Mittwoch, 23. Oktober 2019
But he don't love me like tequila does, nobody can
Ich hatte gestern einen sehr interessanten Abend. Mit Pietro.
Er fragte mittags, ob wir uns um neun in einer Bar treffen wollen. Zuvor hatte ich Maria gesagt, dass ich ursprünglich mit ihm verabredet wäre, aber mit in die Karaokebar kommen würde, wenn ich nichts mehr von ihm höre.
Ich stellte mich schon mental darauf ein, dass er sich nicht mehr melden würde und war absolut zufrieden mit der Tatsache, in die Karaokebar zu gehen. Dann kam seine Nachricht.
Ich wollte ursprünglich erst zur Karaokebar gehen und mich dann mit ihm treffen, aber das hätte sich zeitlich überhaupt nicht gelohnt. Also sagte ich Maria schweren Herzens ab. Ich bereitete meine Wohnung für den Fall vor, dass wir nach der Bar zu mir gehen würden, duschte und machte mich fertig. Ich nahm absichtlich die U-Bahn mit der ich ein wenig zu spät sein würde. Auf keinen Fall warte ich auf einen Kerl.
Bereits auf dem Hinweg bemerkte ich einen Grad der Nervosität, den ich schon lange nicht mehr hatte. Das letzte Mal vielleicht bei meinem dritten Treffen mit Eric. Oder bei meinen Klausuren im letzten Semester. Also versuchte ich mein Selbstbewusstsein so gut es ging vorzutäuschen.
An der Haltestelle hob ich noch Bargeld ab (in der Bar, in der ich meinen Geburtstag feierte, konnte man tatsächlich nicht mit Karte bezahlen, seit dem bin ich ein wenig vorbereiteter). Dann schlenderte ich zu „Tequlia does“ durch die nächtlichen, herbstlichen Straßen dieser wunderschönen Stadt.
Ich war noch nie in der Bar, in der er sich treffen wollte, wusste aber ungefähr wo sie war. Mit vornehmen zehn Minuten Verspätung ging ich zur Tür rein, sah mich ein wenig um, konnte ihn aber nirgends entdecken. Also ging ich wieder raus und war im Begriff, ihn anzurufen, als ich ihn rechts neben mir stehen sah. Er rauchte und blickte nachdenklich in die Ferne. Ich ging auf ihn zu und begrüßte ihn, er gab mir zwei Küsschen auf meine Wangen. Ich erhaschte die Spur seines Parfums oder Aftershaves und es kam mir so bekannt vor. Später kam ich darauf: Sowohl Nihad als auch Addi schienen das selbe zu benutzen.
Er schlug direkt vor, dass wir in eine andere Bar gehen sollten, weil wir hier keinen Sitzplatz mehr bekommen würden. Ich willigte ein. Wir gingen durch die Straßen und führten ein wenig Smalltalk. Auch in den nächsten drei Bars hatten wir kein Glück. Sie waren brechend voll. In der vierten Bar hatten wir tatsächlich Glück und konnten zwei Plätze an der Bar ergattern. Er bestelle zwei Gläser Wein, obwohl ich ihm sagte, dass ich für nichts garantieren könne, wenn ich Wein trinke. Wir tranken und redeten.
Er erzählte mir, dass er aus Verona sei.
Ist das des Schicksals fucking Ernst?
Ich liebe Verona.
Wir redeten ein wenig über Italien, wo ich schon war, über seine Familie und seine Jugend. Er sagte mir, dass ich sehr unschuldig aussehen würde und fragte, ob ich jemals ein „naughty girl“ sei, während er seine Hand auf mein Knie legte.
Ich gab meinen ganzen Vergangenheits-Ichs ein Highfive. Wenn mein sechszehnjähriges oder sogar mein neunzehnjähriges Ich sehen könnten, dass ich in einer alten Bar die mit Büchern voll gestopft war mit einem sehr attraktiven Italiener Wein trank.
Las Gott etwa mein Tagebuch?
Okay, ich darf nicht übertreiben. Ich muss rational bleiben.
Um ihn ein wenig zu beschreiben: Er wirkt ein bisschen unnahbar. Bei unserer ersten Begegnung stufte ich ihn als kühl und emotionslos ein, mittlerweile würde ich ihn eher als sehr nachdenklich beschreiben. Er ist niemand, der viel lacht. Meist setzt er einen ernsten Gesichtsausdruck auf. Ab und zu verzieht er seine Lippen zu seinem Lächeln, aber die nachdenkliche Philosophermiene ist schnell wieder zur Stelle. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass er Philosophie studiert hat.
Falls man es noch nicht erraten konnte: Ich stehe sehr auf nachdenkliche, ruhige Typen.
Wir redeten und tranken unseren Wein aus. Ich dachte, wir würden noch eine weitere Runde bestellen, aber er stieg vom Barhocker runter, platzierte von hinten seine Hände auf meiner Taille und sagte:“I know a better place to be.“
Das ging ja schnell. Das sagte ich ihm auch.
Er meinte, dass wir hier weiter viel Geld für Wein ausgeben konnten oder einfach bei ihm Drinks machen konnten.
Wo er Recht hatte.
Er hatte mich überzeugt und wir zogen los. Glücklicherweise war seine Wohnung nur ein paar Straßen entfernt. Angesichts der Nähe zur Uni war ich fast ein wenig neidisch, aber als er mir dann den Mietpreis nannte, konnte ich es nicht glauben. Noch dazu war es eine WG.
Er sperrte die Haustür auf und wir gingen in den ersten Stock. Nach dem wir uns unserer Schuhe und Jacken entledigt hatten, fand er im Flur eine kleine Spielzeugpistole. Aus Spaß stellte er sich ans andere Ende des Flurs und sagte, ich solle auf ihn zielen.
Der Muchacho konnte nicht ahnen, dass ich schon öfter geschossen habe. Ich zielte und traf. Als er das gleiche probierte, landete das Geschoss auf halber Strecke auf dem Boden.
Nachdem ich ihn aufgrund dessen ein wenig aufgezogen hatte, gingen wir in die Küche. Er machte uns Gin Tonics. Wir tranken und redeten sehr viel. Ich war überrascht. Ich dachte, es würde bald zur Sache gehen, aber er machte keinerlei Anstalten und erzählte mir stattdessen von sich. Ich weiß nicht wieso, aber ich hätte ihn als nicht besonders ehrgeizig eingestuft. Ich erfuhr aber, dass er im Ingineurbereich studierte, Geschichte liebte und sich viel mit griechischer Mythologie beschäftigte. Er geht sogar alleine in Museen.
Entweder ist das eine sehr gute Masche verbunden mit einer perfekten Falle oder ein sehr verrückter Zufall. Ich war vor kurzem alleine im Stadtmuseum und es war toll, vielleicht sogar noch besser, als wenn ich in Begleitung dort gewesen wäre. Es gab wirklich jemandem in etwa meinem Alter, der das auch tat, anstatt zu Hause zu sitzen und Netflix zu schauen? Oder machen das mehrere und ich kenne einfach nur die falschen Leute?
Er erklärte mir, wie man Pasta richtig macht („I can teach you sometime if you want to“) und erzählte mir sogar Witze.
Als ich von meiner Arbeit in der Bibliothek redete, meinte er, er wolle einmal vorbeikommen, um dort böse Dinge mit mir zu tun.
Wir diskutierten über den besten Teil von Fluch der Karibik, die heißeste Schauspielerin und den heißesten Schauspieler. Wir redeten über griechische Mythologie, Schubladendenken darüber, ob meine letzte Beziehung gut oder schlecht endete. Dank des Alkohols erzählte ich es ihm.
Mittlerweile hatten wir unsere Gin Tonics geleert und waren zu Wein aus seiner Geburtsstadt übergegangen.
Erst Weißwein, dann Gin Tonic, dann Rotwein. Keine gute Kombi. Ich tat es trotzdem.
Er sagte, dass er tiefsinnige Gespräche mochte und fragte, ob es etwas gäbe, was mich belastete und worüber ich reden möchte. Ich erzählte ein wenig von meinen Zukunftsängsten.
Später wusste ich, dass das der Grund war, weshalb ich ihn plötzlich ganz nett fand.
Frauen kommunizieren, um Beziehungen zu schaffen. Frauen wollen sich verstanden fühlen.
Männer kommunizieren, um Probleme zu lösen. Männer wollen sich gebraucht fühlen.
Irgendwann kam sein Mitbewohner herein, wir redeten kurz, dann ließ er uns wieder allein.
Als ich meinen Wein austrank, fragte er mich, ob ich bleiben wollte und bot als Bestechungsmittel einen Pyjama oder ein T-Shirt sowie eine Zahnbürste an.
Ich fragte, wie vielen Mädels er das immer anbot, was er mit „No one“ beantwortete. Ich glaubte ihm nicht. So wie er aussah, nahm er wahrscheinlich jeden Abend eine Neue mit nach Hause.
Ich blieb.
Er gab mir eine Zahnbürste und ließ mich zuerst ins Badezimmer. Nachdem ich mehr oder weniger bettfertig gemacht hatte, ging ich in sein Zimmer, das hauptsächlich aus einem gigantischen Bett bestand, auf das er ein T-Shirt, das als mein Pyjama funktionieren sollte, gelegt hatte. Während er im Badezimmer war, zog ich mich um, legte meinen Schmuck ab und nahm sein Bett in Beschlag. Ich war an meinem Handy, als er wiederkam und begrüßte ihn mit den Worten:“I conquered your bed.“
Er ließ das nicht auf sich sitzen, beugte sich über mich und „kämpfte“ mit mir um sein Bett. Ich griff nach dem Kissen neben mir und schleuderte es gegen seinen (sehr schönen) Oberkörper. Er grinste leicht, beugte sich über mich und küsste mich. Wir machten rum und es ging ein wenig zur Sache, aber mehr ist auch nicht passiert. Es war ganz gut. Zwischen uns herrscht keine knisternde Anziehungskraft, wie ich es beispielsweise anfangs bei Eric hatte oder eine Chemie, wie sie zwischen Simon und mir herrschte. Vielleicht ist diese Anziehung auch nur da, wenn man Spannung aufbaut, was bei Pietro ja nicht wirklich der Fall war. Aber wir harmonierten ausgesprochen gut. Ich hatte die Oberhand nicht mehr, stattdessen begegneten wir uns – wie auch schon zuvor in unseren Gesprächen – auf Augenhöhe. Was mir glaub ich in der Hinsicht noch nie passiert ist. Er ist sehr männlich und das finde ich unglaublich attraktiv. Ganz zu schweigen von seinem schönen Gesicht. Das war das erste Mal, dass ich was mit jemandem hatte, der absolut absolut absolut mein Typ war. Highfive an mich selbst.
Dennoch muss ich vorsichtig sein. Da er so sehr mein Typ ist, tendiere ich vielleicht dazu, ihn zu verklären und sehe nur noch das, was ich sehen will. Ich muss rational bleiben.
Er ist nur noch zwei Monate in Deutschland.
Ich will keine Beziehung.
Er ist bestimmt nicht nur ein nachdenklicher Mann, sondern auch ein aufreißerisches Arschloch.
Es gibt viele andere, die zu hundert Prozent mein Typ sind.
Auch wenn wir so ganz gut verständigen können, trennt uns immer die Sprachbarriere.
Es steht in den Sternen, ob wir uns überhaupt wiedersehen.
Ich meine, ich hätte nichts dagegen. Aber würde ich ihm von mir aus schreiben? Ich kann es nicht sagen.
Vielleicht wäre es sogar besser, wenn es hier endet. Sonst bestünde die Gefahr, dass ich mich in etwas verrenne.
Andererseits...wir bereuen nur die Dinge, die wir nicht getan haben. Würde ich es bereuen, wenn ich ihm nicht schreiben würde?
Vielleicht.
Zurück zu dem was passiert ist. Wir sind kurz darauf schlafen gegangen und ich muss sagen, dass er mich sehr respektvoll behandelt hat. Bis auf ein kurzes Streicheln hat er mich nicht im Schlaf angefasst. Ich schlief ziemlich schlecht. Ich wachte immer mal wieder auf, weil ich total dehydriert war oder weil mir zu warm war. Irgendwann wachte er auf, weil auch ihm zu warm war. Er stellte fest, dass die Heizung voll aufgedreht war, drehte sie auf null und öffnete das Fenster. Die Aussieht auf seinen halb nackten Körper war sehr schön. :D Mein Wecker klingelte als ich mich gerade in einer Tiefschlafphase befand. Ich war so müde. Und verkatert. Er meinte, er hätte ebenfalls schlecht geschlafen. Er schien kein Morgenmensch zu sein, bot mir aber dennoch eine Tasse Tee an. Ich nahm sie an. Wir setzten uns in die Küche, tranken Tee und redeten noch ein wenig. Dann beschloss ich zu gehen. Ich musste arbeiten und davor noch in meine Wohnung, um mich umzuziehen und meine Sachen zu packen. Er kam noch mit raus vor die Tür, beschrieb mir den Weg zur U-Bahn und verabschiedete sich mit zwei Küssen auf die Wange.
Ich ging durch die nebeligen morgendlichen Straßen und versuchte zu verstehen, was passiert war.
Er war so was von mein Typ.
Aber war das unser letztes Treffen?
Sollte ich dafür sorgen, dass es nicht so war oder sollte ich warten, bis er sich meldet?
Ich meine, klar, er hat immer mal wieder Sachen gesagt wie „You can come over after your classes and I teach you how to cook pasta“ oder „I will come to your libary“ oder „If you need a massage you can come here“.
Aber: Mir scheint es sehr wahrscheinlich, dass er das nur so dahin gesagt hat oder mit der Intention, mir Honig ums Maul zu schmieren.
Wir haben zum Abschied nichts gesagt, ob wir uns wieder treffen oder nicht. Es ist also alles offen.
Ich fuhr heim, zog mich um und packte meine Sachen. Ich hatte keine Zeit mehr mein Makeup zu erneuern und wollte es auch gar nicht. Heute wollte nämlich ein Typ mit mir einen Kaffee trinken, den ich absolut abstoßend finde, der aber dermaßen hartnäckig und nervig war, dass er mich in die Ecke gedrängt hat und ich schließlich zusagte. Je weniger attraktiv ich an diesem Tag aussah, desto besser. Glücklicherweise hat der Typ den Kaffee wohl vergessen, weshalb ich umsonst hässlich zur Uni gegangen bin. :D
Gestern war ich wirklich ziemlich müde. Abends traf ich mich noch mit Chris. Wir gingen erst auf den Aussichtspunkt im Park, beobachten den nebeligen Sonnenuntergang über der Stadt und tranken Bier. Es war schön, mal wieder was mit ihm zu machen. Als es immer kälter wurde, beschlossen wir zu mir zu fahren. Wir tranken weiter Bier, aßen Nudeln und unterhielten uns. Gegen halb elf fuhr er heim und ich fiel einfach nur noch in mein Bett. Trotzdem stellte ich mir für morgens den Wecker. Ich ging laufen, packte meine Sachen und machte mich fertig. Nachdem ich ein wenig darüber nachgedacht hatte, was ich im Hinblick auf Pietro wollte, schickte ich in der Dusche eine Bestellung ans Universum. Dann war ich mit Nadja und Julia zum Mittagessen verabredet. Es war ganz schön.
Gerade muss ich wieder arbeiten. Mich juckt es in den Fingern, ein paar Zeilen über ihn zu schreiben, aber es wäre besser, das nicht zu tun. Morgen geh ich mit Ina frühstücken, darauf freue ich mich schon.

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