Mittwoch, 16. Oktober 2019
You don't own me, don't tie me down 'cause I'd never stay
Was ist gestern Abend passiert?
Ich hatte meinen ersten Unitag, der soweit richtig gut war. Ich hab richtig viele nette Leute wieder getroffen, am späten Nachmittag hab ich noch was mit Toni und Max gemacht. Nachdem ich noch eine Stunde gearbeitet hatte, fuhr ich heim, kochte etwas und machte mich fertig.
Ich hab vor ein paar Wochen meine Nachbarin, Maria aus Spanien kennengelernt, als sie eine Hausparty schmiss. Da unsere Gegend ansonsten von introvertierten Nerds bevölkert ist, fand ich es so cool, dass jemand eine Party veranstaltete. Also ging ich mit Ina und Vroni rüber und wir freundeten uns mir ihr an. Ich ließ mir direkt ihre Nummer geben, unter keinen Umständen würde mir dieses Mädel durch die Lappen gehen. :D
Ich schrieb sie am nächsten Tag an und wir beschlossen, dass wir uns treffen würden, sobald sie von ihrem Besuch bei ihrem Freund aus England zurück war. Gestern war es dann so weit. Wir trafen uns noch mit anderen Leuten, die Maria alle aus ihrem Sprachkurs kannte. Zuerst gingen wir in eine Bar in der Nähe. Die Leute waren so nett und ich hatte endlich mal das Gefühl auf etwas Neues zu treffen. Wir tranken Bier und unterhielten uns gut, danach gingen wir in eine Karaokebar. Ich war noch nie in einer Karaokebar, ich wusste nicht einmal, dass es in dieser Stadt eine gab.
Die Bar war wirklich cool. Die Lieder, die gesunden wurden, waren genau meine Musik und es waren Menschen aus allen Möglichen Ländern vor Ort. Später erfuhr ich dann, dass ich hier auf einer Austauschparty gelandet war und wahrscheinlich die einzige Deutsche war. :D Wir hatten eine gute Zeit. Ich sah einen Typ, den ich richtig gut fand und hatte kurz Augenkontakt mit ihm. Wir alle wissen, wie schlecht ich darin bin, Augenkontakt zu halten, weshalb wir uns alle denken können, wie kurz der Kontakt war. Mit Augenkontakt würde ich ihn nicht bekommen. Also versuchte ich es mir Shallons Tipps.
Eine gute Zeit haben. Das musste ich nicht vortäuschen. Die hatte ich. Dementsprechend war auch meine Ausstrahlung und ich lachte viel.
Dann achtete ich auf meine Körperhaltung, insbesondere auf meine Schultern.
Zuletzt hob ich mein Kinn ein Stück höher, als es mir angenehm war.
Irgendwann ging ich zur Bar und kaufte mir ein Bier. Ich stand ein wenig abseits vom Rest der Gruppe, trank mein Bier und genoss die Musik. Ich wusste nicht, was bei den anderen gerade abging, aber Maria und Frederik schilderten es mir so:
Die spanische Maria hatte auf ihrer Hausparty mit dem spanischen Oskar rumgeknutscht, weil sie sehr betrunken war. Ihre britische Freundin Sally stand aber auf Oskar, weshalb sie das nicht erfahren durfte. Maria beschloss an dem Abend in der Karaokebar erneut mit Oskar rumzumachen, „because he‘s good looking“ und Sally bemerkte es. Der norwegische Frederik, der oft der Vermittler zwischen allen war, berichtete, dass Sally ein wenig angepisst war und Oskar einen „dick“ nannte, was Frederik bestätigte. Frederik steht aber auch auf Maria, die aber weiterhin mit Oskar rummachen will, obwohl sie weiß, dass es keine gute Idee ist, da sie sehr schnell Gefühle für jemanden entwickelt. Noch dazu ist ihre Trennung von ihrem Freund, mit dem sie sogar zusammen gewohnt hatte, erst eine Woche her und sie ist noch ziemlich verletzlich. Marias Freundin aus Israel, deren Namen ich vergessen hatte, sang währenddessen „Lean on“. Es war sehr dramatisch.
Währenddessen spürte ich, wie mir jemand auf die Schulter tippte. Ich drehe mich um. Es war der Freund von dem heißen Typ.
Fuck. Der Scheiß funktioniert wirklich.
Er stellte sich mir als „Housan – half Italien, half Turkish“ vor und wir quatschten ein bisschen. Er fragte, wo meine Freunde wären. Ich erklärte ihm, dass sie kreuz und quer in der ganzen Bar verteilt waren und gab die Frage an ihn zurück. Er deutete auf seinen Freund – den heißen Typen -, der hinter ihm stand und auf seinem Handy rumtippte, und fragte, ob er mir ihm vorstellen sollte.
Hölle ja.
Wieso war das auf einmal so einfach?
Normalerweise beobachte ich Typen, die ich gut finde, nur aus der Ferne und wende schnell den Blick ab, wenn wir Augenkontakt haben. Dadurch entsteht unweigerlich der Eindruck, dass ich nicht interessiert wäre und die schönen Typen bleiben ewige Fremde für mich.
Diesmal nicht.
Wir gingen zu ihm rüber, er stellte sich mir als Pietro aus Italien vor.
Fuck.
Im Ernst?
Er war so was von mein Typ.
Wir redeten zu dritt ein wenig über dies und das und kamen plötzlich auf unanständige Themen.
Er meinte, dass die deutschen Mädels, die er bisher geküsst hatte, nicht gut küssen konnten und das konnte ich nicht glauben. Die Mädels, die ich geküsst hatte, waren nämlich Naturtalente. Es waren eher die Typen, die es nicht so drauf hatten.
Wir debattierten ein wenig darüber und schließlich schlug er vor, dass wir beide uns küssen sollten „just for science“ (bitte stellt euch dieses englisch mit einem wunderbaren italienischen Akzent vor). Mir war klar, was er wollte und erst zierte ich mich ein wenig. Aber ich wollte ihn auch und er sollte mir auf keinen Fall durch die Lappen gehen. Ich drückte Houssan meine Jacke in die Hand, stellte mein Bier ab, legte ihm eine Hand um den Nacken und küsste ihn.
Ich darf ihn nicht verklären, nur weil er mein Typ ist, also versuche ich rational zu bleiben:
Er war ganz gut, aber es war nicht der beste Kuss meines Lebens (Hust, Alex, Hust).
Als wir fertig waren, fragte er, was ich ihm auf einer Skala von eins bis zehn geben würde.
Ich wollte sein Ego nicht gleich boosten, deshalb antwortete ich:“Seven.“
Er konnte nicht glauben, dass ich ihn nicht besser bewertete, da er meine Kusstechnik mit einer „Nine“ versah.
Wir quatschten wieder viel, dann gingen wir raus, weil die beiden rauchen wollten. Mein Bier war mittlerweile geleert und ich spürte es ein wenig – da ich wieder ziemlich viel Scheiße redete. :D Aber es war wirklich lustig.
Als wir wieder reingingen, kaufte Pietro eine Runde Rum an der Bar. Ich wusste, dass es keine gute Idee war, aber ich tat es trotzdem. Mir war klar, dass sie mich mehr oder weniger abfüllen wollten, um zu erreichen, dass ich mit ihnen nach Hause ging. Aber ich war vorsichtig. Pietro saß auf einem Barhocker, als er mich an sich zog, um mich erneut zu küssen. Er versuchte mich zu überreden, mit ihm nach Hause zu gehen, aber ich blieb standhaft. An einem anderen Abend bin ich das vielleicht nicht. Er fragte nach meiner Nummer, ich gab sie ihm. Wir knutschten noch ein wenig rum und ich wollte ihn wirklich. Diese ganzen schmutzigen Sachen, die er mir sagte, klangen so sexy mit seinem italienischen Akzent.
Ich hab wirklich eine Schwäche für diese Landsmänner.
Als das letzte Lied gesungen wurde, fragte ich den schwulen Spanier, dessen Namen ich ebenfalls vergessen hatte und dessen Gesicht wunderschön war, wo Maria war. Er meinte, dass sie schon gegangen wäre, weshalb ich ihn fragte, ob wir zusammen zur U-Bahn gehen wollten. Er sagte zu. Ich umarmte Houssan zum Abschied und wollte dasselbe bei Pietro machen. Er aber wehrte meine Umarmung ab und küsste mich. Ach. Er ist so männlich. :D
Es waren dann doch noch relativ viele aus unserer Gruppe da und gemeinsam gingen wir zur U-Bahn. Ich freundete mich mit einem dänischen Medizinstudenten an, der sich die ganze Zeit über mich lustig machte, aber ansonsten sehr nett war. Plötzlich tauchte auch Maria auf. Von ihr und Frederik erfuhr ich, was sich abgespielt hatte. Sie und Oskar hatten in einer dunklen Ecke rumgemacht, weshalb alle dachten, sie wäre schon gegangen.
Zusammen fuhren wir nach Hause. Frederik musste noch eine Station weiter. Ihn hab ich richtig ins Herz geschlossen. Und er hat die weichsten Haare, die ich jemals berührt habe. :D Zudem hat er mir die Erlaubnis gegeben, dass ich seine blonden Engelslocken jederzeit anfassen dürfte. Er ist mir direkt sympathisch. :D Maria und ich gingen im strömenden Regen nach Hause. Es war wirklich ein schöner Abend, auch wenn ich nicht gedacht hätte, dass er so verläuft.
Ich hörte noch Musik und schminkte mich ab. So hätte ich mein Leben schon vor drei Jahren leben sollen. Es fühlt sich richtig an.

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