieder mit einer sehr zweifelhaften "Begründung" abgesagt. Was unser Verhältnis und meine Einstellung zu ihr nicht gerade positiv fördert. Ich bin zwar immer sauer, wenn sie mir so kurzfristig absagt, weil ich den Tag auch anders hätte nutzen können, aber eigentlich finde ich es gar nicht so schlimm. Es gibt ziemlich viele Dinge auf die ich sie eigentlich mal ansprechen wollte, wie den bescheuerten "Text" in der Abizeitung, warum sie es nicht haben kann, wenn ich auch mit anderen Leuten was mache oder warum sie hinter meinem Rücken über mich redet (oft nicht mal die Wahrheit sagt) anstatt mir einfach ins Gesicht zu sagen was sie stört. Aber dafür ist sie wahrscheinlich zu feige. Und wenn ich sie auf die Dinge anspreche, die sie hinter meinem Rücken sagt, lächelt sie mich immer nur falsch an und behauptet, dass alles gut wäre. Übrigens bin ich nicht die einzige Person, bei der sie das macht. Ich verstehe sie nicht. Ich meine, ich würde ihr nicht den Kopf abreißen, wenn sie mir sagen würde, was sie stört. Im Gegenteil. Nur so könnte ich was ändern und es besser machen. Außerdem sollte sie aufhören immer auf den Fehlern meiner Vergangenheit rumzureiten. Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe, aber ich hab mich dafür entschuldigt und kann sie nicht mehr ändern. Was soll ich denn sonst noch tun?
Dass wir uns schon lange nicht mehr gesehen haben, macht es natürlich nicht einfacher. Sie ist auch sehr distanziert geworden und erzählt mir eigentlich gar nichts mehr. Wahrscheinlich mach ich momentan das Selbe, aber eigentlich ist es nur eine Reaktion auf ihr Verhalten und zudem bin ich nicht gut im einfach so von sich erzählen. Nicht dass ich nichts erzählen will, im Gegenteil. Wenn mich jemand fragt, erzähle ich ihm gerne alles, was er wissen möchte. Aber es fällt mir irgendwie einfacher wenn die Person dann regelrecht nachbohrt.
Ich weiß nicht, ob Anna in meinem Leben bleiben wird. Zurzeit sieht es nicht besonders danach aus. Eigentlich möchte ich schon, dass sie bleibt, andererseits brauche ich keine Freunde in meinem Leben, die hinter meinem Rücken über mich Dinge sagen, die entweder übertrieben sind oder nur ansatzweise der Wahrheit entsprechen.
Mit Chris hab ich momentan auch gar keinen Kontakt. Wir haben uns ziemlich auseinander gelebt, was schade ist, aber ich kann es nicht ändern. Ich finde, es sollte nicht nur einseitig sein, wenn man den Kontakt halten will.
Ansonsten hab ich noch mit Felix und Macy regelmäßig Kontakt.
Felix' Mama ist letzte Woche gestorben. Ich kannte sie nicht, aber ich hab so geheult auf der Beerdigung. Mehr, als der Rest zusammen. Aber Felix' Familie geht generell sehr gefasst mit emotionalen Dingen um. Ganz im Gegensatz zu mir. Ich dachte, dass ein paar Tränchen laufen werden, aber dass ich halb zusammenbreche, als ich ihn am Friedhofstor stehen sehen hab, damit hätte ich nicht gerechnet. In der Kirche fiel es mir so schwer mich zusammen zu reißen und nicht schluchzend und zitternd zusammenzubrechen, so dass ich versuchte, die Worte des Pfarrers zu ignorieren und stattdessen mathematische Formeln, Baumarten und Obststorten aufzuzählen. Hat nur bedingt geklappt. Der schlimmste Moment war der, als ich Felix vor dem Grab seiner eigenen Mutter stehen sehen hab. Bei dem Gedanken daran kommen mir immer noch die Tränen. Ich musste wegschauen, es hat mir so sehr im Herzen weh getan, dass ich am liebsten in den angelegenen Wald gerannt wäre, um mich dort an einem Baum zusammen zu kauern und dort zu weinen bis alle meine Tränen verbraucht waren. Aber ich musste stehen bleiben und die Zeremonie weiterhin vom Hintergrund aus betrachten.
Im Nachhinein war es mir so unangenehm, dass ich so viel geweint habe, aber ich konnte es einfach nicht kontrollieren. Und ich dachte, dass Felix' Verwandte und Bekannte dachten, dass ich ein kleines hysterisches Mädchen bin, das maßlos übertreibt und es nicht hinbekommt in vornehmer Stille zu trauern. Felix hat mir dann aber vor ein paar Tagen geschrieben, dass ich mit meinem äußerst unseriösen Auftritt eher für Bewunderung und Lob gesorgt habe. Was zwar besser ist, als für Abneigung und Augenrollen zu sorgen, aber trotzdem wäre es mir lieber gewesen, wenn man mich gar nicht bemerkt hätte. Aber mittlerweile kann ich damit leben. Ich kann es eh nicht mehr ändern.
Mit Macy hab ich auch täglich Kontakt, aber wir haben uns schon länger nicht mehr gesehen. Sie ist eine tolle Person und es ist ganz cool, dass sie an der selben Uni studieren wird wie ich (was zwar nichts heißt, weil wir uns wahrscheinlich nie über den Weg laufen werden, aber es ist trotzdem ganz nett wenigstens eine Person auf der Uni zu kennen).
Auch wenn nicht viele Leute aus der Schule übrig geblieben sind, mit denen ich regelmäßig Kontakt habe, bin ich so unendlich dankbar für alle Leute, die in meinem Leben sind. Ich hab wirklich ein riesiges Glück so tolle Menschen an meiner Seite zu haben und ich hoffe, dass sie mich so lange wie möglich begleiten werden.
Vielleicht sollte ich ihnen öfter sagen, dass sie mir wichtig sind, aber es fällt mir sehr schwer. Jede schlechte Erfahrung hinterlässt eine Narbe und jede Narbe hinterlässt eine Lektion. Und ich habe so viel in den letzten Jahren über Freundschaft gelernt und das ist wahrscheinlich genau der Grund, wieso es mir so schwer fällt, Leuten zu sagen, dass sie mir was bedeuten. Mit solchen Worten hab ich Freunde damals versucht zum bleiben zu bringen, mich nicht im Stich zu lassen, aber es hat nicht gereicht. Und deswegen fällt es mir leichter, gar nichts zu sagen, anstatt wieder zu viel zu geben, nur um dann noch mehr verletzt zu werden. Ich hab dieses Kapitel der Freundschaft schon öfter durchgemacht und ich möchte es nicht nochmal erleben, weil es einfach zu schmerzhaft ist.
Aber vielleicht sollte ich meinen Freunden einfach mal sagen, dass ich dankbar bin, dass sie hier sind. Denn das bin ich. So sehr.
In einem Monat wird mein Studium beginnen. Ich bin sehr nervös. Es ist wie am ersten Schultag, nur dass man ohne die Hand von Mama und Papa zu nehmen in ein riesiges unübersichtliches Gebäude geht, um dann nicht neben der besten Freundin aus dem Kindergarten zu sitzen, sondern von lauter wildfremden Menschen umgeben ist. Ich hoffe, dass dieses "Now I'm standing alone in a crowded room"-Gefühl nicht allzu oft eintreten wird, aber manchmal hab ich da auch meine Zweifel. Wie immer.
Natürlich freue ich mich auch darauf, denn ich glaube, dass das Studium eine tolle Zeit wird, an die ich mich noch lange erinnern werde.

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