Sonntag, 9. Januar 2022
Stolz
"Ein tiefer, unergründlicher Stolz hatte ihr zu Distanz verholfen, und damit hatte sie ihr Ziel erreicht".

- F. Scott Fitzgerald ~ Die Schönen und die Verdammten, S. 463

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Dienstag, 4. Januar 2022
I could've sworn I told you I was mean
Zum ersten Mal war ich wieder in der Abendmesse, so wie ich es vor zweieinhalb Jahren regelmäßig tat. Um herunterzukommen, mich auf die Lesung einzulassen, zu beten, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren, um inneren Frieden zu finden und um ausschließlich mich selbst zu sehen. Ich war noch nicht in dieser Sphäre, in der ich nur mich selbst sah. Aber genau wie damals, trotz fast zwei Jahren ohne Kontakt - bis auf ein Zusammentreffen im Sommer - schrieb er mir prompt.
Ich war genervt. Ich wollte absolut keinen Kontakt mehr mit ihm.
Und was fällt ihm überhaupt ein, mir zu schreiben, wo ich doch so offensichtlich seine Nummer gelöscht hatte?
Ich lass den Smalltalk wohl über mich ergehen und werde mit zunehmender, merklicher Kühle die Konversation auslaufen lassen.

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Freitag, 31. Dezember 2021
I bet you think about me when you say:"Oh my god, she's insane, she wrote a song about me!"
Was für ein Jahr. Ich hab so viele gemischte Gefühle diesbezüglich. Ich habe wirklich viel erlebt, bin so viel gereist wie noch nie, aber fühlte mich auch festgefahren und nostalgisch.
Am Anfang des Jahres befand ich mich in meiner extremen Lernphase. Ich stand früh morgens auf, ging eine Runde durch den dunklen Wintermorgen und hörte ?evermore? und philosophierte mit Ina in minutenlangen Sprachanchrichten über das Leben. Ich reflektierte mich selbst, wollte kugelsicher gegen die Verliebtheit sein und verviel Fantasien der 2000er Jahre.
Ich lernte stundenlang, wochenlang. Es erfüllte mich, aber es brachte mich auch an meine Grenzen. Diese sah ich erst, als ich zitternd in meiner Klausur saß, für die ich ein halbes Jahr lang jeden Tag gelernt hatte. Ich hatte mich immer psychisch relativ stabil gefühlt, doch auch ich merke die Auswirkungen der monatelangen Isolation. Berührungen waren mir fremd, die Anwesenheit von Menschen raubte meine Energie und ich vermisste meine Freunde. Ich war ängstlicher geworden.
Nach meiner Klausur war ich teilnahmslos. Die Vorbereitung auf die Klausur hatte mir meine Energie genommen. Ich konnte nicht lernen und trotz Face-time-Anrufen mit meinen Freunden isolierte mich sehr. Ich war apathisch. Und erkannte, dass das nicht gesund war. Es war vielleicht kein Burnout, aber definitiv ein Hilferuf meiner Psyche. Nach Gesprächen mit Franzi und Patrick, die die ersten Personen waren, die ich (nachdem wir uns getestet hatten) nach Monaten wieder persönlich sah, buchte ich schließlich spontan einen Flug, um dorthin zu kommen, wonach ich mich sehnte. Bewachsene Hügel. Keine Menschenseele weit und breit. Frieden. Schon bei meiner Ankunft empfand ich Frieden, obwohl ich fünf Tage in Quarantäne musste und deshalb noch nicht allzuviel von der Insel der Elfen gesehen habe, auf die meine Flucht vor der dritten Welle mich verschlagen hatte. Auch wenn ich moralisch mit mir zu kämpfen hatte, war es die richtige Entscheidung. Ich umrundete die Insel fast einen Monat lange, sah Elfenparks, Wasserfälle, dampfende Thermalgebiete und Berge. Ich badete in einem heißen Fluss, sah Geysire und Nordlichter. Ich sah zum ersten Mal in meinem Leben einen ausbrechenden Vulkan. Als ich die Höhenmeter nach oben stieg und ihn von der Ferne sah, war ich hingerissen. Es sah aus wie die Reaktion eines Streichholzes mit der Streichholzschachtel, wie die Anfänge eines Feuers im Kamin. Je näher ich kam, desto roter war der Himmel, desto größer und mächtiger die Lavafelder und die sechs Krater aus denen das Lava unaufhörbar sprudelte. Ich machte ein Picknick vor dem Vulkan, bestieg den größten Gletscher Europas und ging am gefährlichsten Strand Europas spazieren. Ich sah Eisschollen in einer Gletscherlagune auf das offene Meer hinaustreiben und unternahm einen Strandausritt. Ich schnorchelte zwischen der eurasischen und der nordamerikanischen Kontinentalplatte, sah Rentiere in freier Wildbahn und fuhr auf dem Beifahrersitz eines schwarzen Trucks durch die Landschaft, während wir meine ?Punk?-Playlist hörten. Ich trank Bier in einer Wohnung mit Ausblick auf den Vulkan, ließ mich von einem Flirt verwirren und kreierte einen neuen, emotionalen Fluchtwagen. Ich packte meine Koffer im Morgengrauen, aß nach drei Stunden Schlaf eine Zimtschnecke in der Hauptstadt und trat meinen Rückflug an. Zum ersten Mal in meinem Leben wäre ich gerne noch länger geblieben. Ich freute mich auf zu Hause, aber ich hatte kein Heimweh. Diese Insel verkörperte alles, was ich brauchte. Frieden, Glück, Sicherheit und Natur. Kein Corona. Aus diesem Grund fiel es mir auch so schwer, darüber hinweg zu kommen. Nur meine Familie fehlte. Diese vier Wochen zogen mich aus einem psychischen Tief, in dem ich noch nie vorher gewesen war. Irgendwann wusste ich nicht mehr, ob ich die Insel oder ihn vermisste. Vermutlich hatte ich beides vermischt. Diese Insel ist die Art von Exfreund, über die ich nicht hinweg kommen werde. Die ich immer mit süßer Nostalgie in Erinnerung behalten werde. Ich blickte über den Tellerrand meiner Komfortzone, als ich einen Business-Englisch-Sprachkurs machte. Ich las ?Inferno?, das mich bis heute zum Nachdenken bringt, traf mich (nur mit Schnelltestvorlage) wieder mit meinen drei engsten Freundinnen und malte den Vulkan und sah nach einigen Wochen den Boden der Tatsachen wieder. Im Mai erhielt ich meine erste Impfung, deren Auswirkungen ich nicht spürte. Ich benutzte zum ersten Mal wieder öffentliche Verkehrsmittel und war wieder mit meinen Freundinnen im Park. Wir betranken uns, lachten und zum ersten Mal seit eineinhalb Jahren küsste ich wieder jemanden, der schon den vollen Impfschutz hatte. Der Oxytocinrausch, vor dem ich solche Angst hatte, blieb aus. Am nächsten Tag machte ich einen PCR-Test, nur um sicher zu gehen, suchte mir einen zweiten Job in der Gastronomie und fragte mich, ob ich überhaupt gesund war. Ich erlebte den stärksten Hagelsturm, an den ich mich erinnern kann, konnte mit offensiv-flirty Nachrichten nicht viel anfangen und wurde durch meine Freunde erinnert an meine Identität erinnert. Ich erhielt meine zweite Impfung, die erhöhte Temperaturen, Schüttelfrost und Gliederschmerzen in mir hervorrief und auch erst mal nichts änderte. Erst nach und nach überwand ich mich dazu, die Isolation mehr und mehr abzulegen. Die Impfung bedeutete Freiheit für mich. Die EM und das Verhalten der englischen Fans machte mich fassungslos und im Laufe des Jahres wurde mir der Profi-Fußball immer unsympathischer. Die Flutwelle und das damit einhergehende Leid der Menschen trafen mich so sehr, dass ich regelmäßig weinen musste, wenn ich die Nachrichten sah. Ich fragte mich zum ersten Mal, worauf das Haus gebaut war, in dem ich lebte, von welcher Richtung Wassermassen kommen könnten und wie ich damit umgehen würde.
Ich machte einen Wochenendtrip mit meinen Freunden, wir spielten Bierpong über den Dächern der Stadt und besichtigen die alten Gebäude. Ich lebte in der Vergangenheit, führte jemanden an der Nase herum und sehnte mich nach einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Ich verinnerliche das Prinzip der Unnahbarkeit, trat eine Reise in den Süden an, ankerte in einer Bucht, sah Delfine im Morgengrauen, tauchte durch Fischschwärme, sah eine Yacht brennen, war sexuell verwirrt und hatte viele Erkenntnisse. Ich plagte mich mit Selbsthass, zog Franzi zu Rat und erfuhr eine tolle Neuigkeit ihrerseits. Ich empfand mich als übersensibel, fand es schwer, einen Mittelweg zwischen gut-informiert-sein und nicht-depressiv-werden, zu finden und nahm die Emotionen anderer auf. Die Bundestagswahl beschäftigte mich sehr und auch am Ende des Jahres weiß ich nicht, was ich von dem Ergebnis halten sollte. Ich fuhr Elektroboot, machte mit meinen Freundinnen ein Picknick am See und ging zum ersten Mal seit meiner Flucht wieder in eine Bar.
Ich beschäftigte mich mehr mit Manifestation und hatte langsam das Gefühl, dass der Alltag wieder normaler wird. Der Blog existiert nun seit über zehn Jahren, ich korbte einen Geschichtslehrer, weil er eine faktisch wenig überzeugende Todesursache einer meiner historischen Lieblingspersonen annahm und ging zum ersten Mal seit eineinhalb Jahren wieder in einen Club. Und trotz meiner Bedenken, dass ich die Menschenmenge nicht aushalten würde, war es ganz normal. Es war, als hätte es Corona und den in uns verinnerlichten Abstand nie gegeben. Meine Hormone reagierten über, ich verwischte die Grenzen und wünschte mir in den Tiefen der Nacht, dass mich jemand hält. Mein Ego war angekratzt, ich baute es wieder auf. Ich erlangte die Kontrolle zurück, erkannte meinen Selbstwert und war dankbar für meine Freunde. Meine Freundinnen entführten mich in ein Musical, wir ernannten ein neues Lied zu unserer Feierhymne und tanzten wieder in unserem Stammclub. Ich wollte lieber immer die sein, die allen durch die Hände gleitet, als nur einmal mein Gesicht zu verlieren. Ich entwickelte eine Obsession mit der femme fatale und damit einhergehend mit Jennifer Check, Lola Montez, Megan Fox, Kleopatra und Sisi. Ich überschritt die rein platonische Grenze, küsste jemanden, zog eine Show ab und zerdachte, was passiert war. Ich fragte mich, ob Frauen und Männer wirklich nur befreundet sein können, ging an Halloween als Mina Harker und küsste einen Typ, der zwischen den Geschlechtern schwamm. Ich war dankbar, dass Gott die Türen verschloss, durch deren Schlüsselloch ich ab und an ganz gerne spähe, war fasziniert von Typen, die sich zwischen den stereotypen Geschlechterrollen bewegten und entfloh den steigenden Coronazahlen in den Osten. Ich ging durch dunkle Wälder, stand auf Burgruinen und rechnete jeden Moment damit, dass Karl Moor, Spiegelberg und die restlichen Räuber hinter den Bäumen hervortreten würden. Ich ging in die Sauna, fuhr über die Grenze, um eine Stadt anzuschauen und wurde bei der Rückfahrt zum ersten Mal von der Grenzpolizei kontrolliert. Ich beschäftigte mich viel mit Julius Caeser, erkannte, dass eine gewisse Unerreichbarkeit die Grundlage eines Mysteriums ist, hatte Angst, vor der Anwesenheit von fremden Männern und besuchte Ina in der Stadt, in der sie studiert an dem Tag, als Red (Taylor?s Version) erschien. Ich wettete, sie denken an mich, packte melancholisch meine Cluboutfits weg, als die Clubs erneut geschlossen wurden und fragte mich, ob es nicht verhinderbar gewesen wäre die 100.000 Corona-Tote zu erreichen.
Meine Geduld bezüglich Corona-Beschränkungen war am Ende, ich wollte die allgemeine Impfpflicht und war nach langem Nachdenken doch dazu bereit, mein Leben noch einmal herunter zu fahren. Ich war geschockt, als mir ein Freund sagte, wie schlecht es gesundheitlich um ihn stand, wurde an den Tod von jemanden vor vier Jahren erinnert und konnte nicht glauben, dass das das Ende sein sollte. Ich war mir nicht sicher, ob ein Freund die platonische Grenze überschreiten wollte, kam in Weihnachtsstimmung als ich abends mit meinen Freunden zusammen saß und als ich der vierten Welle in zwei Städte im Westen entfloh, um dort auf Weihnachtsmärkte zu gehen. Ich wurde sentimental, als in der Kathedrale im Ausland deutsche Weihnachtslieder gesungen wurden, besichtigte Burgen, grillte Stockbrot, erhielt meine dritte Impfung und schlüpfte mit müheloser Nonchanlance in das Kleid der Rachekönigin. Das zweite Weihnachten in der Pandemie war so viel besser, als das letztes Jahr, weil die Sorgen nicht mehr so mein Herz zerfraßen, wie zuvor. Mit viel Essen, Kreativität und Reflexion ließ ich das Jahr mit positiven Gefühlen ausklingen.

Die Anfänge dieses Jahres waren so zäh, grau, beängstigend und monoton, aber das Jahr gewann für mich an Schwung und entwickelte sich trotz meiner ganzen Sorgen zu einem ziemlich guten Jahr. Die Reise nach meiner Klausur hat mich definitiv gerettet. Ich wüsste nicht, wie es sonst um meine psychische Gesundheit stünde. Und obwohl ich der Realität oft entfloh - in Fantasien oder ins Ausland - habe ich viel gelernt. Ich merkte, dass ich zwischen den Extrema immer mehr ein Gleichgewicht einpendelt, das mir inneren Frieden gibt. Das Jahr hat auch meine Liebsten überwiegend mit Gesundheit gesegnet, was das wichtigste für mich ist. Und ich hoffe, dass dem auch im Jahre 2022 so sein wird.
Das Jahr 2021 ist vor allem ab Sommeranfang nur so an mir vorbei gerauscht. Die Zeit vergeht so schnell, was mir auch an meinem Jahresrückblick auf Spotify bewusst wird.
Ich habe über 25.225 Minuten Spotify gehört, 108 verschiedene Genres, 1691 verschiedene Künstler. Das meistgehörteste Lied war ?Fleiri i takinu?, die Top-Küstlerin Taylor Swift (2790 Minuten), der meistgehörte Podcast ?Call her daddy?.


Januar: Taylor Swift - gold rush, Taylor Swift - champange problems, Taylor Swift - ivy
Februar: Modsun - KARMA
März: Taylor Swift - cowboy like me, Don Henley, Stevie Nicks - Leather and lace
April: Gummi Tóta - Fleiri í takinu, Modsun, Nathan Evans - Wellerman, Glee - Gloria, Glee, Uptown Girl, Cody Simpson - Tell me why
Mai: Picture This - Winona Ryder, Herra Hnetusmjör - Stjörnurnar, Jón Jónsson - Draumar geta raest
Juni: Divided Minds - Bad bitch, Lustra - Scotty doesn?t know, Kyunchi - Regina George
Juli: Taylor Edwards - Not supposed to know each other, Camilo, Shawn Mendes - Kesi
August: Lady Gaga - You & I, Justin Wellington, Small Jam - Iko Iko (My Bestie), Marteria - Scotty beam mich hoch
September: Valley - Like 1999, Jan Ammann, Sabrina Weckerlin - Totale Finsternis
Oktober: Zolita - Somebody I fucked once, Beta - Lola Montez, Lucy Deakin - how to lose a guy, Dasha - TALK, Lana del Rey - National Anthem, Hey Violet - Bitter Pill, RAF Camora - Blaues Licht, The Band Camino - Underneath my skin, Sarah Barrios - Thank God you introduced me to your sister, The Band Camino - Know it all
November: Taylor Swift - I bet you think about me, Taylor Swift - Message in a bottle, Taylor Swift - The very first night, Rhys, Casper the Ghost - Single at 40, Taylor Swift - September
Dezember: Fletcher - bitter, Mark Ronson - Find U Again, Charlotte Sands - Dress, Jimmy Fallon - It was a ? masked Christmas

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Dienstag, 21. Dezember 2021
I'm going all white to your funeral
Metapher.
Am Tag nach dem Feuer ging ich beschwingt durch die Straßen. Im vollsten Bewusstsein meines Wertes, meiner größten Stärke und den Schwächen der Gegenüber. Ich verlieh der Rolle der Rachekönigin, in deren Kleid ich stets so mühelos schlüpfe, einen großzügigen Hauch apathische Nonchalance. Dadurch verfinsterten keine rachsüchtigen Pläne mein Gemüt. Stattdessen hatte ich vollstes Vertrauen in das Schicksal. Ich würde in weiß gekleidet auf ihre Beerdigung gehen, wenn es mir nicht total egal wäre.

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Dienstag, 14. Dezember 2021
And I know we're not just hanging out
Puh. Keine Ahnung, was das war. Nachdem wir den Tag immer wieder verschoben haben, kamen wir heute Abend nach meiner Arbeit auf einen gemeinsamen Nenner.
Ich stand am ersten Tag meines Zyklus und war dementsprechend leicht genervt und verfroren unterwegs. Ich hörte "I bet you think about me" während ich darüber nachdachte, wie wenig Lust ich auf dieses Treffen hatte. Es lag nicht an Felix, sondern an meiner Verfassung. Ich war gestern Abend erst nach mehrstündiger Fahrt aus Frankreich zurück gekommen und obwohl ich ausgeschlafen hatte, wollte ich lieber in meinem warmen Bett bleiben und die Eindrücke meiner kurzen, aber feinen Flucht aus der vierten Welle verarbeiten.
Aber ich hatte zugesagt.
Ich kam absichtlich zwei Minuten zu spät, knöpfte meinen Mantel über dem Rollkragenpulli bis zum Hals zu, obwohl es wärmer war, als ich gedacht hätte. Aber ich wollte unter keinen Umständen irgendwelche Signale senden. Es nieselte als ich auf den Brunnen zuging, an dem er wartete. Er sah irgendwie so amerikanisch aus, wie er mit seiner Footballstatur in seiner Collegejacke und seinen Kopfhörern da stand.
Wir begrüßten uns mit einer Umarmung und gingen auf meinen Wunsch hin spazieren. Auf keinen Fall wollte ich ihm in irgendeinem Café datemäßig gegenüber sitzen. In einer Bäckerei am Rande des Parks kauften wir uns eine heiße Schokolade und einen grünen Tee. Er bezahlte, obwohl ich Einwände äußerte. Was war das hier?
Der Tee wärmte meine stets kalten Finger als wir durch den dunklen Park gingen. Trotz allem war ich paranoid und trug Pfefferspray und Alarmanlage griffbereit in meiner Manteltasche.
Wir sprachen über Weihnachten, Traditionen, Geschenke, Politik und was so in unserem Leben abgeht. Angesichts der aktuellen Zahlen war die Weihnachtsstimmung nur bedingt in dieser Stadt zu spüren. Nun ging ich durch den Park, in dem sich eigentlich Touristen tümmeln sollte, mit einem Politikersohn, der irgendwie so amerikanisch war. Und irgendwie auch gar nicht.
Wir gingen durch die Straßen der Stadt, vorbei an den machtigen Gebäuden, die mir immer das Herz stehlen.
Anfangs ließ ich ihn erzählen. Ich war nicht passiv, aber ohne gezielte Fragen, kriegt man nicht viel aus mir heraus. Teilweise klang es wie eine Werbung um seine Person. Ohne dass er eingebildet klang. Er sprach viel von seinen Zielen, seinen Zukunftsvorstellungen und was er sich von einer Frau wünscht. Auf letzteres versuchte ich nicht einzugehen, weil ich im platonischen Bereich bleiben wollte.
Wir gingen eine Stunde lang spazieren, was mir nach dem langen Sitzen echt gut tat. Er bot an, meine Tasche zu nehmen, ich lehnte dankend ab.
Als es stärker zu regnen begann, brachte er mich zur Bahn, wo wir uns verabschiedeten. Ich zog meine Maske auf, öffnete den obersten Mantelknopf und hörte "I bet you think about me".
Ich bin mir immer noch nicht genau sicher, was genau das war.

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Donnerstag, 2. Dezember 2021
Can't not think of all the cost and the things that will be lost
Das Thema mit Hendrik geht mir nicht aus dem Kopf. Es erwischte mich wirklich eiskalt und ich würde gerne mit jemandem darüber reden. Ich weiß nicht, ob ich ihn ermutigen soll, weiter zu kämpfen und zu hoffen, oder, ob das selbstsüchtig und grausam ist.
Lene ist gerade im Urlaub, aber sie weiß auch schon Bescheid und ich hoffe, dass wir darüber reden können, wenn sie wieder da ist.

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Mittwoch, 1. Dezember 2021
Only 20 minutes to sleep but you dream of some epiphany
"Ich will einfach nur gesund sein. Ich will einfach nur leben."
Weinend am Telefon, er bat mich zu beten.
Das kann nicht das Ende sein. Das ist nicht möglich. Er ist Anfang zwanzig.
Ich wollte die Abwägung von Suizid und Sterbehilfe nicht hören, aber ich bat ihn, mir seine Gedanken dazu mitzuteilen, weil ich wusste, dass es ihm hilft. Die Tränen liefen mir über das Gesicht, als er den Suizid aus Liebe zum Leben ausschloss.
Das ist nicht das Ende. Er wird wieder gesund. Und er wird das Leben leben, das er die letzten Jahre verpasst hat.

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Only blue talk and love
Irgendwas zwischen wütend, genervt, verwirrt, ruhig und zufrieden.
Angesichts der aktuellen Situation bin ich ziemlich wütend und genervt. Meine Geduld ist am Ende. Mein rebellischer Charakterzug kam zum Vorschein und nahm kurzzeitig so überhand, dass ich feierlich verkündete, dass ich mich nicht mehr einschränken werde und es mir egal wäre, wenn Ungeimpfte sterben. Ganz nach Charles Darwin.
Als sich mein Gemüt wieder beruhigte, erkannte ich, dass dem nicht so war. Es würde zu einer sensiblen Person auch nicht passen. Ich dachte an die Krankenschwestern, Pfleger und Ärzte. Und an die Geimpften, die aufgrund unglücklicher Umstände ebenfalls auf den Intensivstationen liegen und sterben.
Das sind die einzig beiden Faktoren, die mich dazu brachten, mein soziales Leben erneut herunter zu fahren. Nicht dass ich gerade viele Aktivitäten zur Auswahl hätte.
Ein letztes Mal mach ich das noch mit, dann muss die absolute Impfpflicht kommen. Anders geht es nicht. Und die Schulden, die durch diese scheinbare Tatenlosigkeit verursacht werden, trägt meine Generation. Ja moin.
Auch wenn ich mich verarscht fühle - ich habe mich schließlich monatelang komplett isoliert und nicht einmal Freunde getroffen - geb ich der Gesellschaft noch eine Chance. Es nervt, ist ungerecht und frustrierend, aber es ist das einzig Vernünftige. Wobei man daran auch wieder zweifeln könnte, wenn man vor den Toren geschlossener Unis und Bildungseinrichtungen steht, sich abends aber ein Fußballspiel anschaut, bei welchem sich die Zuschauer auf den Tribünen tummeln. Wie ambivalent ist es, den Fußball der Bildung vorzuziehen.
Meine Frustration erreichte mit der Bekanntgabe der neuen Mutation ihren Höhepunkt. Für einen Augenblick überlegt ich, ob ich überhaupt eine Zukunft hatte. Meine Vorstellung vom Ende der Menschheit gleicht sich zwar nicht mit dem einer Pandemie, aber im biologischen Bereich sind meine Überlegungen laienhaft.
Vielleicht braucht Deutschland auch ein Trauma, wie es Italien, Spanien und Portugal bereits hatten. Oder einfach mehr Tatendrang, so wie Macron.
Ich war meistens ziemlich stolz auf Deutschland, aber das was gerade abgeht, ist einfach nur peinlich. Gut, dass es Österreich, Großbritannien und die USA gibt, sonst würde die Bundesrepublik Deutschland den ersten Platz im Kampf um die Peinlichkeit belegen.
Dennis nannte es heute:"Ich habe das Gefühl, dass nur auf die Idioten Rücksicht genommen wird." Ich glaube, es fühlen sich viele gerade so.
Außerdem bin ich ein bisschen verwirrt. Felix (nicht einer meiner besten Freunde, sondern der, den ich eher oberflächlich kenne) hat beim Schreiben in letzter Zeit immer Mal wieder so Andeutungen gemacht. Ich hab sie auf den Alkohol und zur Seite geschoben. Er lud mich zum trinken in seine WG ein, was freundschaftlich sein könnte, aber als ich ihm absagte, fragte er mich, ob ich mit ihm spazieren gehen wollte. Puh. Wollte ich? Felix ist nett und witzig, aber wie immer gleicht meine platonische Grenze eher einer Schlucht. Unüberwindbar. Vielleicht habe ich bei seiner WG-Einweihungsparty vor ein paar Wochen ein bisschen zu sehr aus dem Nähkästchen geplaudert. Ich hab Bier mit Shots gemischt, wie immer keine gute Idee. Deshalb redete ich auch so offenherzig. Er will wahrscheinlich nur wissen, was hinter der großen Klappe steckt.
Puh, keine Ahnung, ob ich mit ihm spazieren gehen will. Spazieren gehen heißt reden. Will ich das? Ich will eher Freundschaft. Mal sehen.
Auch wenn mein Selbstbewusstsein noch nicht am Höhepunkt angekommen ist, rede ich mir einfach ein, dass ich selbstbewusst bin. Dass ich die Aufmerksamkeit liebe (obwohl ich sie hasse). Dass es mir nicht widerstrebt, angeschaut zu werden. Es ist nicht leicht, aber ich kreiere die Realität, in der ich lebe. Wenn ich es mir oft genug einrede, glaube ich es irgendwann. Mein Selbstwertgefühl gibt mir eine innere Ruhe und Zufriedenheit, die ich nicht eintauschen möchte. Obwohl das kein Zustand der Dauerhaftigkeit ist. Ich fühle so viele Dinge gleichzeitig.
Aber nach einer anfänglichen Aggression und Resignation aufgrund dieser seltsamen Pandemie, die mich an meiner Entwicklung hindert, versuche ich mit Vertrauen in die Zukunft nach vorne zu schauen und mich nicht unter den Deckmantel der winterlichen Depression zu flüchten. Es wird bestimmt Hoch- und Tiefpunkte geben, aber es ist immerhin ein guter Vorsatz, wenn die Pandemie ohnehin außerhalb meiner Macht liegt.

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Donnerstag, 25. November 2021
I hope you're single at 40
100.000 Tote.
Warum lässt sich unser Staat und unsere Gesellschaft von einer Minderheit ungeimpfer Covidioten als Geisel nehmen und damit Ursache eines zwingend kausalen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Schadens sein?

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