Mittwoch, 30. Oktober 2019
Like a white mercedes, always been running too fast
Ich: Will sein Schatten-Ich herausfinden, um die Oberhand zu haben.
Auch ich: Erzähle ihm Dinge, die ich sonst niemandem einfach so erzähle.
Klassisch. Applaus für mich.
Diesmal wollte ich wirklich pünktlich kommen. Ich war es auch, aber dann nahm ich die falsche Straße und kam somit doch zu spät. Er stand nicht draußen vor der Bar, deshalb rief ich ihn an. Er kam heraus, zwei Küsschen auf meine Wangen.
Wir gingen rein, die Bar war sehr voll. Es war Dienstag, was ist los mit den Leuten? :D Pietro erzählte mir, dass hier ziemlich viele Italiener wären. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Bar und zog mich an meiner Jacke näher zu sich. Oh. Direkt am Anfang.
Er:“How are you?“
Ich:“I‘m cold“ und legte meine eiskalten Finger an seinen Hals. Er zuckte nicht mal mit der Wimper, sondern erklärte mir, dass Italiener sehr stark wären.
Als wir Cocktails bestellt hatten, fing er direkt an mit ein paar Italienern zu quatschen. Ich verstand nur Bruchstücke, die ich aus dem Französischen oder Englischen ableiten konnte. Pietro machte anscheinend ein paar Witze. Die Leute lachten und auch er, Grübchen zeichneten sich auf seinen Wangen ab. Ich befand mich auf gefährlichem Terrain.
Relativ bald verabschiedete er sich von ihnen und führte mich in den hinteren Teil der Bar. Er erzählte mir, worüber er mit den Italienern geredet hatte (sie studierten an der selben mailänder Universität wie er) und meinte, ich sollte italienisch lernen.
Ich:“I should! You could teach me.“
Er:“I could teach you, of course!“
Er meinte außerdem, dass ihm die Italiener hier auf die Nerven gehen würden.
Wir standen an die Wand gelehnt und fingen an zu reden. Nach ein wenig Smalltalk über unseren jeweiligen Tagesablauf, redeten wir über ernstere Themen.
Zuerst redeten wir über das Studium.
Er:“So, you wanna be a lawyer one day?“
Ich:“Yes. But not the one who defends people. The one who puts them in jail.“
Er:“You like having the power?“
Ich:“It‘s not about power.“
Er:“Come on.“
Ich:“Okay, it‘s not only about power. I get so mad when something unfair happens. For example when people get away with a fine even though they did something very bad. Rapists tend to get a less hard punishment than people who didn‘t pay their taxes.“
Er:“In Italy, no one pays their taxes. You get away with it if it‘s the first bad thing you‘ve done. If it‘s not, you‘re gonna go to jail.“
Sehr interessant.
Wir fingen an über sein Studium zu reden. Ich wusste nicht, dass er im Raumfahrtbereich studiert. Er baut mehr oder weniger Raumschiffe. Er ließ anklingen, dass er nach mehr strebte.
Ich:“Do you wanna be an astronaut?“
Er:“Yeah. But it‘s very hard, you don‘t get in there easily. But if someone told me: tomorrow you‘ve got the chance to fly to the moon, I would take it. Even though there‘d be only a fifty percent chance I survived.“
Ich:“Really?“
Er:“Yes! Imagine standing on the moon and looking down to the earth. That must be so crazy. Would you ever do that?“
Ich:“No. I find the universe so interesting and I‘d love to be on the moon, but I‘m afaird of heights. And I heard the way up to the moon is not that comfortable.“
Er:“Are you afraid of airplanes?“
Ich:“No.“
Er:“Then you could manage being in a space shuttle.“
Ich:“I don‘t think so. I heard it‘s pretty rough. I would be too afraid to do it.“
Irgendwie kamen wir auf das Thema Ehe zu sprechen. Er meinte, dass er nicht an das Konzept Ehe glaube. Nach der Flitterwochenphase trete der Alltag ein und man akzeptiere es einfach nur wie es sei, ohne das man es richtig wolle.
Er:“Why do people even get married?“
Ich:“So they don‘t die alone.“
Er verstand den Punkt, meinte aber, dass er trotzdem eher an Polygamie glaube.
Ich glaube an beides. Ich sehe ein paar (wenn auch wenige) Beispiele, bei denen das Prinzip der Ehe sehr gut funktioniert. Andererseits entwickelt sich der Charakter ja ständig. Wer kann garantieren, dass der Charakter des Partners sich in die selbe Richtung entwickelt? Damit das funktionieren kann ist wahrscheinlich eine Menge an Kommunikation, Verständnis und Akzeptanz nötig. Kann oder sollte man diese Zeit nicht eher für sich nutzen? Wir sind doch nicht auf der Welt, um so viel Zeit an jemand anderen zu verschwenden.
Kurz darauf kamen wir auf Seelenverwandte zu sprechen.
Er fragte mich, ob ich daran glaubte.
Ich glaube an Seelenverwandte, wenn es um andere geht. Wenn es um mich geht, bin ich ein wenig skeptisch. Da mein Charakter teilweise in sich sehr widersprüchlich ist, könnte das einige Probleme erzeugen und bisher hab ich noch niemanden getroffen, der mir in dieser Hinsicht ähnlich ist.
Als ich die Frage an ihn zurückgab, verneinte er.
Ich:“Why? Have you been disappointed?“
Er:“Yes.“
Hallo Klischee, wie geht‘s?
Er fragte, wie lange meine längste Beziehung ging. Seine ging zwei Jahre, dann noch ein weiteres Jahr on-off. Er meinte, dass aber nur das erste Jahr schön gewesen wäre.
Er fragte mich, ob ich bereit für eine neue Beziehung wäre. Ich verneinte mit der Erklärung, dass ich erst die beste Version meiner Selbst sein müsse, bevor ich wieder eine Beziehung eingehen würde.
Er:“So you‘re not looking for something serious?“
Ich:“No.“
Wir kamen auf Orte zu sprechen, an denen der Prozess der Verschmelzung statt gefunden hatte. Er hat es ernsthaft in einem Flugzeug und im Pool eines öffentlichen Schwimmbads getan. Er fügte hinzu, dass Italiener da wohl sehr liberal seien und es nicht direkt anzeigen würden, wenn sie es bemerken.
Er kam auf meinen Job zu sprechen und die Dinge, die er gerne mit mir in der Bibliothek machen würde.
Er hatte bereits seinen Gin Tonic ausgetrunken und ich kippte gerade den letzten Schluck meines Wodka Bulls runter.
Er:“Come on, let‘s drink some wine at my place.“
Er führte mich durch die Menge, hielt mir die Tür auf und steuerte auf seine Wohnung zu, die in der selben Straße wie die Bar lag.
Wir sprachen ein wenig über die unterschiedlichen Straßenverkehrsregeln oder eher die unterschiedliche Interpretation davon in Deutschland und Italien.
Nach ein paar hundert Metern standen wir bereits vor seiner Haustür. Er sperrte sie auf und wir gingen in den ersten Stock. Nachdem wir uns unserer Schuhe und Jacken entledigt hatten, gingen wir in die Küche. Er holte eine Flasche Rotwein aus dem Kühlschrank und schenkte uns ein.
Wir tranken Wein und redeten echt viel.
Ich konnte nicht widerstehen. Ich fragte nach seinem Schatten-Ich.
Ich:“What‘s the greatest compliment you‘ve ever recieved?“
Er erzählte mir, dass ein Freund von ihm Depressionen hat. Als es diesem richtig schlecht ging, war Pietro für ihn da und er sagte ihm, dass er ein sehr guter Freund wäre.
Er fragte nach meinem. Vorbereitet auf diese Frage, erzählte ich ihm von dem zweitbesten Kompliment, das ich jemals bekommen hatte. Ich wollte nicht, dass er mein Schatten-Ich kannte.
Ich erzählte davon, dass mir ein achtjähriger Junge letztes Jahr gesagt hat, ich wäre so cool wie Hermine in Harry Potter (obwohl er sonst alle Mädchen doof fand).
Wir redeten ein wenig über Harry Potter und er fand Hermine nicht ansatzweise so cool wie ich. Er fand sie zu eingebildet und arrogant. Ich liebe sie.
Wir sprachen über Familie. Er scheint absolut kein Familienmensch zu sein. Er meinte, sie bedeute ihm schon viel, aber er vermisse sie nicht. Aus Italien vermisse er lediglich das Essen und seinen Hund.
Wir redeten über Orte, zu denen wir gerne reisen würden und machten Witze darüber, dass wir mal zusammen wegfahren sollte.
Dann fingen wir an über Musik zu reden. Er zeigte mir seine Playlist und sein Lieblingslied, „Wish you were here“ von Pink Floyd, weil er das als sechzehnjähriger immer auf der Gitarre gespielt hatte. Er fragte nach meinem. Angetrunken, wie ich bereits war, erzählte ich es ihm. „Figure me out“ von the Summer Set, weil es meinen Charakter ganz gut beschreibt. Warum sagte ich ihm das?
Glücklicherweise erzählte ich ihm nichts von „Love Story“. Er machte das Lied an und ich fühlte es.
Er hörte Musik von Fabrizio de André und plötzlich kamen wir auf schmutzige Songs zu sprechen. Ich zeigte ihm erst eine unschuldige Version, „Close my eyes“ von Hey Violet. Dann die harte Version, „Whoregasm“, welche mit zum Erröten brachte, als ich sie zum ersten Mal hörte.
Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob Folgendes vor oder nach unserem Gespräch über Musik passierte. Ich weiß auch überhaupt nicht mehr, wie wir darauf gekommen sind. Ich glaube, wir redeten über BHs. Er meinte irgendetwas davon, dass ich nackt sein solle. Ich erklärte mich natürlich nicht einverstanden. Er sagte, dass er im Gegenzug dafür auch nackt sein würde. Ich glaubte ihm nicht, deshalb zwang ich ihn zu einem Pinky Promise. Er wusste nicht, was das war, befolgte aber meine Anweisungen. Dann zog er seinen Pulli aus. Ein sehr schöner Anblick. Ich zierte mich ein wenig, es ihm nach zu tun. Aber als er sogar die Jalousie für mich schloss, damit die Nachbarn nichts sehen würden, kam ich nicht darum herum. Er trat hinter mich, zog mir mein Shirt über den Kopf und öffnete meinen BH. Dann saßen wir oben ohne in seiner Küche, tranken Wein und redeten. Sein Blick war von da an nicht immer auf mein Gesicht gerichtet. Er räumte die Flasche Wein zurück in den Kühlschrank und ich bemerkte, wie er ein wenig ungeduldig wurde. Er fragte, ob ich bleiben würde.
Ich:“Are you gonna steal another toothbrush from your roommate for me again?“
Er:“I still have the one you used the last time.“
Ich:“What? Are you keeping all the toothbrushes of all the girls that come here?“
Er:“No, I don‘t.“
Ich glaubte ihm nicht. Er ging mit mir ins Bad und holte die Zahnbürste aus seinem Kulturbeutel. Dann ließ er mich alleine. Ich konnte nicht widerstehen: Ich sah nach, ob in dem Kulturbeutel noch andere Zahnbürsten waren. Ich fand keine. Das scheint ein sehr ausgefuchster Plan zu sein. Er schien auch eine ordentliche Portion Selbstvertrauen zu haben, dass ich wieder bei ihm übernachten würde.
Einerseits konnte ich ihn mittlerweile ein wenig besser einschätzen, andererseits wurde ich überhaupt nicht schlau aus ihm.
Ich machte mich bettfertig und betrat sein Zimmer. Er lag auf dem Bett. Als ich meine Sachen ablegte, stand er auf und schlang von hinten die Arme um mich. Wir fingen an rumzumachen. Es war ziemlich heiß. Er ist sehr männlich und das finde ich unglaublich sexy. Dennoch spürten wir beide den Alkohol in unserem Blut, weshalb wir es irgendwann sein ließen. Danach lagen wir nackt nebeneinander und fingen plötzlich an Deep Talk zu machen.
Er redete wieder ein bisschen über seine Familie. Er erzählte mir von seinem Hund und seiner Katze. Er war ein Hundemensch, ich ein Katzenmensch. Er fragte nach, was wohl der einzige Grund war, weshalb ich ihm ein wenig Einblick in einen sehr persönlichen Teil meiner Familie gab. Ich redete nicht mal mit meinen Freunden darüber, was war los mit mir. Der Alkohol schien meine Zunge gelockert und ich schien vergessen zu haben, dass jede persönliche Information gegen einen verwendet werden kann. Wir redeten sehr lange, er berührte stets meine Schulter mit seinen Lippen. Er war so heiß.
Irgendwann beschlossen wir schlafen zu gehen. Er hatte mich bereits gewarnt, dass er manchmal im Schlaf reden würde. Letztes Mal ist mir nichts aufgefallen. Als ich einschlief spukte mir Charli XCX‘ „White Mercedes“ durch den Kopf.
Ich war im Halbschlaf, ich dachte, er wäre es ebenso, denn er fragte:“Are you okay?“
Verschlafen murmelte ich:“Yeah. Are you?“
Er:“Yes.“ Dann murmelte er etwas, was ich nicht verstand.
Ich:“What?“
Er:“Paint the town.“
Ich:“I don‘t get it.“
Er:“You know the people who paint the town by spraying?“
Ich:“Yeah.“
Er:“They‘re really brave.“
Ich fing leise an zu kichern. Er schien nicht ganz bei Sinnen zu sein.
Irgendwann in der Nacht murmelte er auch ein paar italienische Wörter, die ich nicht verstand.
Ansonsten schlief ich besser als letztes Mal. Ich wachte zwar ein paar Mal auf und hatte auch sehr leichte Halbschlafphasen, aber abgesehen davon schlief ich gut. Dieses Mal schliefen wir Seite an Seite. Ein Mal spürte ich, wie er kurz über meine Haare strich. Er war wieder ziemlich respektvoll. Er fasste mich nicht an, obwohl ich merkte, dass er sich zurückhalten musste. Ich hatte ihm erzählt, dass ich kuscheln nicht mögen würde (ich muss meinem Körper vor Oxytocinausschüttungen bewahren) und er respektiert das sehr.
In der Morgendämmerung wachte ich auf und betrachtete sein schönes Gesicht. Er schien überhaupt keine Poren zu haben, was ich wirklich unfair fand. :D
Als sein Wecker klingelte, war ich nicht bereit. Er zog (mit einem kurzen Blick darunter) die Decke über uns zurecht und begrüßte mich mit „Hey, naked Lady“.
Ich erzählte ihm, was er ihm Schlaf gesagt hatte und musste sehr lachen, als er mir erzählte, dass er sich an nichts davon erinnern konnte.
Er:“Don‘t laugh at me!“ und kitzelte mich, woraufhin ich nur noch mehr lachen musste.
Ich wollte nicht aufstehen. Ich wäre echt noch gerne neben oder eher unter ihm und seinem schönen Körper liegen geblieben, aber die Arbeit rief. Wir hatten erst Probleme meine Unterwäsche wieder zu finden, aber schließlich entdeckte er sie. Ich ging kurz ins Bad, richtete mich einigermaßen passabel her. Ich zog meine Jacke und meinen Schal an. Er verabschiedete sich mit zwei Küsschen auf meine Wangen und den Worten „See you in the libary“. Ich ging zu „I forgot that you existed“ und „Cruel summer“ durch die morgendlichen nebligen Straßen und prozessierte den Verlauf seit letzter Nacht. Ich fand unseren Abschied immer ein wenig kühl. Vielleicht ist kühl das falsche Wort. Der Abschied ist immer offen, weil wir nie darüber reden, ob wir uns wiedersehen.
Ich würde ihn gerne wiedersehen.
Es ist keine gute Idee, das weiß ich. Aber scheinbar liebe ich den Schmerz. Ich liebe es darüber zu schreiben. Trotzdem würde es mir gut tun, mal wieder feiern zu gehen, andere Leute kennenzulernen. Ich möchte mich nicht auf ihn versteifen und auf gar keinen Fall will ich an Silvester die Feuerwerke im Himmel explodieren sehen und an ihn denken.
Ich bewege mich auf gefährlichem Terrain und ich liebe es.

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