Donnerstag, 29. Juli 2021
Scotty doesn't know that Fiona and me do it in my van every Sunday
Es gibt so viel zu erzählen. Meine zweite Impfung, meine Gedanken, mein Wochenendtrip mit meinen Freunden, was alles in der Welt abgeht und meine diesbezüglichen Ängste, der Mädelsabend bei Julia, wie ich in Fantasien und der Vergangenheit lebe, wie es mit meinem zweiten Job läuft, was mich verändert hat.
Doch bevor ich so tief in meine Gedanken eintauche, möchte ich mit etwas Oberflächlicherem beginnen. Mit enormen Schlafmangel, welcher aufgrund eines ereignisreichen Wochenendes und kurzen Nächten entstand, saß ich am Dienstag in der Arbeit. Mein Laptop und meine Notizen lagen vor mir, aber anstatt mich mit Leasingverträgen zu beschäftigen, sah ich mir das Musikvideo von "Lieben wir" an, nachdem mir Vroni am Wochenende eröffnete, dass sie dieses Lied, insbesondere die Zeile "Vielleicht hab ich ein' Boy, vielleicht sind es auch zwei oder drei Girls, alles könnte sein" an mich erinnere.
Jemand kam die Treppe herauf. Ich hatte nicht den Türöffner gedrückt, dementsprechend musste es ein Mitarbeiter sein. Ich machte das Musikvideo aus und gab vor, mich auf meinen Laptop zu konzentrieren. Unerwarteterweise blieb die Person stehen und ging in mein Zimmer. Ich sah auf, als eine männliche Stimme "Hey" sagte. Ich brauchte eine Sekunde, um zu verstehen wer vor mir stand. Die wenigen, streng fixierten Haare sind einer Glatze gewichen. Mit allem hab ich gerechnet, aber nicht damit. Obwohl ich ganz genau wusste, dass er irgendwann wieder in meiner Arbeit auftauchen würde. Eric. Puh. Das ist jetzt...drei Jahre her? Oder sind es erst zwei? Durch Corona hab ich manchmal Probleme, Ereignisse zeitlich richtig einzuordnen.
Wir fingen an ein wenig Smalltalk zu machen und ich betete insgeheim, dass es nicht unangenehm wurde. Kurz bevor Corona kam und ich seine Nummer gelöscht habe, fragte er mich, ob wir ein Bier trinken wollen, wenn er in der Stadt ist. Ich war eher kühl, lehnte das Bier ab und schlug alternativ einen Kaffee vor, dem er zustimmte. Ein Bier klingt zwar cool und freundschaftlich, aber ich weiß wie er drauf ist. Ich weiß, wie er denkt, welche Grenzen er überschreitet und ich wollte unter keinen Umständen, dass sich so etwas wiederholt. Ich fühlte mich nicht wohl und ich war so froh, als er die Stadt verlassen hat. Er wollte immer so viel über mich wissen, was ich nicht preis geben wollte. Er akzeptierte meine Grenzen nicht und beschaffte sich die Informationen anderweitig. In meinen paranoiden Phasen nach einer neuen Dokumentation über einen Kriminalfall, der Stalking beinhaltete, fragte ich mich stets, ob er auch so zu etwas fähig wäre. Ich will ihm überhaupt nichts unterstellen. In dubio pro reo. Aber ich bin ein sehr vorsichtiger Mensch und hinterfrage vieles. Ich versuche jede rote Flagge zu sehen.
Ich bereue nichts. Ich habe daraus gelernt und viel über mich gelernt. Klare Grenzen zu setzen ist das A und O.
Er fragte, was ich so machte und ich hielt es oberflächlich und behauptete, dass nicht viel los wäre. Es ging ihn nichts an. Ich stelle die Gegenfrage und er erzählte, dass er hier bald mündliche Prüfungen hätte und deshalb hier lernen würde. Im Nebensatz ließ er einfließen, dass er eine Freundin in Hamburg hat. Gott. sei. Dank. Ich entspannte mich. Somit bestand keine Gefahr.
So unangenehm es zum Ende hin auch war, er hat auch nette Seiten. Wir haben uns gut verstanden, er war auch immer sehr hilfsbereit. Deshalb werde ich ihn in den kommenden Wochen, in denen er hier lernt auch nicht ignorieren. Ich hoffe einfach, dass wir entspannt miteinander umgehen können und es nicht komisch wird.
Mittlerweile war es Mittag und ich habe noch nichts für die Uni geschafft. Bevor ich also weiter von den ganzen Ereignissen erzählte, musste ich lernen.

Ich bin nach der Arbeit noch zum lernen geblieben. Angesichts meines Schlafmangel hatte ich eine ziemliches Tief am Nachmittag. Irgendwann tauchte Eric, der im Nebenraum lernte, wieder bei mir auf. Irgendwie kann ich nur lachen. Wir redeten über meine ehemalige Wohnung in der Stadt und zählte meine damaligen Nachbarn auf. An meine asiatische Nachbarin konnte ich mich gar nicht mehr erinnern, weshalb er mit zweideutigem bedeutungsschwangerem Blick sagte:"Die von nebenan, wo du immer Angst hattest, dass sie uns hört..."
Warum.
Diesen Satz hätte er ruhig weglassen können. Seine Freundin fände das wahrscheinlich nicht so cool, wenn er so flirty Leichen aus dem Keller holt.
Ich überspielte es ganz gut. Glücklicherweise fing er dann an von seiner Freundin zu erzählen. Nur um nach einer kurzen Ausführung zu sagen:"Die würde dir auch gefallen. Nice boobies und einen nicen Arsch."
Brudi. Lass die Dreierfantasie mal ganz schnell sein.
Ich überspielte es lachend und sagte, dass ich mir so eine Freundin auch ausgesucht hätte. Was soll man auch sonst groß darauf antworten.
Ich ließ in in dem Glauben, der eine Teil meiner Persönlichkeit würde meinen ganzen Charakter widerspiegeln. Seine Einschätzung von mir war bereits derart festgefahren. Außerdem ging ihn mein Leben nichts an. Und ein kleiner Teil von mir fand es lustig, ihn ein wenig an der Nase herum zu führen, wohlwissend, dass ich sehr viel mehr war.
Er blieb bei dem Thema Freundin und sah mir nach jeder zweideutigen Aussage tief in die Augen. Brudi. Ich werde keinen Dreier mit euch haben und es könnte mich auch nicht weniger jucken. Zehn Jahre Abstand wären nicht genug.
Ich amüsierte mich innerlich. Was für eine Reaktion erhoffte er sich denn? Als ob ich hier auf seine Anspielungen eingehen würde oder eine Eifersuchtsszene schieben würde. Was denkt er, wie wichtig er ist? :D
Max war meine Rettung. Eric redete wieder zweideutiges Zeug, als Max mich anrief und sagte, er habe im Café gegenüber einen Tisch für uns. Ich packte mein Zeug zusammen, verabschiedete mich von Eric und ging ins Café. Max hatte ich auch ewig nicht mehr gesehen. Die Anwesenheit meiner Freunde ist so ausschlaggebend für meine Selbstbewusstsein. Als wir lachten fühlte ich wie die Glückshormone mich durchströmten. Ich war direkt weniger verschlossen. Die Komplimente des italienischen Kellner, die mir sonst so unangenehm wären, polierten mein Ego.
Ich bin mehr im Einklang mit mir selbst, wenn ich meine Freunde sehe.

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Montag, 5. Juli 2021
Maybe we're both better alone, maybe we're not supposed to know each other yet
Ich hatte gestern einen Videoanruf mit Lene, Hendrik und Addi.
Während der Isolation habe ich mich überwiegend um meine engsten Freunde gekümmert. Andere blieben außen vor. Gespräche mit Addi und Hendrik über die Schulzeit und ihre Einschätzungen zu meiner Persönlichkeit riefen Erinnerungen hervor. Meine Freunde erinnerten mich daran, wer ich eigentlich war. Ich könnte es damit abtun, dass inzwischen ein paar Jahre vergangen seien und ich mich verändert hätte. Aber je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde die Sache. Die Pandemie hat mich verändert, mich kleiner gemacht. Unter normalen Umständen bin ich nicht so ernst. Eigentlich bin ich ein wenig verrückt, manchmal ein bisschen wild und habe einen ausgeprägten Humor. Diese Seiten von mir sind in den letzten eineinhalb Jahren zu kurz gekommen. Aber wie sollte man auch inmitten einer die Grundfeste erschütternden Pandemie viel zum Lachen finden? Ich entschied mich dazu, mir Sorgen zu machen.
Wieder einmal wird mir bewusst, wie sehr ich meine Freunde brauche. Nicht nur meine engsten, auch die anderen. Sie erinnern mich an meine Identität, wenn ich sie vergesse.

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Donnerstag, 1. Juli 2021
I think I really like you but I never say it straight to your face
Überschwängliche und offensiv-flirty Nachrichten sind einfach nichts für meine kühle, klischeehaft-deutsche Mentalität.

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Mittwoch, 30. Juni 2021
I need a bad bitch coming over when the night ends
Die letzten Tage ist so viel passiert, dass ich gar nicht genau einordnen kann, wie ich mich fühle.
Ich habe einen zweiten Job. Meine Flucht hat ziemlich viel Geld gefressen und abgesehen davon, brauchte ich etwas Neues. Der neue Job unterscheidet sich sehr von meinem anderen. Ich habe Vertrauen in mich, dass ich es gut hinbekommen werde. Aber ich bin noch nicht ganz aufgetaut und muss mich auch noch überwinden. Es wird körperlich anstrengend, aber es wird sich lohnen. Außerdem kann ich hierbei üben meine zeitweise Schüchternheit zu überwinden und Augenkontakt zu halten.
Der erste Arbeitstag war ganz gut. Als der Bus die Entfernung zum Meeresspiegel vergrößerte, fühlte ich mich wieder so, wie ich mich schon so oft in meinem Leben gefühlt habe: So, als würde ich nirgendwo ganz dazu passen. Gefangen zwischen zwei Welten, die sehr gegensätzlich sind. In sich widersprüchlich. Oxymoron. Die zweite und dritte Welle hatten mich verändert. Anstatt Smalltalk zu halten, blieb ich still. Letztens lag ich auf meiner Couch und fragte mich, ob ich überhaupt gesund war. Ich ziehe mich so sehr zurück. Ich suche so sehr die Einsamkeit. Ich liebe es alleine zu sein, aber ist das noch gesund? Ich weiß es nicht. Alleine, dass ich diese Frage nicht beantworten kann, zeigt doch, dass es das nicht ist. Ich weigere mich zu schreiben, dass ich nicht gesund wäre. Aber bin ich es?
Ich habe die Pandemie psychisch einigermaßen gut weggesteckt und ausgerechnet jetzt, wo die Inzidenz einstellig ist, die Zahlen sinken und mein zweiter Impftermin immer näher rückt, spüre ich auf einmal die Auswirkungen? Wie ambivalent.
Fakt ist: Ich liebe die Einsamkeit, ich suche sie ständig. Aber ich glaube nicht, dass sie in dem Ausmaß gesund für mich ist. Jedes Treffen mit einer anderen Person kostet mich einen ordentlichen Tritt in den Hintern. Von mir selbst. Ich bereue es nie, mich mit jemandem getroffen zu haben (wobei ich es eh an einer Hand abzählen kann). Aber ich muss mich immer überwinden.
Vor zwei Wochen traf ich mich zum ersten Mal wieder mit Lene. Wir hatten uns seit Oktober nicht mehr gesehen. So lange habe ich sie noch nie nicht gesehen. Wir machten beide einen Schnelltest und trafen uns am Turm, so wie früher. Ich freute mich so sehr, sie wiederzusehen. Ich hatte anfangs Probleme mit meinen Gesprächsthemen und Satzbaukonstellationen, aber ich fand schnell rein. Ich vermisste die Gespräche mit ihr. Ich vermisste das Gefühl, eine gute Freundin zu sein.
Am Tag darauf traf ich mich mit Ina und Vroni, ebenfalls wieder mit Schnelltest davor und danach. Wir schmiedeten Pläne für den Sommer und ich freute mich so sehr. Ich hatte die beiden ebenfalls seit Oktober nicht gesehen. Ina kenne ich mittlerweile seit 20 Jahren. So lange haben wir uns noch nie nicht gesehen.
Vielleicht verhindern meine Freunde, dass ich mich zu sehr in meinen Gedanken verliere, in meiner Einsamkeit.
Gestern sprang mir ein Zitat auf Facebook ins Auge:
"Die Einsamkeit ist die liebste Gespieling des Wahnsinns." - Walter Moers ~ Rumo
Als ich es las, dachte ich zuerst an ihn. Wie mächtige Männer schrieben, dass er wohl der einsamste Mann gewesen war, den sie jemals trafen.
Erst im nächsten Moment dachte ich an mich. Ich weiß, wie sich Wahnsinn anfühlt. Ich fühle mich nicht wahnsinnig. Aber ich weiß auch, wie sich hundertprozentiger Seelenfrieden anfühlt. Und so fühle ich mich auch nicht. Ich befinde mich irgendwo zwischen Wahnsinn und Seelenfrieden.
Wie gesund bin ich?
Der Schock kam letzten Montag Vormittag mit einem Anruf. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob Schock der richtige Ausdruck ist. Ich übernahm instinktiv sofort die Beschützerrolle. Ich weiß noch, wie Lene in der neunten Klasse zu mir sagte, sie hätte auf einer Beerdigung nicht geweint, weil sie für ihre Mama stark sein wollte. Das fühlte ich so sehr. Stark sein für andere. Kein Riss in der Fassade. Wobei Fassade vermutlich auch nicht das passende Wort ist. In einer Situation, in der ich eher schockiert oder hysterisch werden sollte, reagierte ich kontrolliert, strukturiert und ruhig. Wieder das beschissene Krankenhaus, in dem ich geboren wurde. Als ich meinen Willen nicht bekam, schmiedete ich Pläne, wie ich ihn bekommen könnte. Sollten sie doch versuchen mich aufzuhalten. Diese Art der Liebe kennt keine Grenzen. Eine Ausführung meines Plans war jedoch nicht nötig. Die Situation war glücklicherweise besser, als ich es gedacht hätte. Zumindest körperlich.
Es nimmt auch mich psychisch mit. Ich hasse es, aber gleichzeitig erteilt es mir eine Lektion. Wir fühlen uns alle immer unverwundbar, sobald wir ein bisschen Blech um uns herum haben, aber das sind wir nicht. Ist es Selbstmord, wenn ich 140 km/h auf der Autobahn fahre, auch wenn es nur 10 km/h über der Richtgeschwindigkeit sind? Wie kann ich davon ausgehen, dass ich das überleben würde? Egal, ob ich mit der Leitplanke oder einem anderen Fahrzeug kollidiere. Das ist eine abartige Geschwindigkeit. Wie kann so etwas erlaubt sein?
Ich lege viel wert auf sichere Autos. Wenn möglich groß, breit und schwer. Dabei rückt in den Hintergrund, dass eine Vielzahl der anderen Verkehrsteilnehmer schwächer sind. Und dass es nicht nur um meine Sicherheit geht. Denn im Falle einer Kollision müsste ich etwas tun, womit ich seit Jahren Probleme habe: Mir selbst zu verzeihen.
Ich bin eine vorsichtige Fahrerin, lebe für Geschwindigkeitsbegrenzungen. Aber eine regelmäßige Fahrt durch eine Stadt, in der prozige, schnelle Autos die Norm sind, stumpft vielleicht ab.
Dabei sollte nie vergessen werden, dass Autofahren eine Ausnahme von gemeingefährlichem Verhalten ist, dass der Gesetzgeber erlaubt. Es ist ein Privileg und dementsprechend sollte man sich auch verhalten. Bewusst und rücksichtsvoll.
Letzte Woche gab es einen so starken Hagelsturm, wie ich ihn noch nie erlebt habe. Der Himmel veränderte rasend schnell seine dunkelblaue Farbe. Weißgelbe Wolken türmten sich. Große Hagelkörner schossen wie Pfeile auf die Erde und hinterließen einige Schäden in der Nachbarschaft. Die Straßen waren danach weiß und grün, ein Baum war umgeknickt und die Feuerwehrsirene hörte gar nicht mehr auf. Ich erlitt glücklicherweise keine Schäden, aber skurril war es schon. Der Hagel kam sogar von der Südseite. Ich kann nur hoffen, dass ich die nächsten Tage verschont bleibe.

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Freitag, 18. Juni 2021
I was born to run, I don't belong to anyone
Letzten Freitag

Ich habe seit Oktober keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr betreten. Als ich eine Stunde lang auf die Bahn warten musste, wusste ich auch, warum ich das nicht bereute.
Ich traf mich mit Ina und Vroni im Park. Genau wie letztes Jahr nach der ersten Welle. Ich war etwas überfordert mit den vielen Menschen, die ich sah. Ich musste mir zuvor auch einen Tritt in den Hintern geben, um überhaupt in den Park zu fahren. Ich wollte meine Freunde sehen und einen schönen Abend haben. Aber ich wollte nicht aus meiner sicheren Komfortzone heraus. Jedoch wusste ich, dass das genau das war, was ich brauchte. Was mir gut tun würde. Ich musste mich überwinden. Also tat ich es.
Es war so ungewohnt. Ich schloss Vroni und Ina auf der Brücke in die Arme. Wir suchten uns einen schönen Platz und breiteten die Decke aus, die Ina mitgebracht hatte. Vroni war mit dem Auto gekommen, deshalb trank sie nichts. Ich öffnete mein Bier, während Ina sich Wein einschank. Wir hörten Musik, redeten und philosophierten. Vroni ist gerade sehr unzufrieden mit sich selbst, was mir in der Seele weh tut. Ich wünschte, sie könnte sich durch meine Augen sehen. Alles, was ich sehe ist Schönheit. Innerlich und äußerlich. Aber die Isolation der dritten Welle hat Spuren hinterlassen. Auch an mir. Ich bin nicht so emotional unerreichbar, wie ich es gerne wäre. Ich kann es zwar sehr gut vortäuschen, aber die Gefahr des Durchsickerns ist da. Nicht, dass ich jemals nicht mein Gesicht wahren würde. Aber ich wäre noch gerne etwas kühler. The person who cares the least wins. Und ich will gewinnen.
Irgendwann tauchte die Polizei auf und löste die großen Gruppen auf. Da wird nur drei unschuldige Personen waren, durften wir bleiben. Ich weiß nicht mehr genau, wie es dazu kam. Ich trank bereits mein zweites Bier und es zeigte seine Wirkung. Plötzlich sprachen uns zwei Typen an, deren Gruppe aufgelöst wurde. Wir redeten ein wenig und nach einer Weile fragten sie uns, ob wir mit ihnen Bierpong spielen wollten. Wir wollten. Wir gingen mit ihnen ein an den Rand des Parks, wo sie den Tisch aufbauten. Außer ihnen waren noch einige Freunde von ihnen da. Drei von denen machten eine Ausbildung zum Krankenpfleger, worüber ich mich erst einmal angeregt mit ihnen unterhielt. Diese Leute halten unser Land seit fast eineinhalb Jahren am Laufen und trotz der anfänglichen Dankbarkeit, ist die Debatte über das System und die Bezahlung der Pfleger wieder dort, wo sie vorher war: Im Hintergrund. Haben wir trotz der Pandemie gar nichts gelernt? Verschließen wir die Augen, weil das Thema belastend und schwierig ist? Was kann überhaupt eine Person tun, die nicht selbst diesen Beruf ausübt?
Wir sprachen eine Weile, dann spielten wir Bierpong. Ich mit dem einem Typ (Mati), der uns ansprach gegen Ina und den anderen Typ (Tobi). Ich warnte ihn vor, dass ich nicht gut war, aber er wollte trotzdem diese Teamkonstellation. Ich traf ein einziges Mal und das war?s auch schon. Mati hob unseren Gruppendurchschnitt glücklicherweise ein wenig, aber die Nacht wurde dunkler und dunkler und wir konnten die zwei Becher, die noch da waren, kaum noch sehen. Wir sprachen ziemlich viel. Und ich redete ziemlich viel Scheiße. Z.B. über Böhmermann, ich mobbte Österreich und wollte die ganze Zeit Ischgl-Fieber hören. Wow, wirklich wow. :D Mir war bewusst, dass diese Freundesgruppe jünger sein musste. Als Mati behauptete, er wäre 20, sagte ich:"Hey, dann kannst du ja in Island legal Alkohol trinken!"
Er:"Ich war gerade in Island."
Ernsthaft?
Es wurde irgendwann ein wenig flirty (worauf ich es definitiv anlegte). Er war etwas jünger als ich, weshalb ich die Oberhand haben würde, und durchgeimpft. Bingo. Er lachte meine kleine Daumen aus, woraufhin ich ihn boxte. Als ich einmal mit werfen dran war (wir versuchten ewig lang, einen der letzten beiden Becher zu treffen), umarmte er mich von hinten und flüsterte mir etwas ins Ohr. Keine Ahnung mehr, was er sagte, aber die Luft entwich meinen Lungen. Die Halsgegend ist sehr gefährliches Terrain. Obwohl mir einen Moment lang die Luft weg blieb, wollte ich nicht, dass er das merkt. Mit einer Sekunde Verzögerung, stieß ich ihn spaßeshalber weg. Er tat es trotzdem wieder. Und ich wollte es.
Vroni hatte den ganzen Tag gearbeitet und war dementsprechend müde. Ich hatte keine Ahnung wie spät es war, als sie mich fragte, ob es okay wäre, wenn wir nach dieser Runde heimfuhren. Ich stimmte zu. Wir gaben das Spiel angesichts der Dunkelheit auf. Vroni, Ina und ich verabschiedeten uns und gingen los.
Ina:"Hast du seine Nummer?"
Ich (völlig zufrieden):"Nö."
Er ist der Mann. Und auch, wenn er jünger ist und ich ihn verunsichere, ändere ich trotzdem nicht die Spielregeln.
Das musste ich auch nicht.
Sie riefen uns nach, wir sollten waren. Sie hatten auch ihre Sachen zusammen gepackt und mussten auf dem selben Weg nach Hause.
Einer seiner Freunde fragte mich, ob ich Matis Nummer hatte.
Ich:"Wer ist Mati?" Ich konnte mich nicht mehr an seinen Namen erinnern. Ein Mädchen lachte schallend los.
Er:"Äh, der Typ, mit dem du Bierpong gespielt hast."
Ich:"Ach so, nee."
Er:"Normalerweise kriegt es das schneller hin."
Darauf antwortete ich nichts. Ich grinste nur. Wir gingen durch die dunkle Allee. Mati war einige Schritte hinter uns, er sagte etwas zu mir. An das ich mich nicht mehr erinnern kann. Die anderen gingen vor, wir ließen uns zurückfallen.
Das eine Mädchen rief lachend:"Hey Mati, sie weiß nicht mal deinen Namen."
Ich grinste.
Er nahm meine Hand und wirbelte mich herum, sodass ich ihm gegenüber stand. Meine Hand lag auf seiner Brust, er schaute mir tief in die Augen. Ich sagte irgendetwas, lachte und schlug ihm spielerisch mit der Hand auf die Brust. Ich drehte mich um und wollte den Abstand zwischen meinen Freunden und mir verringern. Er hielt nach wie vor meine Hand und nachdem wir einige Worte wechselten, zog er mich wieder an seine Brust. Wieder sah er mir tief in die Augen. Ich grinste. Jetzt oder nie. Er nahm mein Gesicht in seine Hände und wir küssten uns. Es war gut. Er war sehr sanft, was ich nicht erwartet hätte. Mein erster Kuss seit fast eineinhalb Jahren. Und glücklicherweise kann ich sagen, dass der irrationale Oxytocinrausch, vor dem ich die ganze Zeit Angst hatte, ausblieb. Vielleicht lag es daran, dass ich mich überlegen fühlte. So, als hätte ich die Kontrolle. Ich fühlte mich vollkommen lebendig. Er konnte mir nicht gefährlich werden.
Aber viel Zeit blieb uns nicht, da Vroni meinen Namen durch den Park rief. Ich machte mich los und ging den Weg weiter. Ich glaube, er hielt immer noch meine Hand. Als wir die Gruppe wieder erreicht hatten, ging ich vor zu Ina und Vroni.
Ina:"Hast du rumgemacht?"
Ich:"Ja."
Sie:"Wie war's?"
Ich:"War gut."
Keine Ahnung, ob Mati das hörte, er war bei seinen Freunden hinter uns. Es war mir egal.
Die Straße war voller Leute. Mati hielt mich auf und fragte nach meiner Nummer. Ich gab sie ihm unter der Bedingung, keine Erwartungen zu haben. Er willigte ein. Angetrunken tippte ich die Zahlen in sein Handy, war einen Blick darauf und war mir nicht ganz sicher, ob die Nummer so stimmte. Aber es war mir egal, ich gab ihm sein Handy zurück. Er schrieb mir zur Erinnerung seinen Namen.
Gemeinsam gingen wir noch zur U-Bahn, dort trennten sich unsere Wege.
Vroni, der Engel, fuhr mich nach Hause.
Ich schminkte mich zu traurigen Taylor Swift Songs ab, die angetrunken überhaupt nicht traurig sind. Um zwei fiel ich ins Bett. Ich fühlte mich so lebendig. Ich weiß, dass es an der Anwesenheit meiner Freunde liegt und ich hoffe, dass ich dieses Gefühl aufrecht erhalten kann.
Am nächsten Tag machte ich erst einmal einen Schnelltest und einen PCR-Test, um sicher zu gehen. Ein Kuss gegen einen Test. Wie skurril. Was für eine surreale Zeit, in der wir leben.

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Samstag, 12. Juni 2021
I hate the crowds, you know that
Nach ewigen Zeiten schminke ich mich angetrunken zu meinen traurigen Taylor Swift Songs ab.
Fast eineinhalb Jahre später hatte ich jemanden geküsst.
Der Oxytocinrausch blieb aus. Vielleicht aufgrund des Alkohols.
Vielleicht aber auch, weil ich mich aufgrund seines Alters überlegen fühlte.
So sehr, dass ich auf dem Heimweg im Auto die Augen verdrehte als ich zu den Sternen sah und daran dachte, was er mir schreiben würde.

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Sonntag, 30. Mai 2021
4 am, the second day
You said it in a simple way
4 am, the second day
How strange that I don't know you at all

Stumbled through the long goodbye

I told myself: Don't get attached
But in my mind I played it back

This is when the feeling sinks in

The delicate beginning rush

I can't help but wish you took me wish you


~ Taylor Swift - Come back... Be here

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Freitag, 28. Mai 2021
She's got attitude, I wouldn't try her and she looks just like a young Winona Ryder
Am Dienstag erhielt ich die überraschende Nachricht, dass ich einen Impftermin habe. Ich freute mich so sehr und ging beschwingt joggen. Auch ich hatte anfangs Zweifel, war mir unsicher und wollte noch abwarten. Mittlerweile sehe ich keine Alternative mehr. Auch wenn ich jung bin und eine Infektion unter Umständen einigermaßen gut weg stecken würde, kann ich Langzeitfolgen wie Konzentrationsschwierigkeiten in meinem Studium und meinem späteren Beruf absolut nicht gebrauchen. Ich könnte das Studium womöglich nicht mal abschließen. Außerdem ist meine oberste Priorität nach wie vor die Sicherheit meiner Liebsten. Durch eine Impfung kann ich schon mal nicht Überträger sein. Damit wäre ein Stück meiner Sorgen genommen. Und ich würde mein Leben Stück für Stück wieder zurück erhalten. Ich hätte nicht mehr die ganze Zeit im Hinterkopf, wer alles infiziert sein könnte. Ich könnte wieder Freunde treffen.
Im Endeffekt haben für mich die Vorteile und das Vertrauen, das ich in den Impfstoff habe, überwiegt. Und somit erhielt ich heute die erste Impfung. Bis auf ein minimales Ziehen im Arm hatte ich keinerlei Nebenwirkungen. Von Ina weiß ich jedoch, dass diese bei der zweiten Impfung wahrscheinlicher auftreten können.
Auch wenn sich durch meine Impfung mein Leben nicht schlagartig wieder verändert - die Gewissheit, mich und andere nicht infizieren zu können ist so viel wert. Nachdem ich mir fast eineinhalb Jahre lang ständig Sorgen gemacht habe. So sehr, dass ich plötzlich wusste, wie sich Depressionen anfühlen mussten. Denn in einem Augenblick verspürte ich ohne scheinbaren Auslöser eine unerklärliche, tiefe Traurigkeit. Das ist kein Leben, das ich führen möchte. Stattdessen möchte ich hoffnungsvoll und mit Vertrauen in die Zukunft blicken.



https://www.youtube.com/watch?v=gre4DZuA6k4

Joshua Kadison - Jessie

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