Mittwoch, 22. April 2020
I made up my mind I'm better off being alone
Meine Selbstisolation hatte den gewünschten Effekt.
Ich fand wieder zu mir selbst.
Nach einem Monat, in dem es mir psychisch nicht so gut ging, bin ich endlich wieder auf dem richtigen Weg.
Ich tat das, was ich das letzte Mal auch getan hatte: Selbstreflexion, die Ratschläge von Shallon umsetzen und Dinge tun, die mich erfüllen.
Neben lesen und schreiben kam dieses Mal malen dazu.
Ich hatte als Kind gerne gemalt, aber vor allem in der 10. Klasse die Lust daran verloren, weil meine Kunstlehrerin charakterlich eine einzige Katastrophe war. Kann man Kunst überhaupt bewerten? Liegt es nicht im Auge des Betrachters?
Ich malte einige Himmelskonstellationen, Atmosphären, Jahreszeiten und mein Lieblingsschloss. Alles mit einem tiefgründigeren Hintergrund als es auf den ersten Blick scheint.
Ich bin künstlerisch nicht besonders begabt, aber es machte mir Spaß, stundenlang dazu sitzen, "Killer Instinct" und "Girl on Top" zu hören, zu malen und zu reflektieren.
Vor allem in den letzten Tagen habe ich immer mehr über das Thema Alleine-Sein nachgedacht. Ich persönlich liebe es. Ich brauche es. Meine soziale Energie ist begrenzt und ich bin lieber alleine, als unter Menschen, die ich nur so ganz nett finde.
Mit alleine meine ich auch ganz alleine.
Ich bin froh, dass ich in Zeiten wie diesen keinen Partner habe. Ich hätte wirklich keine Lust darauf, die Selbstisolation mit irgendeinem Typ zu verbringen, der vermutlich sein Geschirr nicht aufräumt und nasse Spuren im Badezimmer hinterlässt. Selbst wenn er das nicht machen würde, hätte ich keine Lust auf einen Typen.
Insgesamt bin ich gerade sehr am Zweifeln, ob ich überhaupt wieder eine Beziehung haben möchte. Es klingt dramatisch, aber ich meine es ziemlich ernst. Ich selbst bin eine komplette Person, ich brauche niemanden, der meine Sätze beendet und weiß, was ich denke. Ich weiß selbst, was ich denke, danke.
Ich bin ein in sich widersprüchlicher Mensch und ich kann mir schwer jemanden vorstellen, der zu mir passen könnte. Noch dazu habe ich meine Erwartungen in die Höhe geschraubt, weil ich mich nicht mehr mit irgendeinem Kindergarten zufrieden gebe. Wer diese Voraussetzungen nicht mitbringt, ist eben raus. Und wenn am Schluss alle raus sind, dann bin ich alleine und ich liebe es, alleine zu sein. Ich wäre lieber alleine, als mit jemandem zusammen, den ich nur zu 90% toll finde.
Niemand wird mich komplettieren, denn das tue ich selbst.
Dennoch weiß ich, dass Seelenverwandtschaft existiert. Ich sehe es in meinem Umfeld, ich fühle es mit meinen Freunden. Ich fühlte es im ersten Moment, als ich Ophélie kennengelernt habe. Chemie zwischen Menschen ist real. Aber Chemie bedeutet nicht Komptabilität.
Unser tierischer Fortpflanzungstrieb und der Drang, die Art aufrecht zu erhalten, lässt uns des Öfteren Chemie mit einer anderen Person spüren. Aber wenn ich nur an den letzten Mann zurück denke, bei dem es wirklich geknistert hat und es rational überdenke, ist meine Entscheidung ein klares Nein. Die Chemie zwischen Simon und mir war ziemlich stark. Wir kannten uns nicht wirklich, haben uns aber sehr gut verstanden. So gesehen, war er nicht unbedingt mein Typ, aber er war groß, hatte tolle Haare und sehr schöne Oberarme. Es ist ganz natürlich, dass mein Körper seine Babys wollte. Ich konnte fast hören wie es knisterte, wenn er mich berührte. Netter Kerl, aber rational gesehen wäre er nichts für mich: Ein absoluter Beziehungstyp, eher nicht besonders mutig, lässt sich gerne von Mädchen jagen und hat einen Haufen Probleme.
Natürlich spielt Chemie eine sehr große Rolle, wenn man auf jemanden trifft. Aber andere Voraussetzungen sind wichtiger.
Auch ich muss definitiv noch an einigen meiner Probleme arbeiten. Ich muss mehr darauf scheißen, was andere denken. Ich muss lernen, die Aufmerksamkeit zu lieben und gut vor einer Vielzahl an Menschen reden können. Ich will freier und glücklicher sein, unabhängiger und ausgeglichener. Ich will so viele Dinge erleben, bei denen ich einen Kerl einfach nicht gebrauchen kann.
Erst gestern wurde mir bewusst, dass ich ein sehr großes Problem habe. Ich hab mir irgendein Hochzeitsvideo auf Youtube angeschaut, das mir vorgeschlagen wurde. Der Mann weinte, als die bezaubernde Braut den Gang hinunter schritt. Auch ich wurde kurz ein wenig emotional (was auch an meiner Erdbeerwoche liegen kann) und hatte für den Bruchteil einer Sekunde einen Gedanken, den ich normalerweise verdrängt oder nicht beachtet hätte. Aber wie heißt es so schön: Wir können Dinge nicht ändern, von denen wir nichts wissen. Und dann können diese Dinge von anderen Menschen gegen einen verwendet werden.
Der Gedanke war: Ich kann mir nicht vorstellen, dass mich jemand mal so sehr lieben kann.
Wow.
Das ist ein ziemlich trauriger Gedanke.
Ich werde sehr geliebt. Sehr. Ich habe das Glück, eine Vielzahl von Menschen um mich zu haben, die mich lieben. Ich weiß es. Ich liebe sie genau so.
Ich liebe auch mich selbst. Aber scheinbar nicht genug. Ich sollte mich selbst so sehr lieben, dass ich solche Gedanken nicht mehr habe.
Ich würde mich heiraten, wenn ich könnte. Aber gleichzeitig denke ich so etwas.
Shallon hat einen Gedanken in meinen Kopf gepflanzt, der mich schon eine Weile verfolgt: Was ist, wenn wir uns selbst daten könnten?
Wie würde jemand, den ich gerne daten würde, aussehen? Bin ich auch so?
Loyal - ja.
Liebt meine Familie - ja.
Großherzig und liebenswürdig - unter der etwas rauen Schale ja.
Extrem lustig - ja.
Mutig - daran könnte ich noch arbeiten.
Kommuniziert gut - auch daran muss ich noch arbeiten.
Braucht keine Beziehung - ja.
Abenteuerlich - ja.
Intelligent und wissbegierig - ja.
Ausgeglichen und entspannt - Ich muss vor allem an meinem Misstrauen und meiner Paranoia arbeiten.
Hart im Nehmen - ja.
Selbstliebend und mental stabil - ja.
Tatkräftig und energisch - ich bin oft eher zurückhaltend.
Freiheitsliebend und offen - je nach Situation kann ich sehr introvertiert sein.
Hat klare Grenzen und kommuniziert diese - ja.
Es gibt bestimmt noch andere Dinge, die mir wichtig sind, aber das sind jede, die mir spontan einfallen.
Erst wenn ich so bin, wie ich gerne wäre, könnte ich überhaupt eine Beziehung eingehen. Dann muss der Gegenüber auch diese Voraussetzungen erfüllen. Und schlussendlich muss eine starke Chemie zwischen uns herrschen.
Das all dies in einer Person auftauchen kann, die überhaupt in dem von mir zugelassenen Radius ist, halte ich für sehr unwahrscheinlich.
Und nein, ich sehe es überhaupt nicht ein, irgendwo Abstriche zu machen.
Von Frauen wird stets so viel erwartet. Wir sollen ehrgeizige Karrierefrauen sein, aber nur bis spätestens Ende zwanzig, weil die Uhr tickt. Dann sollen wir perfekte Mütter und Hausfrauen sein, liebende Ehefrauen, P*rnostars, Familienmitglieder, Psychotherapeutinnen, Köchinnen, am besten nebenbei halbtags arbeiten, sonst ist man faul, aber nur, solange die Kinder in der Schule sind, sonst ist man eine schlechte Mutter. Sei immer höflich, habe Respekt vor anderen, auch wenn sie dir keinen Respekt entgegen bringen.
Von der Art sich zu kleiden und Slutshaming ganz zu schweigen.
Ich habe hohe Erwartungen an mich und hohe Erwartungen an andere. Wenn wir Frauen so viele Rollen auf einmal erfüllen sollen, können Männer auch die paar Anforderungen, die ich stelle, erfüllen. Wenn nicht, kein Problem, ich bin sehr gerne alleine. Ich bin ein Privileg, keine Option.
Die Zeit, die ich damit verbringe, an einen Kerl zu denken, kann ich so viel effektiver nutzen. So, dass ich wirklich im Leben vorankomme, an mir selbst arbeite und mich selbst immer mehr liebe.

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