Sonntag, 11. April 2021
Eyes full of stars, telling all the richs guys anything they wanna hear
Ich habe am Dienstag vor zwei Wochen meine Klausur geschrieben. Für die ich seit Monaten exzessiv lerne. Und es lief nicht besonders gut. Nicht, weil ich es nicht konnte. Der Sachverhalt war wirklich fair und ich wusste alles. Ich habe in der Nacht davor nicht geschlafen. Nicht einmal ein paar Stunden. Ich konnte nicht. Ich machte Yoga, eine Einschlafmeditation, nahm zwei Baldriantabletten, zehn Rescuetropfen und hörte Frequenzmusik zum Einschlafen. Nichts half. Mein Herz raste, ich konnte mich nicht beruhigen. Als mein Wecker um fünf Uhr morgens klingelte, spielte ich mit dem Gedanken, zum Amtsarzt zu gehen und mich von der Prüfung befreien zu lassen. Mir war schlecht und ich fühlte mich schlapp. War ich nur übermüdet oder kränkelte ich?
Ich wog die Alternativen ab. Würde ich die Klausur heute nicht schreiben, müsste ich sie in einem halben Jahr wiederholen. Mittlerweile wollte ich sie nur noch hinter mich bringen, um mich ausschließlich auf das Examen zu konzentrieren.
Ich hatte keine Wahl. Ich musste sie heute schreiben. Also deckte ich mich mit Medikamenten gegen Übelkeit und Kopfschmerzen ein und begab mich zur Uni. Ich ging kurz in die Arbeit, meditierte ein wenig, trank einen Stress- und Nerventee und bereitete mich mental auf die Klausur vor. Überraschenderweise ging es mir gut. Aus logischer Sicht sollte es gut laufen. Ich habe extrem viel gelernt. Und sehr effektiv. Wenn ein Sachverhalt drankommen sollte, mit dem ich nichts anfangen konnte, ist es halt so. Mehr konnte nicht tun.
Mit dieser Einstellung ging ich in dem Raum, in dem die Klausur stattfinden würde. Uns wurde schon zuvor mitgeteilt, dass regelmäßig gelüftet werden müsste und man sich dementsprechend kleiden sollte. Ich hatte ein langärmeliges Shirt, darüber einen Rollkragenpulli und zwei paar Socken an. Trotzdem dachte ich nicht, dass es so kalt würde. Eine Klausur während einer Pandemie zu schreiben ist echt nicht lustig. Als der Sachverhalt ausgeteilt wurde, war ich zuversichtlich. Ich konnte mit allem etwas anfangen. Nach eineinhalb Stunden machte mein Körper schlapp. Ich hatte Kopfschmerzen, meine Augen brannten und ich zitterte am ganzen Körper. Ich konnte nicht einmal richtig atmen, weil ich so zitterte. Mir wurde leicht schwindelig. Ich versuchte mir mental gut zuzureden. Aber ich war kurz davor, aufzustehen und zur Aufsicht zu gehen, um ihr zu sagen, dass es mir nicht gut geht. Und wieder wog ich die Alternativen ab. Selbst wenn ich die Klausur abbrechen dürfte und ein Attest vom Amtsarzt bekäme, müsste ich die Klausur trotzdem wiederholen. Und ein weiteres halbes Jahr konzentriert dafür lernen.
Ich entschied mich dagegen. Für etwa eine Stunde ging nichts. Ich konnte nicht einmal schreiben, weil ich so zitterte. Danach ging es wieder ein bisschen. Aber ich hatte viel Zeit verloren, was dazu führte, dass ich nicht fertig wurde. Eine Aufgabe habe ich komplett nicht. Es wird also nicht grandios werden.
Ich war danach gar nicht so schlecht drauf, wie ich es gedacht hätte. Meine Leistung war nicht gut, aber das Wissen, dass ich alles getan hatte, was ich konnte und dass ich den Stoff konnte, gab mir ein beruhigendes Gefühl für mich selbst. Natürlich zählt im Endeffekt die Note. Aber ich ging nicht so hart mit mir selbst ins Gericht, wie ich es sonst tue. Ich habe alles getan, was ich konnte. Und ich habe daraus gelernt. Bei meiner nächsten Klausur werde ich am Tag davor nichts mehr dafür machen, nicht einmal ein paar Sachen durchlesen. Und ich werde mir in der Lernphase öfter Pausen gönnen. Seit Ende Dezember lerne ich jeden Tag mindestens vier Stunden, grundsätzlich sind es aber eher zwischen acht und zwölf. Das ist zu viel. Auch wenn es mir mental gut ging dabei. Es gibt mir ein gutes Gefühl, wenn ich so viel lerne. Es erfüllt mich und meine Wissbegierde. Ich mache das nur für mich und meine Zukunft. Mein Zukunfts-Ich wird mir dafür danken, dass ich so viel Zeit in mein Studium stecke. Ich habe ein konkretes Ziel vor Augen und um das zu erreichen, muss ich gut sein. Dieser Lockdown ist die beste Zeit, um zu lernen.
Im ersten Lockdown konzentrierte ich mich voll auf meine Selbstfindung, meine Kunst und meine Kreativität. Es war genau das, was ich gebraucht habe.
Der zweite Lockdown begann auch mit einem Gemälde von mir, aber danach konzentrierte ich mich überwiegend auf die Uni. Ich weiß, dass der Lockdown vielen zum Hals raushängt und manchmal bin ich auch wirklich genervt davon. Aber ich kann es nicht ändern. Ich kann nur das Beste daraus machen. So eine Zeit wird wahrscheinlich nie wieder kommen (zum Glück). Mein Zukunfts-Ich fände es bestimmt viel besser, wenn ich in dieser Zeit etwas für meine Bildung tue, als den ganzen Tag auf der Couch zu liegen und Netflix zu schauen.
Ich verstehe natürlich auch, wenn einige sich dazu nicht in der Lage sehen. Ich bin mental relativ stabil und auch mit meinem Umfeld während des Lockdowns sehr gesegnet. Ich befinde mich in einer privilegierten Situation, deshalb ist es mir möglich, den zweiten Lockdown so zu nutzen.
Aber auch ich spüre die Auswirkungen auf meine Psyche. Berührungen sind mir fremd. Bloße Umarmungen sind ungewohnt, versetzen mich aber in einen Rausch. Das gibt mir Bedenken. Ich hab seit über einem Jahr niemanden mehr geküsst (nicht, dass das jetzt so tragisch wäre :D) und ich frage mich, wie es sein wird, wenn es wieder dazu kommt. Wird es ein Rausch sein, der mir jegliche Vernunft raubt? Frauen tendieren dazu, schneller Gefühle zu entwickeln, wenn sie körperliche Nähe spüren. Sollte ich mich darauf vorbereiten, dass ich angesichts eines Oxytocinrausches meine Logik und Erwartungen vergesse? Kann man sich darauf überhaupt vorbereiten? Und wie kann ich es verhindern?
Ina, Vroni und ich vermissen es natürlich auch zusammen feiern zu gehen. Mittlerweile frage ich mich aber, ob ich so viele Menschen auf einmal ertrage. Sei es im Supermarkt oder in der Uni, Menschen entziehen mir Energie. Ich habe keine Lust auf sie. Ich empfinde immer das Bedürfnis, nach Hause zu gehen. In meine wunderschöne Komfortzone. Wann habe ich das letzte Mal etwas außerhalb meiner Komfortzone gemacht? Mir fällt nichts ein. Das ist bestimmt nicht gesund. Erfahrungen außerhalb unserer Komfortzone formen uns. Aber großartige Möglichkeiten gibt es momentan nicht. Ich habe mich für einen Business-Englisch-Sprachkurs angemeldet, so komme ich vielleicht wieder ein wenig aus meinem Schneckenhaus. Auch, wenn es mich Überwindung kostet.
Aber ich blicke nach vorne. Die Fortschritte in Deutschland sind zwar langsam, aber wenigstens sind sie dar. Ich hätte tatsächlich nicht gedacht, dass das Deutschland, das die erste Welle so vorbildlich und elitär gemeistert hat, in der zweiten bzw. dritten Welle scheinbar planlos sein würde. Ich verstehe, dass es auch für Politiker eine extreme Ausnahmesituation ist. Ich möchte nicht an ihrer Stelle sein, denn egal ob sie sich für die Wirtschaft oder für den Gesundheitsschutz entscheiden, sie werden verbal attackiert. Aber vor allem die Impfstrategie lässt zu wünschen übrig. Wie kann es sein, dass der rettende Impfstoff aus Deutschland kommt und wir nicht einmal in den Top 20 Ländern, die am meisten impfen, sind?
Dieses Thema wäre ein Beitrag für sich, über das schon genügend andere ihre Meinung geäußert haben, also zurück zu mir. :D
Im Januar bin ich morgens des öfteren spazieren gegangen, habe Musik gehört und sie intensiv gefühlt und hab mit Ina per langer Sprachnachricht über alle möglichen Themen philosophiert. In Mitten all dieser Themen, von persönlichen bis zu politischen, hatte ich eine Erkenntnis. In manchen Situationen verhalte ich mich wie eine Regisseurin. Ich caste für Rollen in meinem Leben. Dabei geht es nicht um den Menschen selbst, sondern nur darum, ob er die Rolle übernimmt, damit ich meine Geschichte erzählen kann. Vielleicht hat es mit Erwartungen zu tun, vielleicht damit, dass ich unter der etwas harten Schale und der manchmal großen Klappe doch einen nicht ganz unerheblichen Sinn für Romantik habe. Vielleicht liegt es an der Art, wie Filme und Bücher das Thema Liebe und Beziehungen behandeln und der unterbewusste Druck, der damit einhergeht. Solche Filme schaut man schon in früher Kindheit an (ein klassischer Disneyfilm reicht ja), aber erst später versteht und hinterfragt man die Dynamiken. Das hat natürlich auch seinen Sinn, Kinder sollen möglichst unbeschwert aufwachsen. Aber inwiefern werden unsere Erwartungen davon unbemerkt beeinflusst?
Shallon nennt ein solches ?Problem? den ?Cocktail Party Moment?: Du triffst auf eine Person und siehst die Zukunft, bevor sie überhaupt ansatzweise begonnen hat. In dem Moment, in dem er sich lächelnd vorstellt, sieht du dich Monate später auf einer Cocktailparty. Du trägst ein schönes Kleid, er hat den Arm um deine Taille gelegt und ihr lacht mit einer Gruppe von Leuten. Eine Person aus dieser Gruppe fragt schließlich:?Wie habt ihr euch kennengelernt??
Hier kommt der unterbewusste Druck einer schönen Geschichte ins Spiel. Die wenigsten werden erzählen wollen:?Oh, er hat mir auf der Straße nachgepfiffen, was mir total geschmeichelt hat. Dann hatten wir eine Freundschaft Plus für zehn Monate und nach vier ernsten Gesprächen konnte ich ihn endlich davon überzeugen, dass eine Beziehung mit mir toll wäre und ich es wert bin? (kleine Notiz am Rande: Wenn du jemandem von deinem Wert überzeugen musst, ist die Person es nicht wert. Du alleine bestimmst deinen Wert).
In gewisser Weise schützt dieser Druck vielleicht auch mein Selbstwertgefühl.
Allerdings schaffe ich diese Momente und gebe Leuten die Möglichkeit, die Rolle zu erfüllen. Und in diesem Moment geht es überhaupt nicht um den Menschen selbst, um seine Persönlichkeit. Im Vordergrund steht die Geschichte, die ich schreibe.
Beispiel: Ich bin an einem schönen Ort, den ich romantisieren kann. Sei es ein schönes Café in der Stadt, ein Park, eine Kirche, eine Bibliothek oder eine Buchhandlung (Oh ja, die kann ich gut romantisieren), ein Museum, eine Kunstausstellung, ein Konzert, am Wasser oder eine ein altes Gebäude der Stadt. Ein solcher Ort ist ein schöner Schauplatz für eine tolle Geschichte. Innerlich öffne ich mich, gebe Menschen die Gelegenheit, die Rolle zu übernehmen. Äußerlich bin ich wohl ziemlich verschlossen. Mein resting bitch face spricht Bände, meistens höre ich Musik und schotte mich bewusst ab, da ich keine Lust auf eine Interaktion mit Menschen habe. Aber das Casting bleibt im Hinterkopf.
Wie schon gesagt, geht es dabei nicht ausschließlich um den Menschen selbst. Natürlich habe ich gewisse Grundvoraussetzungen, die erfüllt werden müssen, aber ich caste nicht die Rolle des tollsten Menschen, sondern die der schönsten Geschichte. Das kann auch daran liegen, dass ich gerade niemanden aktiv kennenlernen möchte. Ich suche keine Beziehung, keine männliche Aufmerksamkeit. Aber selbst dann: Sollte mein Fokus nicht darauf liegen, die tollsten Menschen in meinem Leben zu haben? Was Freundschaften angeht, liegt mein Fokus auch genau dort. Es gibt keine Drucksituation, alleine schon, weil die perfekte Kennenlerngeschichte im freundschaftlichen Sinne gesellschaftlich weniger thematisiert wird.
Es ist seltsam, dass ich unterbewusst so denke, obwohl ich gegenüber keiner Person in meinem Leben einen Druck verspüre, eine schöne Geschichte erzählen zu müssen. Das zählt für die Menschen in meinem Leben nicht.
Ich spüre auch keinen gesellschaftlichen Druck unbedingt in einer Beziehung sein zu müssen.
Warum beeinflusst es also mein Denken? Ist es der romantische Teil meiner Persönlichkeit oder meine Liebe für Kunst und dementsprechend für schöne Geschichten?
Ich schaffe bewusst Situationen für schöne Geschichten. Wenn meiner Ansicht nach keine schöne Situation vorliegt, schotte ich mich noch mehr ab, als ich es eh schon tue. Damit ja niemand auf die Idee kommt, mich anzusprechen.
Andererseits scheint es wohl nicht immer ausschließlich an der Situation zu liegen. Im Dezember letzten Jahres kam es auf meiner Joggingroute zu einem Autounfall. Es wurden keine Personen verletzt und auch der Sachschaden schien nicht erheblich zu sein. Es war schon ziemlich kalt draußen, weshalb ich mich aus rein praktischen Gründen ziemlich hässlich anzog. :D Knallorgangenes Stirnband inklusive. :D Was mir grundsätzlich egal ist, beim Joggen geht es nur um mich und meine Musik. Dann joggte ich an der Unfallstelle vorbei und hatte Augenkontakt mit einem sehr schnuckeligen Polizisten. Ich lief ganz normal weiter, aber in meinem Kopf sah ich, wie er mir nachlief, sich lächelnd vorstellte und wie wir Monate später auf einer Cocktailparty waren (alleine wegen der Pandemie war diese Fantasie absolut unrealistisch). Wenn er wirklich so gehandelt hätte, hätte alleine die Geschichte eine positive Wirkung darauf gehabt, wie ich ihn sehe. Ob er der tollste Mensch überhaupt ist, würde ich später herausfinden. Dabei sollte das doch an erster Stelle stehen.
Vielleicht will ich auch nicht ihn als Person, vielleicht will ich die Situation, weil sie spannend und aufregend ist und jeder Tag momentan mehr oder weniger der gleiche ist.
Ich will meinen Fokus darauf legen, tolle Menschen in meinem Leben zu haben. Ich will aufhören, bloße Rollen zu casten, um schöne Geschichten zu schreiben. Ich bin mir noch nicht sicher, wie ich dabei vorgehe. Um das alles zu realisieren, tauchte ich für mehrere Tage ziemlich tief in meine Psyche ein und reflektierte alles.
Aus diesem Grund ist es vielleicht besser, wenn man nicht seinen Traummann kennen lernt. Wenn sich die Realität derart mit der Fantasie deckt, wie schwer ist es, davon wieder loszukommen? Aus diesem Grund möchte ich niemals jemanden im Kontext mit meinem Glauben kennenlernen. Es würde mir schwer fallen, alles rational zu sehen. Und inwieweit das gegen mich verwendet und ich manipuliert werden könnte, will ich gar nicht wissen. Ebenso wenig möchte ich eine Italiener kennenlernen. Irgendwo möchte ich es zwar schon, aber ich habe gemerkt, wie schnell ich positive Erinnerungen und Gefühle eines Landes mit den Charakterzügen einer Person vermische, wodurch sie ungerechtfertigt eine höhere Stellung in meinem Leben erhielt, als sie es rein rational sollte.
Ich will so reflektiert und wachsam durch das Leben gehen, dass ich mehr oder weniger kugelsicher gegen Verliebtheit bin. Nicht, weil ich das Verliebtsein kategorisch ablehne, aber die fehlende Rationalität und mögliche Manipulation, die damit einhergeht.

Ende Januar sah ich den Film ?Romy?, der mich sehr zum Nachdenken brachte. So sehr, dass ich fühlte, was sie gefühlt haben muss und darüber schrieb.
Szenen, in denen Paparazzi über Friedhofsmauern klettern und eine Beerdigung stören oder sich als Pfleger verkleidet in Krankenhäuser schleichen, um ein totes Kind zu fotografieren, das auf der Titelseite einer Boulevardzeitung landet, weckten den Gedanken in mir, dass die Welt vielleicht doch besser wird. Derartige Szenen könnte ich mir heute in Deutschland nicht vorstellen, ohne dass die verantwortlichen Personen einem hexenjagtähnlichen Boykott gegenüberstünden. Cancel Culture ist ein schwieriges Thema, kann aber eine positive und präventive Wirkung haben.

Während ich mich in meiner letzten extremen Lernphase in Fantasien aus längst vergangenen Zeiten und längst verstorbenen Personen verlor, blieb ich dieses Mal in den 2000er Jahren. Natürlich war alles immer noch jenseits von jeder Möglichkeit, aber die Flucht auf eine römische Bühne mit einem Mann, der mir schon vor Jahren den Verstand geraubt hatte, war eine willkommene Ablenkung.

Im Gegensatz zu meiner letzten Lernphase sprudelte ich nicht vor Kreativität. Vielleicht, weil ich nicht das Bedürfnis hatte zu eskapieren. Angesichts der Dauer und Intensität meines Lernens, war ich zuversichtlich, dass ich eine gute Leistung bringen würde. Natürlich gab es auch Momente, in denen ich mich überfordert fühlte. Aber ich verlor mich nicht komplett in anderen Zeiten mit anderen Menschen.

In den letzten Tagen vor meiner Klausur wünschte ich mich an einen anderen Ort. Ich sehnte mich nach Frieden und Ruhe. Endlose grün bewachsene Hügel, magische Naturschauspiele und keine Menschenseele weit und breit.
Ich sah mich in den frühen Morgenstunden auf der Veranda einer Hütte im Nirgendwo sitzen und meditieren. Für solche Erfahrungen würde ich sogar komplizierte Bedingungen und Kälte in Kauf nehmen.
Trotzdem muss alles in einem logischen Rahmen bleiben. Vielleicht kriege ich in einer Woche die Chance dazu. Wir werden sehen.

Da es mir nicht möglich ist, einfach wegzulaufen und mein Leben für drei Wochen hinter mir zu lassen, muss ich mich wohl oder übel wieder mit der Realität beschäftigen. Ich habe seit sieben Tagen nichts mehr für die Uni gemacht, obwohl einer meiner Jahresvorsätze war, dass ich jeden Tag mindestens vier Stunden lernen würde. Es fällt mir schwer, mich zu überwinden.
Außerdem muss ich mich wieder bei meinen Freunden melden. Der Lockdown führt dazu, dass ich mich schnell abschotte. Nicht, weil ich es unbedingt möchte. Aber es entzieht mir unglaublich viel Energie, Leuten zu antworten. In Extremlernphasen kurz vor Klausuren melde ich mich meistens gar nicht mehr. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Leuten, die auf meine Antwort warten. Je weiter ich es nach hinten verschiebe, desto unangenehmer wird es.
Heute Abend habe ich ein Facetime-Date mit Lene, Ina und Vroni. Darauf freu ich mich schon sehr. Und das tut mir bestimmt auch gut.

Am Freitag nach meiner Klausur habe ich Franzi besucht. Ich habe ihre neue Wohnung zum ersten Mal gesehen. Es ist verrückt, dass Franzi und ich beide im selben Zeitraum in die Stadt gezogen sind und jetzt beide wieder weggezogen sind. Es gibt mir ein Gefühl von Familie, wenn sie wieder in der Nähe ist. Ihre Wohnung gefällt mir sehr gut. Franzi hat ihrem räumlichen Denken und ihrer Kreativität wieder freien Raum gelassen, weshalb die Wohnung sehr schön, stimmig und dennoch praktisch eingerichtet ist.
Wir haben uns beide vorher von einem Arzt testen lassen und das war mein erster Kontakt seit Oktober. Meine erste Umarmung. Ich freute mich so sehr, sie zu sehen. Ich weiß, dass ich ständig von Franzi schwärme, aber ich kann nicht anders. Sie. ist. so. ein. wahnsinnig. toller. Mensch. Sie war schon als Kind mein Vorbild und ist es immer noch. Sie ist so positiv, energiegeladen, offen, kommunikativ, furchtlos, großzügig, witzig, herzlich, logisch und praktisch veranlagt, unterstützend, unterhaltsam. Ich könnte mit der verrücktesten Idee überhaupt zu ihr kommen und sie würde es feiern (solange es gut für mich wäre - Drogenkonsum oder Ähnliches fände sie ganz und gar nicht gut) und alle Hebel in Bewegung setzen, um mich zu unterstützen. Mein ewiger Cheerleader. Ich bin so dankbar, dass sie in meinem Leben ist.
Im Januar, während meiner tiefgehenden Selbstreflexion, kam ich auch zu dem Ergebnis, dass ich viel zu reaktiv war. Wieder zog ich einen Vergleich zu Franzi. Sie ist sehr energiegeladen, nimmt alles in die Hand und ist aus diesem Grund auch so erfolgreich. Ihr Motto:?Man kann ja mit den Leuten reden?.
Und das tut sie. Dadurch kriegt sie alles, was sie sich vornimmt. Sei es ein krasser Job oder ein zweites Kuscheltier beim Budenschießen.
Ich hingegen bin eher reaktiv. Ich warte viel ab, lass Situationen auf mich zukommen und warte manchmal auf andere Zeiten, anstatt alles zu nehmen, was ich habe und die Zeiten anders zu machen. Ich bin zwar gut im Smalltalk und kann auch sympathisch wirken, bin aber im Endeffekt verschlossener und vorsichtiger als Franzi. Franzi geht in jede Lebenssituation mit der unerschütterlichen Ansicht, dass es schon klappen wird.
Ich gebe mein Bestes, positiv zu denken, habe im Hinterkopf aber immer einen Plan B, C und D für alle Fälle. Ich habe gerne die Kontrolle, weshalb ich mich auf jedes mögliche Szenario vorbereiten will. Franzi hat auch gerne die Kontrolle, sie hat aber so viel Vertrauen in sich selbst und in die Welt, dass sie mit der Einstellung durchs Leben geht, sie würde mit jeder Situation fertig und würde sogar noch das Beste daraus machen. Das ist, was ich sein will. Weniger Reaktion, mehr Aktion.
Auch hierbei bin ich mir noch nicht sicher, wie ich das Ganze umsetzen will.
Es fängt vermutlich mit positivem Denken an. Passend dazu habe ich vor ca. einem Monat ?The Secret? wieder angeschaut. Wie schon beim ersten Mal, hatte ich erneut das Gefühl, dass es mein Leben verändert. Und endlich erkannte ich auch, wieso meine Manifestation seit Januar letzten Jahres nicht mehr funktionierte.
Ich war zwar glücklich und habe positiv gedacht, aber ich habe es nicht gefühlt. Ich war nicht erfüllt von purem Glück. Ich war vor allem im letzten Jahr sehr dankbar, weil ich mir ständig vor Augen hielt, wie gesegnet ich mit meinem Leben bin. Aber es fühlte sich eher wie eine resignierte Dankbarkeit an, da ich ständig an all die Menschen dachte, denen es so viel schlechter ging als mir. So sehr wie letztes Jahr habe ich das Leid von anderen Menschen noch nie gespürt. Das belastete mich. Natürlich will ich vor den Problemen der Welt nicht die Augen verschließen. Stattdessen will ich Dankbarkeit so fühlen, dass es mich mit Glück und nicht mit Sorgen erfüllt. Das ist in Zeiten wie diesen, in denen die Zukunft so ungewiss ist, wie nie, auf jeden Fall eine Herausforderung. Aber es ist eine Herausforderung, der ich mich stellen möchte. Ich selbst muss das Ruder meines Lebens in die Hand nehmen. Ich kann mich nicht einfach von der Strömung treiben lassen, wenn ich alles erreichen will, was ich mir vorgenommen habe.

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