Freitag, 30. Oktober 2020
Je t'aimerais toujours, je ne t'oublierais jamais, femme de ma vie
Der zweite Lockdown.
Obwohl ich mir der zweiten Welle schon im Frühjahr bewusst war, habe ich dennoch nicht mit diesem Ausmaß gerechnet.
Ich treffe mich schon seit einigen Wochen nicht mehr mit Leuten, weil die Zahlen einfach unaufhörlich steigen und ich jedes Risiko vermeiden möchte. Ich bin mir meiner Einzelverantwortung für die Gemeinschaft bewusst.
Dennoch befinde ich mich in einem Risikogebiet.
Dennoch muss ich ein Mal pro Woche zur Arbeit fahren. Egal um welche Zeit ich fahre, die öffentlichen Verkehrsmittel sind immer gut besetzt. Ich versuche trotzdem so gut es geht, Abstand zu halten und nichts anzufassen. Meine Corona-Warn-App ist an, sobald ich mich auf den Weg in die Stadt mache.
Dennoch habe ich Symptome, die unter Umständen auf eine Infektion mit dem Corona-Virus zurückzuführen sein könnten. Zugegeben, es ist ein bisschen weit hergeholt. Aber ich bin ein sehr paranoider Mensch und in Mitten der zweiten Welle ist die Wahrscheinlichkeit nicht mehr so gering, dass ich mich täusche. Meine leichten Halsschmerzen kommen wahrscheinlich daher, dass ich vergangene Nacht mit offenem Fenster geschlafen habe. Die Kopfschmerzen kann ich mir nicht wirklich erklären (außer einem möglichem Calciummangel), zudem ich heute an der frischen Luft war. Allzu stark oder ungewöhnlich sind sie aber auch nicht. Allerdings habe ich mir beim Abendessen eingebildet, dass mein Geschmackssinn ein wenig vermindert wäre.
Ansonsten geht es mir gut. Heute Nachmittag fühlte ich mich ein wenig erschöpft, aber nachdem ich eine Stunde lang geschlafen hatte, ging es wieder. Mein Geruchssinn funktioniert sehr gut, ich habe weder Gliederschmerzen noch Husten.
Um sicher zu gehen, habe ich beschlossen, mich testen zu lassen. Ich hoffe natürlich, dass ich mich nicht infiziert habe. Ich wäre ehrlich gesagt sauer, wenn der Test positiv wäre. Ich bin sehr vorsichtig, ernähre mich gesund und mache regelmäßig Sport und Wechselduschen. Mein Immunsystem sollte in Top Form sein. Wir werden sehen.
Ansonsten gibt es nicht viel zu berichten.
Ich verbringe die meiste Zeit mit Unisachen, auch wenn das Lernen eher schleppend voran geht.
Ich habe eine Lernpartnerin, Michella, die mich wieder ein wenig auf den Boden zurückgeholt hat. Sie ist ganz anders als ich, aber dennoch verstehen wir uns so gut. In letzter Zeit bin ich ein wenig engstirnig geworden. Ich weiß ziemlich genau, was ich will und ich bin nicht besonders kompromissbereit. Ich wähle genau aus, wer in meinem Leben ist. Michella kommt aus Berlin, ist auch ein wenig alternativ und hört gerne Techno. Berlin und ich sind nie warm geworden, was aber auch an meiner damaligen Verfassung liegt. Mit Techno kann ich gar nichts anfangen und ich muss zugeben, dass ich gewisse Vorurteile gegenüber Leuten habe, die Techno hören. Ich hab vor ein paar Jahren ganz gute Einblicke in die Szene bekommen und wirklich jeder, den ich kennengelernt habe, nahm Drogen, war arbeitsfaul und ging unmotiviert und orientierungslos durchs Leben. Damit kann ich absolut nichts anfangen. Eine solche Lebenseinstellung spiegelt auch die Werte, die ein Mensch hat. Mir war natürlich bewusst, dass es auch andere Leute aus dieser Szene gab, aber ich hätte nicht damit gerechnet, dass ich jemanden aus der Berliner Technoszene so sympathisch finden würde. Sie ist so anders als die Leute aus dieser Stadt. Keine Spur von Arroganz, Überheblichkeit oder Kühle.
Sie führte mir auch wieder vor Augen, dass ich eigentlich gar nicht so engstirnig war. Ich liebte es eigentlich, neue, unterschiedliche und interessante Menschen kennen zulernen.
Genau solche Begegnungen brauche ich, um nach einiger Zeit, die ich mit meinen (teilweise sehr kritischen) Gedanken verbringe, wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen.
Vor ein paar Wochen habe ich mich mit Chris und Fabi zu einem Filmeabend getroffen. Eigentlich sollten Ina und Vroni auch dabei sein, die beiden hatten aber keine Zeit. Ich war so froh, dass wenigstens Fabi dabei war. Ich habe keine Ahnung, was passiert wäre, wenn Chris und ich alleine gewesen wäre. Nicht, dass ich es darauf angelegt hätte, im Gegenteil. Aber ss ist neun Monate her, dass ich überhaupt jemanden geküsst hatte und ich bin biologisch gesehen im Höhepunkt meiner Fruchtbarkeit, also ist es kein Wunder, dass meine Triebe versuchen, die Oberhand über meine Verstand zu gewinnen. Glücklicherweise bin ich relativ rational.
Ich kam vor Fabi bei Chris an. Ich sah eine Gitarre in seinem Zimmer, die ich zuvor noch nie gesehen hatte. Meines Wissens nach spielte er kein Instrument. Auf meine Nachfrage erklärte mir, dass er im ersten Lockdown angefangen hätte, sie spielen zu lernen. Er spielte mir sogleich etwas vor. Zum Glück war es ein nicht romantischer Song von Nirvana, aber trotzdem war es ziemlich klischeehaft.
Fabi kam zum Glück kurz darauf und wir beschlossen Fluch der Karibik 4 anzuschauen. Ich liebe diesen Film. Chris' Couch ist relativ groß, also saßen wir alle so, ohne uns irgendwo zu berühren. Ich drehte mich ein wenig von Chris weg, der neben mir saß. Ich hatte mir auch eine Jogginghose und einen einfachen Pulli angezogen, um keine Signale zu senden. Nach dem Film beschlossen wir noch eine Harry Potter Verarsche anzuschauen. Keine Ahnung, wie es dazu kam, aber Chris umarmte mich plötzlich und zog mich so an sich, dass ich an seine Brust gelehnt war und meine Beine über seinen Oberschenkeln lagen. Ich hätte mich vielleicht wehren sollen, aber es war echt gemütlich. Er legte seine Hand auf mein Knie und fing an, abwesend über mein Bein zu streichen. Alles im sehr jugendfreien Bereich, aber meine Hormone spielten absolut verrückt. Bereits als seine Hand mein Knie berührte, spürte ich es kribbeln. Ich fühle mich absolut nicht von Chris angezogen, aber neun Monate ohne irgendeine Form von männlicher Nähe scheinen sich doch ganz schön auf meinen Körper auszuwirken. :D
Mitten im Film sagte Fabi plötzlich, dass er jetzt fahren würde. Ich war überrascht, es war noch nicht einmal zwölf und normalerweise bin ich immer die Erste, die fährt. Ich schloss mich dem gleich an, weil ich auf gar keinen Fall mit Chris alleine sein wollte. Fabi ging aber ohne auf mich zu warten direkt die Treppe runter. Hatten er und Chris sich abgesprochen?
Unten an der Garderobe wartete er aber auf mich. Wir verabschiedeten uns zuerst von Chris und später an Fabis Auto voneinander und fuhren getrennt nach Hause.
Das war noch einmal gut gegangen. Ich würde unsere Freundschaft riskieren, wenn ich eine Grenze überschreiten würde. Ich fühle mich zwar nicht von ihm angezogen, aber ich bin gerade auf dem Egotrip, dass ich möchte, dass jemand nur mich will, sonst niemanden. :D Mein Selbstwertgefühl ist noch nicht auf dem Level, dass es mir egal wäre. Ich habe ein paar Baustellen, an denen ich erst arbeiten muss, bevor ich wieder irgendeine Art von männlichen Kontakt haben kann.
Während meiner Lernphase floh ich in Fantasien, die Kreativität schien nur so aus mir herauszusprudeln. Das hat sich nach meiner Klausur ein wenig gelegt. Ich versinke zwar jede Nacht vor dem Einschlafen immer noch in Fantasien, aber die Worte und Zeilen sprudeln nicht mehr aus mir heraus. Dennoch weiß ich, dass es wieder andere Zeiten geben wird.
Neue Erinnerungen würden mir gut tun. Ich bin immer noch festgefahren. Irgendwo. Ich sehe ihn leider immer noch oft in einem sehr romantischen Licht, das nicht auf Fakten beruht. Ich hatte kein einziges Mal, das Gefühl, dass er ein gutes und reines Herz hat, also warum kann ich die Erinnerungen, die Möglichkeiten nicht einfach gehen lassen?
Weil sie kurz vor der Corona-Krise passiert sind und ich damit unbeschwerte, jugendliche Zeiten verbinde.
Ich sollte mich nicht beschweren. Ich wurde zwar in der Arbeit um die Hälfte meiner Stunden gekürzt, aber dennoch geht es mir um einiges besser, als vielen anderen, die ihren Job ganz verloren haben, krank geworden sind oder täglich um ihre Existenz kämpfen müssen. Es bricht mir das Herz zu sehen, wie viele Läden dicht machen müssen. Läden mit langjähriger Geschichte, Familienunternehmen, in denen viel Herzblut steckt.
Ich hatte immer Angst vor dem Tag, an dem Deutschland die 10.000 Todes-Marke überschreiten würde. Auch wenn es "nur" eine Zahl ist, von der man einige Personen wieder abziehen müsste. Ich habe Angst vor einem Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Ich habe Angst vor der wirtschaftlichen Situation in den nächsten Jahren. Ich habe Vertrauen in den Staat, aber trotzdem mache ich mir Sorgen um unsere Zukunft.
Dieses Weihnachten wird so anders werden. Vielleicht gemütlicher, stressfreier und entspannter. Vielleicht aber auch einsamer, stimmungsloser und ein wenig traurig. Ich werde versuchen das Beste daraus zu machen. Ein entspanntes Weihnachten zu genießen, viel Zeit zu Hause zu verbringen, zu spenden, zu mir selbst zu finden. Frieden in mir selbst schaffen.
Gerade in einer Zeit wie dieser ist es wichtig, dass man an andere denkt und zusammenhält.

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