Samstag, 26. Oktober 2019
Yeah girl I want you to be happy
Ein Thema, das mich seit einer Weile beschäftigt und hinsichtlich dessen ich eine Entscheidung getroffen habe: Naomi.
Ich kenne Naomi bereits seit ich vierzehn bin. Unsere Freundschaft hat mit einem simplen, aber ehrlichen Kompliment über ihre Jacke begonnen.
Sie war mein Fels, als ich als Einzige in einer neue Klasse kam, in der sich bereits lauter Cliquen gebildet hatten.
Sie war ganz anders als ich: Offen, selbstbewusst, provozierend, frech, rebellisch, unvernünftig.
Schon damals hörte ich, dass unter anderem Lehrer sagten, dass sie mir gut tue. Sie lockte mich ein wenig aus meiner introvertierten Reserve, auch wenn ich natürlich nach wie vor zurückhaltend blieb. Andere wiederum sagte, sie lenke mich vom Unterricht ab.
Ich erinnere mich daran, wie sie in der achten Klasse mit Stiefeletten, einer Strumpfhose voller Laufmaschen und einer so kurzen Shorts, dass man ihren Poansatz sehen konnte, in die Schule kam und unsere damalige Englischlehrerin sie zurück ins Internat geschickt hatte, um sich umzuziehen. Naomi kam mit einer langen schwarzen Hose, einer hochgeschlossenen weißen Bluse zurück und hatte sogar ihre Haare zu einem braven Zopf geflochten. Alles reine Ironie, um die Lehrerin zu provozieren, aber diese wollte entweder nicht darauf eingehen oder hat es nicht als solche empfunden.
Ich erinnere mich daran, wie sie zusammen mit Nathalie eine Ratte (Dope) als Haustier in ihrem Zimmer hielt, obwohl das laut Vorschrift verboten war. Naomi tat so ziemlich alles, was verboten war. Sie rauchte, sie kiffte, sie trank. Sie kletterte über Zäune, um mit 15 Jahren in Clubs, die ab 18 Jahren waren, zu tanzen. Sie schrieb einem Typ, mit dem sie mal was hatte, Nachrichten ins Gefängnis. Sie knutschte regelmäßig mit Nathalie im Schulflur rum, auf sehr provokante und Aufmerksamkeit erregende Weise. Sie war im Unterricht meistens auf Facebook unterwegs, wo sie sehr freizügige Bilder postete oder las Bücher.
Ich erinnere mich daran, wie ich zusammen mit ihr, Nathalie und Annalena in deren Zimmer zu "Whistle" tanzte, als es neu rauskam. Ich weiß noch, wie sie oft eifersüchtig auf Nathalie, ihre beste Freundin, war, weil diese von Jungs oft bevorzugt wurde. Ich erinnere mich an den Tag, als sie Julius im Unterricht eine Flasche an den Kopf warf. Ich erinnere mich an den Tag, als sie nicht zur Schule kam, weil ihr Opa, der wie ein Vater für sie war, gestorben war. Ich erinnere mich, wie wir unser Musikreferat auf ihren Wusch hin über Skrillex machten, der damals mehr oder weniger unbekannt war.
Ich erinnere mich, als sie die Schule wechselte und wir mehr und mehr den Kontakt verloren. Ich versuchte daran festzuhalten, aber Verlässlichkeit war noch nie Naomis Stärke. Als ich 16 Jahre alt war, hatten wir wieder ein wenig Kontakt und trafen uns in der Stadt. Wir aßen Frozen Joghurt und schlenderten durch die Einkaufsstraße. Ihr Gesundheitszeugnis, das sie für die Schule brauchte und lose in ihre Tasche gesteckt hatte, fiel unbemerkt heraus. Plötzlich hörten wir hinter uns Stimmen, die uns darauf ansprachen. Wir drehten uns um und wer hielt das eingerollte Zeugnis in der Hand? Nihads bester Freund. Nihad war ebenfalls von der Partie. Ausgerechnet kurz nachdem ich ihm gesagt hatte, dass ich keine Beziehung wolle. Es war ein wenig komisch und wir verabschiedeten uns bald, um wieder alleine zu sein.
Ich erinnere mich daran, wie Naomi wenige Wochen später einen Freund hatte und mich mehr oder weniger vergaß.
Ein paar Jahre später, ich glaube, im Herbst 2016, machte ich ein Foto von Flo und mir zu meinem Profilbild, woraufhin sie mich direkt anschrieb. Naomis größter Wunsch war bereits in der Schule gewesen, dass ich einen Freund habe. Wir schrieben ein wenig hin und her und beschlossen, uns zu treffen.
Es war schon Winter, als wir uns trafen. Ich erinnere mich, wie ich an ihrer Haltestelle, an der ich das letzte Mal vor fünf Jahren ausgestiegen war, ausstieg und mich nach ihr umsah. Ich entdeckte sie nirgends, erreichen konnte ich sie auch nicht. Plötzlich sah ich jemanden mit Hund auf mich zukommen. Es war sie. Sie hatte eine Haarmaske drin und trug deshalb eine Mütze mit Mauseohren. Wir gingen ein wenig spazieren, setzten uns auf eine Bank und redeten viel. Von da an hatten wir wieder mehr Kontakt. Wir trafen uns erneut, gingen Kaffee trinken, shoppen und redeten viel. Im Sommer gingen wir einmal feiern. Wir tanzen viel, sie fragte ständig:"Weiß Flo, dass du so tanzen kannst?" Wusste er es? Vermutlich nicht, er hatte jede Chance ausgeschlagen. Ich weiß noch, wie wir uns in dieser Nacht um vier Uhr morgens eine Straße vom Club entfernt in eine Türschwelle setzten und redeten. Sie meinte, sie sei sich nicht sicher, ob Flo wisse, dass ich so viele Facetten hätte. Die leisen Zweifel, die in mir schlummerten, wurden zum Leben erweckt. Sie stellte mir die ultimative Frage:"Liebst du ihn?"
Ich log sie an.
Nicht aus Böswilligkeit.
Sondern weil ich mich selbst ebenfalls belog.
Ich liebte ihn zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr und ich wusste es.
Aber mein Selbstwertgefühl war dermaßen zerstört worden, dass ich ihm weitere Chancen geben wollte. Unwissentlich, dass er mich seit mehreren Monaten betrog.
Anstatt wieder in den Club zu gehen, fuhren Naomi und ich zu ihr nach Hause, kochten Nudeln um fünf Uhr morgens und gingen dann schlafen. Einen so schönen Abend hatte ich schon lange nicht mehr gehabt. Sie tat mir gut.
Wir blieben in Kontakt, sahen uns aber nicht allzu oft.
Als ich im Herbst diesen Jahres erfuhr, dass Flo mich betrogen hatte, schrieb ich ihr sofort. Sie war gerade in den USA, rief mich aber am nächsten Tag sofort an. Auch sie war bei der "Mission Kotkrümel" eine Woche später dabei, schwarz gekleidet und mich einem persönlichen Geschenk von Jérôme. Ich erinnere mich daran, wie wir danach im Auto saßen und sie, als Deutschrappliebhaberin mir peinlich berührt sagte, dass sie Pietro Lombardis "Senorita" mochte. Wir redeten viel über das Ende meiner Beziehung, analysierten es zu Tode. Wir trafen uns ab und zu in einem Café, wenn ich Uni aus hatte und sie von ihrer Psychologin kam. Als ich sie einmal daheim besuchte, zwang sie mich zu essen, weil ich so dünn geworden war. Sie achtete nicht nur auf meine psychische, sondern auch auf meine physische Gesundheit. Sogar ihre Mutter fragte sie, ob alles okay bei mir war, da ich so dünn geworden war. Es war wahr. Meine Kniegelenke waren breiter als meine Oberschenkel, was für meine Statur nicht gesund war (und was ich selbst auch noch nie an mir erlebt hatte). Ich hatte keinen Appetit. Manchmal hatte ich das Gefühl, mich übergeben zu müssen, nachdem ich gegessen hatte. Ich drehte die Musik so laut es ging und machte Sport, einfach nur, um zu vergessen, dass er mich betrogen hatte. Mein stets rasendes Herz trug ebenfalls zu einem schnelleren Stoffwechsel bei und so verlor ich Kilo für Kilo. Ich habe nie absichtlich gehungert. Wenn es mir schlecht geht, wirkt sich das unweigerlich auf mein Essverhalten aus, ohne dass ich etwas dagegen tun kann.
Im Dezember kam Naomi mit Fabi zusammen, ich traf ihn zum ersten Mal auf Vronis Weihnachtsparty. Naomi war extra gekommen, um mich bei meinem Plan zu unterstützen, Flo so bald wie möglich begegnen zu wollen, einfach um das erste komische Aufeinandertreffen hinter mich zu bringen. Es sollte an diesem Abend im Club stattfinden, aber das tat es nicht. Bis auf unsere Gruppe und ein paar weitere Leute war niemand im Club. Seit dem hab ich nie wieder einen Fuß in diesen Club gesetzt.
An Silvester 2018 knutsche ich mit Lukas rum. Der beste Freund von Naomis bestem Freund. Wir hatten fünf Tage später ein Date, was eine sehr schlechte Idee war, weil ich nicht dazu bereits war und deshalb alles aus einer emotionalen, anstatt einer rationalen Sicht betrachtete. Naomi war Feuer und Flamme von der Idee, dass aus Lukas und mir möglicherweise ein Paar werden könne. Vielleicht hat mir diese Begeisterung nicht gut getan. Ich beendete den Kontakt, als Felix von unserer Knutscherei erfuhr und völlig ausrastete. Auch diese Situation analysierte Naomi zu Tode.
Im Frühling und Sommer wurde die Beziehung zwischen Naomi und Fabi ernster und ich geriet wieder in den Hintergrund.
Ich war es schon so von ihr gewohnt, deshalb war es nicht so schlimm für mich.
An meinem 21. Geburtstag schaute sie nur kurz vorbei, weil sie noch zu einem Familientreffen mit Fabi musste.
Im Dezember erhielt ich einen Anruf von ihr, dass Fabi sie betrogen hatte. Ich wollte ebenso für sie da sein, wie sie für mich dagewesen ist. Ich versuchte, mich oft mit ihr zu treffen, viel mit ihr zu reden und hoffte, dass es half.
Wir gingen viel feiern, ich hatte womöglich einen der besten Clubabende meines Lebens.
In März und April zog ich mich sehr von all meinen Freunden zurück. Ich hatte eine meiner bisher introvertiertesten Phasen. Auch von Naomi zog ich mich zurück, die gerade im Urlaub war.
Naomi und ich könnten charakterlich nicht unterschiedlicher sein. Deshalb verstand sie es auch überhaupt nicht, warum ich mich so zurückzog. Sie ist nicht unbedingt ein introvertierter Mensch. Dieses Verhalten nahm sie mir ein wenig übel. Ich wollte ihr es mal persönlich erklären, aber dazu kam es nie. Es folgte ein Semester voller Prüfungen, Semesterferien in denen ich meine Seminararbeit schrieb und ein Praktikum machte. Noch dazu war Naomi auch viel unterwegs. Und: Sie hatte einen neuen Freund. Dementsprechend war ein Treffen mit mir nicht unbedingt unter ihren Prioritäten. Sie tat was sie immer tut: Sie konzentrierte sich voll und ganz auf ihre Beziehung und schob mich in den Hintergrund. Was mich früher sehr verletzt hatte, war mittlerweile normal und vorhersehbar für mich geworden. Auch wenn sie nach jeder Beziehung beteuerte, dass sie es das nächste Mal anders machen würde: Sie tat es nicht. Ich fand mich damit ab, eine Art On-Off-Freundschaft mit ihr zu führen. Vielleicht benutzen wir uns gegenseitig.
Naomi hat mir in vieler Hinsicht, vor allem nach dem Ende meiner Beziehung, sehr gut getan. Sie zeigte mir eine neue Seite des Lebens, brachte mich dazu Dinge zu hinterfragen und holte meine emotionale, sensible Seite mehr zum Vorschein. Sie ist einer der lustigsten Menschen, die ich kenne. Mit ihr wird es nie langweilig.
Dennoch gab es aufgrund unserer charakterlichen Unterschiede ein paar Reibungspunkte.
Ich würde mich als mehr oder weniger zuverlässigen Menschen bezeichnen. Ich liebe es zu planen und bin dementsprechend selten spontan.
Naomi dagegen, handelt komplett danach wie sie sich fühlt. Infolgedessen schmeißt sie Pläne oft total über den Haufen. Und nicht nur, wenn es um Kleinigkeiten, wie in der Stadt einen Kaffee zu trinken geht. Als sie und Fabi eine Beziehungspause hatten, brauchte Naomi jemanden, der mit ihr anstelle von Fabi in den bereits gebuchten Urlaub fuhr. Sie fragte mich. Ich nahm mir von der Arbeit frei, plante alles neu und hatte mich darauf eingestellt, ein paar Tage mit ihr in Italien zu verbringen. Ich wollte nicht, dass sie umsonst zahlen musste. Einen Tag vor Abfahrt schrieb sie mir, dass daraus nicht werde, weil sie auf Fabis Vorschlag hin den Urlaub storniert hätte. Trotz der dadurch anfallenden Gebühren. Ich verstand sie natürlich. Andererseits kam das ganze sehr spontan und in einer zweizeiligen Whatsappnachricht. Das war überhaupt nicht mein Fall.
Auch wenn wir uns oft einfach so treffen wollten und das lange im Voraus ausgemacht hatten, sagte sie des Öfteren ab. An sich habe ich damit kein Problem, es kann immer mal etwas dazwischen kommen. Naomi tat es aber nur, weil sie gerade keine Lust hatte oder sich nicht so fühlte. Ein absoluter Sturm und Drang Mensch. Mit der Uni, der Arbeit und sonstigen Verpflichtungen ist mein Terminkalender alles andere als leer und dementsprechend enttäuscht war ich immer, wenn ihre Absage kam, obwohl ich mir extra für sie Zeit genommen hatte.
In der Hinsicht versuche ich vielleicht eher danach zu handeln, was richtig, verantwortlich und verlässlich ist, nicht danach, wie ich mich gerade fühle. Ich sagte nicht, dass eine Art besser oder schlechter ist, lediglich, dass wir uns hier sehr unterscheiden.
Vor allem im Frühling dieses Jahres kamen ein paar Äußerungen von ihr, die mich sehr zum Nachdenken brachten. Ausgerechnet sie, die früher Outfits in die Schule anzog, von denen eins freizügiger war als das andere, und die regelmäßig Fotos von ihren (süßen, aber nackten) Arsch in sozialen Netzwerken postete, kritisierte plötzlich meine Kleidung. Es fing mit Outfits an, die ich zum Feiern trug. Klar, zog ich keinen Kartoffelsack an, aber so sexy waren die meiner Meinung nach auch nicht. Ein kleines bisschen darüber. Sie sagte oft, das wäre zu viel oder zu sexy, meist ohne dass ich sie nach ihrer Meinung gefragt hätte. Manchmal hatte sie einen leicht abschätzigen Blick drauf, was mich verunsicherte. Ich war gerade dabei, selbstbewusster zu werden und das war überhaupt nicht hilfreich. Ich weiß, dass sie das vermutlich nicht böswillig tat, sondern lediglich aus dem Grund, dass sie IMMER ihre Meinung bzw. das sagt, was sie denkt. Sei es positiv oder negativ. Sie ist ein sehr ehrlicher Mensch.
Stellte ich eine Bedrohung für sie da?
Sie erzählte mir nämlich, dass sie ihren besten Freund gefragt hatte, wen von uns er besser fände. Etwas, was ich nie tun würde. Wozu? Ich brauch diese männliche Bestätigung nicht.
Als wir einmal unter anderem mit Ina und Vroni feiern waren und danach bei mir übernachteten, betrachtete sie mich mit einem leicht kritischen Blick, als ich in meinem Schlafanzug die Treppe herunterging:"Schatz, ist die Hose nicht ein bisschen kurz?"
Es waren ganz normale Short. Zum SCHLAFEN. Da ist es doch vollkommen egal, wie kurz oder lang etwas ist. Es muss lediglich bequem sein.
Als ich einmal auf ihre Frage, ob ich gerne eine Beziehung haben möchte antwortete:"Nein, ich möchte erst einmal mein Singleleben genießen", sagte sie ein wenig zynisch:"Ja, dann mach's aber auch richtig."
Naomi ist in sexueller Hinsicht ein sehr offener Mensch. Wenn sie Single ist, schläft sie gerne mit mehreren Leuten, schreibt mir irgendwelchen Typen und datet Männer, die sterbenslangweilig findet zum bloßen Zeitvertreib.
Wie man schon erahnen konnte, bin ich wieder komplett anders. Die oberste Priorität nach meiner Trennung war, mich selbst wieder zu finden und zu lieben. Es hat lange gedauert und ist vielleicht immer noch ein Prozess. Als ich mit Lukas rummachte, war ich noch nicht ansatzweise bereit dafür. Erst später, im Juli oder August folgenden Jahres, knutsche ich wieder mit jemandem rum, weil ich inzwischen gefestigter war. Gedatet hab ich (zumindest bewusst) niemanden, auf Tinder und co bin ich ebenfalls nicht unterwegs und die Typen, mit denen ich ein wenig weiter als knutschen ging, lassen sich an einer Hand abzählen. Einen Mann in meinem Leben zu haben ist für mich keine Priorität, für Naomi schon. Deshalb haben wir unterschiedliche Vorstellungen von einem erfüllten Singleleben, aber ich würde ihre Art es auszuleben nie verurteilen. Es gibt kein richtig oder falsch. Jeder sollte das tun, womit er sich wohl fühlt. Ich bin nicht der Typ dafür, mehr oder weniger belanglos mit vielen Kerlen ins Bett zu steigen. Dafür bin ich zu paranoid, zu vorsichtig.
Ihre kritischen Worte trafen mich ein wenig und ich dachte viel darüber nach. Zuerst suchte ich das Problem bei mir. Warum reagierte ich so übertrieben darauf? War ich einfach zu sensibel?
Ich redete im Sommer mit Macy darüber und sie erklärte mir, dass ich nicht die Schuld bei mir suchen solle. Ich fühle nun einmal wie ich fühle. Sie sah es ebenso, dass es Naomi nichts anging, was ich trug. Macy ist in der Hinsicht sehr viel liberaler.
Ich verstehe, dass Naomi ein ehrlicher Mensch ist. Aber meiner Ansicht nach ist es in vielen Fällen besser, die Klappe zu halten, wenn man nichts Nettes zu sagen hat, anstatt Menschen zu verunsichern.
Kurz darauf kam Naomi mit einem neuen Typen zusammen. Ich kenne ihn nicht, hatte auch bisher bis auf Geburtstagswünsche keinen Kontakt mit ihr und weiß davon nur von ihren Whatsappprofilbildern. Er scheint bei ihre oberste Priorität zu sein.
Ich freue mich für sie! Ich hoffe auch, dass sie lange zusammen bleiben und sich gut verstehen.
Irgendein Teil in mir war froh, dass wir gerade keinen Kontakt hatten.
Ich redete mit Toni darüber. Ihre Sicht der Dinge überraschte mich total.
Toni (auch bekannt als Beobachterin und Sherlock) meinte, dass Naomi mich immer sehr für sich eingenommen hätte. Mir manchmal ihre Meinung aufgedrängt hätte. Sehr auf mich fixiert war.
Das war mir gar nicht bewusst gewesen. Aber als ich darüber nachdachte, kamen Erinnerungen hoch. Naomi erzählte mir des Öfteren, dass sie eifersüchtig auf eine meiner Freundinnen war.
Toni sah unsere On-Off-Freundschaft sehr kritisch und meinte, dass sie es nicht okay fände, auch wenn es für mich vielleicht kein Problem ist. Ich weiß, dass ich in Notfallsituationen immer zu Naomi kommen kann. Dasselbe gilt für sie.
Bevor ich mit Toni darüber redete, stellte ich mir eine Weile lang die Frage: Können Menschen, die man liebt, nicht gut, unter Umständen sogar toxisch für einen sein?
Ohne jeglichen Bezug zu meinem Leben lag die Antwort auf der Hand: Ja.
Es ist der Stoff von Büchern, Filmen, Geschichten von Leuten aus meinem Umkreis.
Ich kam zu dem Schluss, dass sogar die wenigsten Beziehungen nicht toxisch sind.
Naomi erzählte mir oft von ihren früheren Beziehungen und ihren Problemen. Sie sagte, sie wäre streitsüchtig, würde ihren Partner oder Dinge, die er tat, schlecht reden und zu ehrlich sein.
Ließ sich das auch auf unsere Freundschaft übertragen?
Irgendwie schon.
Ich fragte mich schon damals im März, ob ich mir so was anhören muss.
Nach dem Gespräch mit Toni traf ich die Entscheidung: Nein. Ich möchte mich nur mit Leuten umgeben, die mir gut tun. Die mich stärken, vorwärts bringen und mich fördern.
Ich werde den Kontakt zu ihr vorerst nicht mehr suchen.
Es kann sein, dass sie sich wieder bei mir meldet. Vielleicht, wenn ihre Beziehung kaputt geht. Vielleicht aber auch gar nicht.
Ich weiß noch nicht, wie ich dann vorgehen werde. Ich werde vermutlich erst einmal für sie da sein, aber engerer Kontakt ist nicht gut für mich.
Ich liebe sie. Ich liebe ihre offene Art, ihre irrationale und spontane Weise, Dinge zu tun, ihre Selbstreflektion, ihren Humor, ihren Drang, sich weiterzubilden, ihr unglaublich großes Herz für Tiere, ihr Glaube an die wahre, unsterbliche Liebe, ihre Begeisterungsfähigkeit, die Art, wie sie oft darauf scheißt, was andere denken und wie sie mich oft gebremst hat, wenn ich zu rational unterwegs war.
Ich werde ich für immer dankbar sein. Vor allem für die Zeit nach meiner Trennung. Wie sehr sie sich um mich gekümmert hat. Aber auch für jedes analytische Gespräch, dass sie mein Halt in der Schule war und dass sie mir in vieler Hinsicht gut getan hat.
Ich werde sie vermutlich auch immer lieben.
Ich weiß nicht, ob das ein Abschied für immer ist. Wir haben ja in der Vergangenheit auch immer wieder zueinander gefunden. Wir werden uns beide verändern, hoffentlich zum Positiven. Ich versuchte gerade sehr, an meinem Selbstwertgefühl zu arbeiten. Nur, weil ich jemanden lange kenne, bin ich der Person nicht schuldig, dass wir bis in alle Ewigkeit befreundet sind. Das gilt für Naomi, aber auch für Hendrik. Ich verdiene Menschen, die mich glücklich machen, mích aufbauen, konstant in meinem Leben und zuverlässig sind und für die ich keine Bedrohung darstelle.
Naomi verdient das gleiche.
Ich wünsche ihr von Herzen das Allerbeste. Beruflich, privat und vor allem im Hinblick auf die wahre Liebe, die ich stets so kritisch hinterfrage. Ich hoffe, sie findet sie. Aber ich hoffe auch, dass sie ein Selbstwertgefühl entwickelt. Das hat meiner Ansicht nach Vorrang vor der wahren Liebe.

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