Freitag, 31. Dezember 2021
I bet you think about me when you say:"Oh my god, she's insane, she wrote a song about me!"
Was für ein Jahr. Ich hab so viele gemischte Gefühle diesbezüglich. Ich habe wirklich viel erlebt, bin so viel gereist wie noch nie, aber fühlte mich auch festgefahren und nostalgisch.
Am Anfang des Jahres befand ich mich in meiner extremen Lernphase. Ich stand früh morgens auf, ging eine Runde durch den dunklen Wintermorgen und hörte ?evermore? und philosophierte mit Ina in minutenlangen Sprachanchrichten über das Leben. Ich reflektierte mich selbst, wollte kugelsicher gegen die Verliebtheit sein und verviel Fantasien der 2000er Jahre.
Ich lernte stundenlang, wochenlang. Es erfüllte mich, aber es brachte mich auch an meine Grenzen. Diese sah ich erst, als ich zitternd in meiner Klausur saß, für die ich ein halbes Jahr lang jeden Tag gelernt hatte. Ich hatte mich immer psychisch relativ stabil gefühlt, doch auch ich merke die Auswirkungen der monatelangen Isolation. Berührungen waren mir fremd, die Anwesenheit von Menschen raubte meine Energie und ich vermisste meine Freunde. Ich war ängstlicher geworden.
Nach meiner Klausur war ich teilnahmslos. Die Vorbereitung auf die Klausur hatte mir meine Energie genommen. Ich konnte nicht lernen und trotz Face-time-Anrufen mit meinen Freunden isolierte mich sehr. Ich war apathisch. Und erkannte, dass das nicht gesund war. Es war vielleicht kein Burnout, aber definitiv ein Hilferuf meiner Psyche. Nach Gesprächen mit Franzi und Patrick, die die ersten Personen waren, die ich (nachdem wir uns getestet hatten) nach Monaten wieder persönlich sah, buchte ich schließlich spontan einen Flug, um dorthin zu kommen, wonach ich mich sehnte. Bewachsene Hügel. Keine Menschenseele weit und breit. Frieden. Schon bei meiner Ankunft empfand ich Frieden, obwohl ich fünf Tage in Quarantäne musste und deshalb noch nicht allzuviel von der Insel der Elfen gesehen habe, auf die meine Flucht vor der dritten Welle mich verschlagen hatte. Auch wenn ich moralisch mit mir zu kämpfen hatte, war es die richtige Entscheidung. Ich umrundete die Insel fast einen Monat lange, sah Elfenparks, Wasserfälle, dampfende Thermalgebiete und Berge. Ich badete in einem heißen Fluss, sah Geysire und Nordlichter. Ich sah zum ersten Mal in meinem Leben einen ausbrechenden Vulkan. Als ich die Höhenmeter nach oben stieg und ihn von der Ferne sah, war ich hingerissen. Es sah aus wie die Reaktion eines Streichholzes mit der Streichholzschachtel, wie die Anfänge eines Feuers im Kamin. Je näher ich kam, desto roter war der Himmel, desto größer und mächtiger die Lavafelder und die sechs Krater aus denen das Lava unaufhörbar sprudelte. Ich machte ein Picknick vor dem Vulkan, bestieg den größten Gletscher Europas und ging am gefährlichsten Strand Europas spazieren. Ich sah Eisschollen in einer Gletscherlagune auf das offene Meer hinaustreiben und unternahm einen Strandausritt. Ich schnorchelte zwischen der eurasischen und der nordamerikanischen Kontinentalplatte, sah Rentiere in freier Wildbahn und fuhr auf dem Beifahrersitz eines schwarzen Trucks durch die Landschaft, während wir meine ?Punk?-Playlist hörten. Ich trank Bier in einer Wohnung mit Ausblick auf den Vulkan, ließ mich von einem Flirt verwirren und kreierte einen neuen, emotionalen Fluchtwagen. Ich packte meine Koffer im Morgengrauen, aß nach drei Stunden Schlaf eine Zimtschnecke in der Hauptstadt und trat meinen Rückflug an. Zum ersten Mal in meinem Leben wäre ich gerne noch länger geblieben. Ich freute mich auf zu Hause, aber ich hatte kein Heimweh. Diese Insel verkörperte alles, was ich brauchte. Frieden, Glück, Sicherheit und Natur. Kein Corona. Aus diesem Grund fiel es mir auch so schwer, darüber hinweg zu kommen. Nur meine Familie fehlte. Diese vier Wochen zogen mich aus einem psychischen Tief, in dem ich noch nie vorher gewesen war. Irgendwann wusste ich nicht mehr, ob ich die Insel oder ihn vermisste. Vermutlich hatte ich beides vermischt. Diese Insel ist die Art von Exfreund, über die ich nicht hinweg kommen werde. Die ich immer mit süßer Nostalgie in Erinnerung behalten werde. Ich blickte über den Tellerrand meiner Komfortzone, als ich einen Business-Englisch-Sprachkurs machte. Ich las ?Inferno?, das mich bis heute zum Nachdenken bringt, traf mich (nur mit Schnelltestvorlage) wieder mit meinen drei engsten Freundinnen und malte den Vulkan und sah nach einigen Wochen den Boden der Tatsachen wieder. Im Mai erhielt ich meine erste Impfung, deren Auswirkungen ich nicht spürte. Ich benutzte zum ersten Mal wieder öffentliche Verkehrsmittel und war wieder mit meinen Freundinnen im Park. Wir betranken uns, lachten und zum ersten Mal seit eineinhalb Jahren küsste ich wieder jemanden, der schon den vollen Impfschutz hatte. Der Oxytocinrausch, vor dem ich solche Angst hatte, blieb aus. Am nächsten Tag machte ich einen PCR-Test, nur um sicher zu gehen, suchte mir einen zweiten Job in der Gastronomie und fragte mich, ob ich überhaupt gesund war. Ich erlebte den stärksten Hagelsturm, an den ich mich erinnern kann, konnte mit offensiv-flirty Nachrichten nicht viel anfangen und wurde durch meine Freunde erinnert an meine Identität erinnert. Ich erhielt meine zweite Impfung, die erhöhte Temperaturen, Schüttelfrost und Gliederschmerzen in mir hervorrief und auch erst mal nichts änderte. Erst nach und nach überwand ich mich dazu, die Isolation mehr und mehr abzulegen. Die Impfung bedeutete Freiheit für mich. Die EM und das Verhalten der englischen Fans machte mich fassungslos und im Laufe des Jahres wurde mir der Profi-Fußball immer unsympathischer. Die Flutwelle und das damit einhergehende Leid der Menschen trafen mich so sehr, dass ich regelmäßig weinen musste, wenn ich die Nachrichten sah. Ich fragte mich zum ersten Mal, worauf das Haus gebaut war, in dem ich lebte, von welcher Richtung Wassermassen kommen könnten und wie ich damit umgehen würde.
Ich machte einen Wochenendtrip mit meinen Freunden, wir spielten Bierpong über den Dächern der Stadt und besichtigen die alten Gebäude. Ich lebte in der Vergangenheit, führte jemanden an der Nase herum und sehnte mich nach einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Ich verinnerliche das Prinzip der Unnahbarkeit, trat eine Reise in den Süden an, ankerte in einer Bucht, sah Delfine im Morgengrauen, tauchte durch Fischschwärme, sah eine Yacht brennen, war sexuell verwirrt und hatte viele Erkenntnisse. Ich plagte mich mit Selbsthass, zog Franzi zu Rat und erfuhr eine tolle Neuigkeit ihrerseits. Ich empfand mich als übersensibel, fand es schwer, einen Mittelweg zwischen gut-informiert-sein und nicht-depressiv-werden, zu finden und nahm die Emotionen anderer auf. Die Bundestagswahl beschäftigte mich sehr und auch am Ende des Jahres weiß ich nicht, was ich von dem Ergebnis halten sollte. Ich fuhr Elektroboot, machte mit meinen Freundinnen ein Picknick am See und ging zum ersten Mal seit meiner Flucht wieder in eine Bar.
Ich beschäftigte mich mehr mit Manifestation und hatte langsam das Gefühl, dass der Alltag wieder normaler wird. Der Blog existiert nun seit über zehn Jahren, ich korbte einen Geschichtslehrer, weil er eine faktisch wenig überzeugende Todesursache einer meiner historischen Lieblingspersonen annahm und ging zum ersten Mal seit eineinhalb Jahren wieder in einen Club. Und trotz meiner Bedenken, dass ich die Menschenmenge nicht aushalten würde, war es ganz normal. Es war, als hätte es Corona und den in uns verinnerlichten Abstand nie gegeben. Meine Hormone reagierten über, ich verwischte die Grenzen und wünschte mir in den Tiefen der Nacht, dass mich jemand hält. Mein Ego war angekratzt, ich baute es wieder auf. Ich erlangte die Kontrolle zurück, erkannte meinen Selbstwert und war dankbar für meine Freunde. Meine Freundinnen entführten mich in ein Musical, wir ernannten ein neues Lied zu unserer Feierhymne und tanzten wieder in unserem Stammclub. Ich wollte lieber immer die sein, die allen durch die Hände gleitet, als nur einmal mein Gesicht zu verlieren. Ich entwickelte eine Obsession mit der femme fatale und damit einhergehend mit Jennifer Check, Lola Montez, Megan Fox, Kleopatra und Sisi. Ich überschritt die rein platonische Grenze, küsste jemanden, zog eine Show ab und zerdachte, was passiert war. Ich fragte mich, ob Frauen und Männer wirklich nur befreundet sein können, ging an Halloween als Mina Harker und küsste einen Typ, der zwischen den Geschlechtern schwamm. Ich war dankbar, dass Gott die Türen verschloss, durch deren Schlüsselloch ich ab und an ganz gerne spähe, war fasziniert von Typen, die sich zwischen den stereotypen Geschlechterrollen bewegten und entfloh den steigenden Coronazahlen in den Osten. Ich ging durch dunkle Wälder, stand auf Burgruinen und rechnete jeden Moment damit, dass Karl Moor, Spiegelberg und die restlichen Räuber hinter den Bäumen hervortreten würden. Ich ging in die Sauna, fuhr über die Grenze, um eine Stadt anzuschauen und wurde bei der Rückfahrt zum ersten Mal von der Grenzpolizei kontrolliert. Ich beschäftigte mich viel mit Julius Caeser, erkannte, dass eine gewisse Unerreichbarkeit die Grundlage eines Mysteriums ist, hatte Angst, vor der Anwesenheit von fremden Männern und besuchte Ina in der Stadt, in der sie studiert an dem Tag, als Red (Taylor?s Version) erschien. Ich wettete, sie denken an mich, packte melancholisch meine Cluboutfits weg, als die Clubs erneut geschlossen wurden und fragte mich, ob es nicht verhinderbar gewesen wäre die 100.000 Corona-Tote zu erreichen.
Meine Geduld bezüglich Corona-Beschränkungen war am Ende, ich wollte die allgemeine Impfpflicht und war nach langem Nachdenken doch dazu bereit, mein Leben noch einmal herunter zu fahren. Ich war geschockt, als mir ein Freund sagte, wie schlecht es gesundheitlich um ihn stand, wurde an den Tod von jemanden vor vier Jahren erinnert und konnte nicht glauben, dass das das Ende sein sollte. Ich war mir nicht sicher, ob ein Freund die platonische Grenze überschreiten wollte, kam in Weihnachtsstimmung als ich abends mit meinen Freunden zusammen saß und als ich der vierten Welle in zwei Städte im Westen entfloh, um dort auf Weihnachtsmärkte zu gehen. Ich wurde sentimental, als in der Kathedrale im Ausland deutsche Weihnachtslieder gesungen wurden, besichtigte Burgen, grillte Stockbrot, erhielt meine dritte Impfung und schlüpfte mit müheloser Nonchanlance in das Kleid der Rachekönigin. Das zweite Weihnachten in der Pandemie war so viel besser, als das letztes Jahr, weil die Sorgen nicht mehr so mein Herz zerfraßen, wie zuvor. Mit viel Essen, Kreativität und Reflexion ließ ich das Jahr mit positiven Gefühlen ausklingen.

Die Anfänge dieses Jahres waren so zäh, grau, beängstigend und monoton, aber das Jahr gewann für mich an Schwung und entwickelte sich trotz meiner ganzen Sorgen zu einem ziemlich guten Jahr. Die Reise nach meiner Klausur hat mich definitiv gerettet. Ich wüsste nicht, wie es sonst um meine psychische Gesundheit stünde. Und obwohl ich der Realität oft entfloh - in Fantasien oder ins Ausland - habe ich viel gelernt. Ich merkte, dass ich zwischen den Extrema immer mehr ein Gleichgewicht einpendelt, das mir inneren Frieden gibt. Das Jahr hat auch meine Liebsten überwiegend mit Gesundheit gesegnet, was das wichtigste für mich ist. Und ich hoffe, dass dem auch im Jahre 2022 so sein wird.
Das Jahr 2021 ist vor allem ab Sommeranfang nur so an mir vorbei gerauscht. Die Zeit vergeht so schnell, was mir auch an meinem Jahresrückblick auf Spotify bewusst wird.
Ich habe über 25.225 Minuten Spotify gehört, 108 verschiedene Genres, 1691 verschiedene Künstler. Das meistgehörteste Lied war ?Fleiri i takinu?, die Top-Küstlerin Taylor Swift (2790 Minuten), der meistgehörte Podcast ?Call her daddy?.


Januar: Taylor Swift - gold rush, Taylor Swift - champange problems, Taylor Swift - ivy
Februar: Modsun - KARMA
März: Taylor Swift - cowboy like me, Don Henley, Stevie Nicks - Leather and lace
April: Gummi Tóta - Fleiri í takinu, Modsun, Nathan Evans - Wellerman, Glee - Gloria, Glee, Uptown Girl, Cody Simpson - Tell me why
Mai: Picture This - Winona Ryder, Herra Hnetusmjör - Stjörnurnar, Jón Jónsson - Draumar geta raest
Juni: Divided Minds - Bad bitch, Lustra - Scotty doesn?t know, Kyunchi - Regina George
Juli: Taylor Edwards - Not supposed to know each other, Camilo, Shawn Mendes - Kesi
August: Lady Gaga - You & I, Justin Wellington, Small Jam - Iko Iko (My Bestie), Marteria - Scotty beam mich hoch
September: Valley - Like 1999, Jan Ammann, Sabrina Weckerlin - Totale Finsternis
Oktober: Zolita - Somebody I fucked once, Beta - Lola Montez, Lucy Deakin - how to lose a guy, Dasha - TALK, Lana del Rey - National Anthem, Hey Violet - Bitter Pill, RAF Camora - Blaues Licht, The Band Camino - Underneath my skin, Sarah Barrios - Thank God you introduced me to your sister, The Band Camino - Know it all
November: Taylor Swift - I bet you think about me, Taylor Swift - Message in a bottle, Taylor Swift - The very first night, Rhys, Casper the Ghost - Single at 40, Taylor Swift - September
Dezember: Fletcher - bitter, Mark Ronson - Find U Again, Charlotte Sands - Dress, Jimmy Fallon - It was a ? masked Christmas

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