Donnerstag, 25. Oktober 2018
She's poison but tasty
In letzter Zeit denke ich oft darüber nach, dass manche Personen Gift für einen sind.
Aber wir sind genau so gut Gift für andere Personen. Es sind nicht immer die anderen, die uns schlecht behandeln, Dämonen hervorrufen und Vertrauensprobleme erzeugen. Es sind auch wir.
Wenn man jemand Neuen kennenlernt, eine Vertrauensbasis schafft und die zwischenmenschliche Beziehung vertieft, kommt man früher oder später darauf zu sprechen, was einen geprägt hat. Und nennen wir nicht fast immer Personen, die uns schlecht behandelt/belogen/hintergangen haben?
Was hat mich geprägt?
Definitiv meine Schulzeit.
Ich hatte sehr schöne aber auch sehr schwierige Schuljahre.
Ein Punkt meines Lebens, der einen eindeutigen Charakterzug schuf, war der Wendepunkt (wo ich gerade noch die Kurve gekriegt habe) indem ich für mich selbst beschloss, dass oberflächliche Dinge wie Geld, Marken, Autos, Aussehen egal sind.
Für manche mag eine solche Ansicht selbstverständlich sein. Auch ich wurde überaus bodenständig erzogen. Aber ich ging auf eine Schule zusammen mit den Töchtern und Söhnen von Schauspielern, Politikern, reichen Unternehmern und Chefs von weltweit bekannten Konzernen. Und diese Kids - zumindest die meisten - sind abgefuckt. Ich mache ihnen keine Vorwürfe, sie können einem eigentlich nur leid tun. Aber in der Pubertät, wenn sich der Charakter gerade erst formt, ist es äußerst schwierig zwischen den ganzen luxuriösen und oberflächlichen Einflüssen bodenständig zu bleiben.
Aufgrund dieses Wendepunkts beeindruckt mich heute gar nichts mehr, was Materielles angeht. Natürlich hab ich einen Sinn für Ästhetik und wie fast jeder Mensch liebe auch ich schöne Dinge. Aber es ist nichts, womit man sich einen Weg zu mir bahnen könnte. Im Gegenteil. Wenn ein Typ meint, mit einem krassen Auto angeben zu müssen (das in den meisten Fällen von Mummy und Daddy gesponsort wurde) ekelt mich das eher an. Wenn du nichts hast außer dein Auto, mit dem du prahlen kannst, wie flach ist dann dein Charakter?
Was mich auch geprägt hat war die Phase, in der ich mich selbst hasste. Und das Wort Hass ist in diesem Fall nicht übertrieben. Das Wort Depressionen wird meiner Meinung nach oft viel zu schnell verwendet, aber ich würde sagen, dass ich nur ganz knapp an Depressionen vorbeigeschrammt bin.
Ausgelöst wurde dieser Selbsthass durch viele Veränderungen bezüglich meiner - jahrelangen - Freundschaften. Ich war viel zu jung, um zu sehen, dass man auf diese Menschen getrost verzichten kann und dass solche Veränderungen zum Leben gehören.
Heute schau ich Fotos an und frag mich, wie ich mich jemals so hassen konnte? Das ist eigentlich eine Sünde.
Nach dem Tief kam natürlich das Hoch, das mich mir selbst Stück für Stück, unter harter Arbeit und mit einigen Rückschlägen selbst erarbeitete. Ich liebte mich selbst. Und das war das Beste, was mir je passieren konnte. Ich war glücklich. Unabhängig von anderen Menschen. Ich liebte mich mit all meinen verrückten Seiten. Die Liebe zu sich selbst wird so unterschätzt und auch viel zu wenig gefördert.
Natürlich ging es nicht nur bergauf. Auf der Afterparty unserer Abifeier, stand ich an der Brüstung, blickte auf den dunklen See hinaus und fühlte mich als wäre ich ohne jeglichen Zukunftsplan aus der Schule herausgeschubst worden. Und wieder wurde mir eine mangelnde Selbstakzeptanz zum Verhängnis. Aufgrund meiner ganzen unterschiedlichen, sich widersprechenden Gegensätze wusste ich nicht wohin ich gehöre. "Figure me out" - The Sumemr Set hat es perfekt beschrieben. Ich fühlte mich, als würde ich in keine Schublade passen, obwohl ich in eine gesteckt werden müsste. Nein, muss ich nicht. Ich wusste zwar, was ich mochte und was nicht. Ich hatte einen ungefähren Zukunftsplan, aber ich wollte auch keine willkürlichen Entscheidungen treffen, bei denen ich mir nicht sicher war. Hier ging es um meine Zukunft. Jede Entscheidung würde bedeutend sein.
Ich wollte ursprünglich eine Pause machen nach dem Abi. Die klassische Selbstfindungsphase mit Reisen.
Aber am letzten Anmeldetag der Uni, zwei/drei Stunden bevor die Anmeldung vorbei war, meldete ich mich doch noch an. Ich hatte damit gerechnet, Wartesemester sammeln zu müssen, weil diese Uni zu den weltweit Besten gehört und sehr beliebt ist. Ich hätte nie mit einer Annahme gerechnet. Aber sie kam. Und ich war so froh, dass ich gleich angefangen habe zu studieren, anstatt weiter Zeit zu verschwenden. Selbst wenn es mir nicht gefallen hätte, wollte ich es ausprobieren. Und es hat mir gefallen. Es gefällt mir immer noch. Ich liebe es. Ich liebe Menschen, die für das Richtige kämpfen. Ich liebe Menschen, die für das Recht kämpfen.
Wir nehmen so vieles immer selbstverständlich und haben so viel zu meckern. Aber in den ersten Vorlesungen wurde mir wirklich bewusst, wieviel Glück wir in unserem Land haben. Natürlich gibt es immer was zu verbessern, aber bezüglich der Grundsätze und -prinzipien sind wir wirklich gut aufgebaut.
Was hat mich noch geprägt?
Ereignisse, die so unerwartet passierten und die ich auch niemals in meinem Kreis erwartet hätte. Es war hart. Das ist es manchmal immer noch. Manchmal versteh ich es nicht. Manchmal bin ich wütend. Verletzt. Traurig.
Und trotzdem bin ich dankbar dafür, dass ich von solchen Ereignissen verschont wurde, als ich noch in meiner Selbsthassphase war. Denn ich wüsste nicht, wie ich da sonst wieder rausgekommen wäre.
Natürlich hat mich die Trennung auch geprägt, ich würde lügen, wenn es nicht so wäre. Aber auf positive Weise. Ich hab viel über mich selbst gelernt.
Und nach einer längeren Zeit lernte ich wieder mich selbst zu lieben. Mit Haut und Haaren, Seele und Mentalität.
Es ist also möglich zu erzählen, was einen geprägt hat, ohne schlecht über andere Menschen zu reden. Wir waren bestimmt auch prägend für andere Menschen. Ich bin mir beispielsweise ziemlich sicher, dass ich Gift für Hendrik bin/war. Vielleicht bin ich es auch in irgendeiner Weise für Felix. Genau weiß man es nie. Tatsache ist, ich bin nicht absichtlich Gift für diese Menschen. Umgekehrt waren viele Menschen auch nicht absichtlich Gift für mich. Wir müssen uns einfach bewusst werden, wieviel Selbstwert und -würde wir besitzen und dann entscheiden, ob wir mit solchen Menschen interagieren wollen oder nicht. Und es dauerte lange, bis ich nur den Ansatz eines Selbstwertes erkannte. Zuvor suchte ich die Schuld stets bei mir.
Aber die Geburt deiner Selbstliebe ist das Ende giftiger Beziehungen.

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