Mittwoch, 20. November 2019
Your fingerprints, there ain't a sign of them on my body
Ich hatte gestern einen sehr erleuchtenden Moment.
Ich habe viel über Lena und über Frauen insgesamt nachgedacht.
Warum lassen wir uns manchmal wie Scheiße behandeln?
Der Grund dafür liegt klar in unserem mangelnden Selbstwertgefühl und der Angst, die Zukunft könnte nichts Besseres bringen.
Ist das nicht das Schlimmste, was wir tun können? Ein auf Angst basiertes Denken?
Warum versuchen wir nicht positiv an das Leben heran zugehen mit der festen Überzeugung, dass alles für uns passiert?
Ich bin mir sicher, dann wird es auch so passieren.
Warum versuchen wir Typen zu ändern?
Warum daten wir das Potential anstelle dessen, was wirklich vor uns steht?
Wir sind nicht dazu da, Typen dabei zu helfen, die beste Version ihrer Selbst zu sein. Das müssen sie alleine schaffen.
Das gleiche gilt für deren Meinungen.
Wenn mir ein Typ sagt, er will keine Beziehung - aus welchen Gründen auch immer - werde ich einen Teufel tun und ihm vom Gegenteil überzeugen.
Das wäre verschwendete Energie.
Zudem würde ein Mann, der sich seiner Meinung sicher und standhaft ist, sich nicht überzeugen lassen.
Lässt er sich überzeugen, ist er entweder nicht standhaft oder hat Spielchen gespielt.
So oder so würde es also ein schlechtes Licht auf ihn werfen.
Das Selbe gilt für mich. Ich würde auch nicht wollen, dass jemand um mich kämpft, wenn ich sage, dass ich noch nicht bereit für eine Beziehung bin. Ich sage das nicht, um irgendeinen Instinkt in Männern zu wecken.
Man stelle sich vor, ich sage das, weil ich einfach nur ehrlich bin. Ehrlich zu anderen Menschen und vor allem ehrlich zu mir selbst.
Wieso haben wir das Bedürfnis anders als unsere Vorgängerinnen zu sein?
Seine Ex hat ihn so verletzt - ich werde ihn heilen.
Seine Ex hat verrückte Sachen gemacht - ich werde entspannt sein.
Seine Ex hat ihn betrogen - ich werde ihm zeigen, dass er wieder lieben kann.
Nein.
Einfach nur Nein.
Es ist nicht unsere Aufgabe, einen sicheren Hafen für Männer zu schaffen.
Der Gedanke dahinter ja kein schlechter, auch ich habe das Helfersyndrom. Aber Männer müssen sich genau so mit sich selbst auseinandersetzen und für ihre mentale Gesundheit sorgen wie Frauen. Wir müssen uns dazu zwingen, nicht die Ritter in glänzender Rüstung zu spielen für Typen, die nicht mal ihre eigenen Dämonen besiegen können. Was auch kein Vorwurf sein soll. Aber dafür gibt es Therapeuten und Psychologen.
Wir werden nicht dafür bezahlt, wenn wir die Hobbytherapeuten, Sicherheitsnetze und Lebenserleichterer für Typen spielen.
Jeder, wirklich jeder von uns, wurde schon einmal verletzt.
Das ist keine Entschuldigung dafür, in Selbstmitleid zu baden und andere Menschen mit hinein zuziehen.
Wenn du mental nicht gesund bist, wird sich das auf Menschen aus deiner Umgebung auswirken. Wenn du dir nicht Zeit nimmst, deine Wunden zu heilen, wirst du Menschen verletzen, die dich nie verletzt haben. Du wirst Menschen für das bestrafen, was ihre Vorgänger dir angetan haben. Das ist ein Teufelskreis, der durchbrochen werden muss.
Wir sollten uns auch nichts schön reden.
Es gibt keine gemixten Signale.
Wenn man aus den Signalen nicht schlau wird, ist er es nicht.
Jemand, der wirklich verrückt nach dir ist, wird dich nicht daran zweifeln lassen, was er für dich empfindet.
Wenn dir jemand zeigt, wer er ist - glaub ihm.
Ein "Er verletzt mich nur, um mich von sich zu stoßen, weil er Angst hat, dass seine Gang mir etwas antut, wenn sie mich als seine Schwachstelle entdeckt" ist im wahren Leben eher unrealistisch.
Wenn er dich verletzt, weil er ach so viel Angst davor hat, sich emotional auf jemanden einzulassen, ist er nicht bereit. Toxische Beziehungen fangen oft schon in der Kennenlernphase an. Denn genau dort setzen wir unsere Grenzen und bestimmen, welches Verhalten wir tolerieren.
Lasst uns alle an unserer mentalen Gesundheit arbeiten und unsere Erwartungen nach oben schrauben. Das ist der Schlüssel zu einem gesunden Selbstwertgefühl.

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Dienstag, 19. November 2019
Higher than the moon, not wearing pants
Die Party war so lala.
Macy kam abends zu mir, wir haben Nudeln gekocht und vorgeglüht. Es war richtig witzig. Und erleuchtend.
Ich:"Ich habe gerade meinen Ersti-Moment und ich weiß nicht, warum der ausgerechnet dann kommt, wenn es erst wird."
Macy:"Vielleicht hast du ihn gerade, weil es ernst wird."
Ich war baff. Sie hatte recht. Ich war nicht bereit für den Ernst, der kommen würde. Ich habe das Gefühl, mein Studentenleben noch gar nicht richtig ausgelebt zu haben und genau das möchte ich jetzt tun.
Und ich sehe, welche Fortschritte sie macht was ihre mentale Gesundheit angeht. Das ist so schön mit anzusehen. Sie ist noch nicht auf dem Level, auf dem sie sein sollte, aber sie macht Schritte in die richtige Richtung und das freut mich.
Wir nahmen die U-Bahn und trafen uns auf der Party mit ziemlich vielen Leuten aus der Schule. Ich konnte mich im Nachhinein nicht daran erinnern, dass zum Beispiel Wassi da war, aber wir haben zusammen ein Foto gemacht.
Macy und ich tanzten erst auf der Tanzfläche als noch fast niemand drauf war. Es war uns so egal. Wir tanzten nur für uns. Macy hat so ein gutes Körpergefühl. WIE KANN SIE SICH NICHT ÜBER ALLES LIEBEN????
Unglaublich.
Ich erinnere mich daran, dass wir Shots getrunken haben. Zwei, drei, vielleicht auf fünf. Was angesichts der Tatsache, dass Macy und ich schon ganz gut vorgeglüht hatten, vielleicht keine gute Idee war.
Ich glaube, ich bin mit Peter und Bene auf die Jagd gegangen, aber keiner von uns hat was erwischt. :D
Irgendwann wurde die Stimmung komisch. Vielleicht waren es auch die Leute oder die Tatsache, dass die Leute sehr sehr jung waren. Einer war besoffener als der andere. Ein Mädel kippte auf der Tanzfläche einfach um. Wir wurden von ziemlich komischen Typen angegraben.
Macy und ich kauften uns eine Pizza, was uns sehr gut tat. Alle anderen hatten wir inzwischen verloren. Dann fanden wir Fabi wieder, der auf den volltrunkenen Sevi aufpasste und wir beschlossen uns auf den Heimweg zu machen. Die Schlange an der Garderobe war endlos lange. Wir stellten uns an. Die Leute fingen an zu schubsen und zu drängeln, ich war richtig genervt und dementsprechend auch zickig. Menschenmassen rauben mir so viel Energie und ich war eh schon müde.
Als wir endlich unsere Jacken hatten, warteten Macy und ich noch auf Fabi und den Rest der Gruppe. Macy fuhr mit dem Taxi heim, der Rest mit der U-Bahn. Ich war richtig genervt, müde und zickig. Als dann Leute in der U-Bahn anfingen zu kotzen, schloss ich meine Augen und wartete sehnsüchtig auf meine Haltestelle. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so froh war, daheim zu sein.
Ansonsten gibt es nicht viel zu erzählen.
Lena hat gerade bei mir in der Arbeit vorbeigeschaut und mir von ihrem Ex-Freund erzählt. Ich hab ihr bereits im Sommer gesagt, dass sie ihn abschießen soll, aber sie fand sich selbst in einer giftigen On-Off-Beziehung wieder. Blässe zeichnete ihr Gesicht und in ihren Augen schimmerten Tränen, als ich ihr fragte, wie es ihr ginge. Es brach mir das Herz. Warum lassen wir Frauen das eigentlich mit uns machen?
Er hat scheinbar ziemlich schlimme Dinge zu ihr gesagt, auch welche, die ihren Körper betreffen. Darüber kann ich nur den Kopf schütteln. Lena ist ein Traum. Kurven wie eine griechische Göttin, langes rotblondes Haar, Sommersprossen, leuchtend blaue Augen und ein Lächeln, das ansteckend ist. Noch dazu hat sie eine unglaublich liebe Persönlichkeit, ein sehr großes Herz, aber leider viel zu wenig Selbstwertgefühl.
Ich hoffe, sie bleibt standhaft und lässt ihn nicht mehr in ihr Leben zurück. Sie verdient so viel Besseres.
Apropos. Ich werde aus Pietro einfach nicht schlau. Normalerweise schreibt er mir am Wochenende immer, ob wir in der kommenden Woche was machen wollen. Bisher hab ich nichts von ihm gehört und ich denke auch nicht, dass noch was kommen wird.
Ich habe mit Max darüber geredet, der mir die Männerpsychologie erklärte. Laut ihn wäre es ganz gut, wenn ich mal die Zügel in die Hand nehmen würde. Vielleicht tue ich das, mal sehen.
Heute geh ich noch mit Ina einen Kaffee trinken, darauf freu ich mich schon sehr!
Momentan mache ich ziemlich viele Dinge für mich. Ich gehe in die Kirche, schlendere danach zu meiner Musik durch die nächtlichen Straßen. Am Wochenende hab ich das erste Mal seit fünf Jahren wieder gemalt. Es war kein Meisterwerk, aber es hat mir gut getan. Ich liebe Kunst, auch wenn ich selbst keine große Künstlerin bin. Ich bin am Überlegen, mir ein paar Leinwände und Farben zu holen, um meinem Innersten freien Lauf zu lassen.
Heute gehe ich noch mit Ina einen Kaffee trinken, darauf freue ich mich schon sehr.
Ansonsten werden wir sehen, was passiert.

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Mittwoch, 13. November 2019
Listening to word of mouth about how you been out and about
Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll.
Vielleicht einfach mit dem gestrigen Tag.
Pietro und ich waren ursprünglich zum Spaghetti Carbonara machen verabredet.
Inzwischen war es Nachmittag und ich hatte nichts von ihm gehört, was mich ein wenig verunsicherte.
Hatte er es vergessen?
Immerhin hatten wir es vor über einer Woche ausgemacht und seitdem nicht mehr geschrieben.
Während es in meiner Vorlesung über wirtschaftliche Krisen ging, war ich mit den Gedanken bei der Frage, was ich machen würde, wenn er sich nicht meldete. Auch wenn ich wusste, dass es so vielleicht besser war, würde es meinem Ego nicht ganz so gut tun.
Normalerweise scheiß ich drauf. Er ist der Kerl, er muss sich melden. Mein Stolz ist zu groß, um einem Kerl hinterher zu laufen.
Allerdings hatte ich noch nie was mit jemandem, der so mein Typ war wie er. Und ich wollte ja einfach nur wissen, was Sache war. Ich hasse es, in der Schwebe zu sein.
Toni schrieb mir währenddessen, ob wir uns nach meiner Vorlesung und vor ihrer nächsten für eine halbe Stunde kurz treffen wollten. Ich sagte zu und erwähnte, dass ich einen Rat von ihr als Frau Selbstwertgefühl brauchen könnte.
Ich dachte an das, was Shallon in ihrem Podcast sagte. Anstatt so zu tun als wäre es uns egal und uns aber insgeheim zu fragen, was los ist, sollten wir einfach nachfragen, um Klarheit zu bekommen.
Also beschloss mehr oder weniger ihn einfach zu fragen, ob das heute Abend noch stehen würde.
Trotzdem wollte ich mir davor noch Tonis Meinung anhören.
Ein paar Minuten später sah ich auf mein Handy und siehe da: Eine Nachricht von Pietro, ob um neun bei ihm für mich okay wäre.
Ich musste ein Grinsen unterdrücken.
Die Vorlesung wurde überzogen, aber ich ging schon früher.
Ich ging nach draußen, setzte mich auf eine Bank vor der Uni und wartete auf Toni. Als sie kam, umarmte ich sie ganz fest. Es fehlt mir, sie nicht mehr jeden Tag in der Uni zu sehen.
Wir redeten ein wenig und sie fragte, ob alles okay wäre und wieso ich ihren Rat brauchte. Ich erzählte es ihr und sagte, dass es sich mit seiner Nachricht sowieso erledigt hatte.
Sie:“Aber ich glaube, ich hätte ihm nicht geschrieben.“
Ich:“Warum überrascht mich das nicht?“
Sie:“Was ist da eigentlich der neueste Stand?“
Ich erzählte ihr die Kurzfassung.
Sie:“Und denkst du, da wird was daraus?“
Ich:“Nein.“
Sie:“Wieso nicht?“
Ich:“Weil ich das beschließe.“
Sie sah mich an, als wäre ich verrückt geworden.
Sie:“Ich weiß nicht, ob man so was einfach beschließen kann...Hast du Gefühle für ihn?“
Ich:“Nein!“
Vermutlich sagte ich das ein wenig zu energisch, denn sie lachte und antwortete:“Woah, okay!“ :D
Ich:“Früher oder später werde ich es wahrscheinlich nicht verhindern können, weil mein Körper Oxytocin ausschüttet, aber ich muss soweit es geht rational bleiben.“
Sie:“Ach ja, diese Oxytocinausschütte machen mich auch immer totaaal fertig.
Aber woher weißt du, dass es nicht passt?“
Ich:“Es heißt doch immer, dass man es weiß, wenn man ‚den Richtigen‘ trifft und dass es einfach ist.“
Sie:“Und es ist nicht einfach?“
Ich:“Nein. Zum Beispiel die Sprachbarriere. Wir können uns zwar wirklich gut verständigen, aber egal wie gut ich jemals englisch spreche, es wird nie meine Muttersprache sein.“
Sie:“Kann er deutsch?“
Ich:“Nein. Und er weigert es sich auch es zu lernen. Da sind schon die einfachsten Grundvoraussetzungen nicht da.“
Sie:“Also besteht nicht die Möglichkeit, dass du nach Italien auswanderst?“
Ich:“Oh Gott, nein!“
Sie:“Was hält er denn von deinem Lieblingskönig?“
Ich:“Gute Frage, da muss ich ihn heute direkt mal ausquetschen.“
Wir redeten noch ein wenig weiter über die Uni, ihre Katze und was bei ihr gerade so los war. Auch wenn es nur für eine halbe Stunde war, war es schön sie mal wieder zu sehen.
Danach fuhr ich heim, aß ein bisschen was und machte mich, während ich „How to be Single“ zum fünften oder sechsten Mal anschaute, fertig. Ich war mir sehr unschlüssig darüber, was ich anziehen sollte. Ich wollte gerne einen Rock anziehen, gleichzeitig aber nicht zu overdressed sein. Noch dazu war er eher der mühelos coole und legere Typ. Also entschied ich mich letzten Endes für eine Jeans und ein terrakottafarbenes Oberteil, zog aber schöne Stiefel und einen Mantel an. Aus meinen Kopfhörern tönte Musik aus nicht meiner ganz so jugendfreien Playlist, als ich zur U-Bahn ging. An der Halstestelle ausgestiegen, schlenderte ich zu „Bubblegum“, „Too much“ und „Tequila does“ die Straßen entlang zu seiner Wohnung. Dieses Mal war ich ausnahmsweise pünktlich. Ich klingelte, der Summer ertönte und ich ging, während ich mein Handy und meine Kopfhörer in meiner Tasche verstaute, die Treppen hoch in den ersten Stock. Er wartete bereits an der Tür, gab mir zwei Küsschen zur Begrüßung als ich noch auf der letzten Treppenstufe stand und somit beinahe das Gleichgewicht verlor. Er ließ mich hinein, ich zog meine Schuhe und meinen Mantel aus und wir machten ein wenig Smalltalk. Ich war froh, dass ich mich gegen den Rock entschieden hatte, denn er trug lediglich Jeans und T-Shirt. Er fragte mich, ob ich wollte, dass er für mich kochte oder ob ich es auch lernen wollte. Natürlich wollte ich es auch lernen. Seine ganzen kulinarischen Geheimnisse.
Er schenkte uns Weißwein ein.
Wir redeten ein bisschen über unser Wochenende und die vergangene Woche, während er den Speck schnitt und ich die Eier trennte. Er erzählte, dass er am Donnerstag im Club war uns es am Freitag nicht in die Vorlesung geschafft hätte.
Ich sollte das Eigelb mit der Gabel verquirlen, während er immer noch mit dem Speck beschäftigt war.
Plötzlich hörte er auf, beobachtete mich belustigt und meinte:“You‘re cute.“
Als ich fragte, was ich denn falsch machen würde, kam er zu mir, nahm mir die Gabel aus der Hand und verrührte das Eigelb in kreisenden Bewegungen. Ich hatte Zickzack-Bewegungen gemacht, die scheinbar nicht richtig waren. :D
Dann hobelte ich Parmesan in das verquirlte Eigelb, während er den Speck anbriet und die Spaghetti ins Wasser tat, nachdem er zuvor gefragt hatte, ob ich wie ein Junge oder wie ein Mädchen essen würde. Da ich nicht ganz so flott im Hobeln war, nahm er mir diese Aufgabe ab und erkannte, dass es nicht an mir, sondern an der Hobel lag. Er schöpfte Wasser aus dem Topf mit den Spaghetti ab, goss sie ab und vermischte in der Pfanne mit dem Speck. Dann gab er abwechselnd das Eigelb und das Wasser hinzu, fügte Salz und Pfeffer hinzu und schon waren die Spaghetti Carbonara fertig. Ich dachte immer, das wäre viel komplizierter und geheimnisvoller.
Wir aßen und es schmeckte wirklich gut, auch wenn er sagte, dass das nicht seine besten Spaghetti Carbonara wären.
Ich:“I‘m so bad at putting the spaghetti on my fork, just ignore me.“
Er:“Don‘t look at me either, I eat like an animal.“
Er hatte nicht gelogen.
Da ich nicht so geübt darin war, Spaghetti in Hochgeschwindigkeit auf meine Gabel zu drehen, war er viel eher fertig als ich.
Er:“I‘m gonna put on some music while you‘re finishing. My favourite song. It describes my character.“
Ich wartete gespannt. Die ersten drei Takte ertönten und ich erkannte es sofort.
Der Spast hatte einfach „Figure me out“ angemacht. Das Lied traf mich da, wo mich sonst nur wenige Sachen treffen. Das hatte er ganz berechnend und mit Absicht gemacht.
Ich:“How do you still remember that song?“
Er:“It‘s my favourite song of all time.“
Ich:“Don‘t lie to me.“
Er:“Okay, it‘s fine.“
Ich:“I‘m telling you all the things that are none of your business whenever I‘m drunk.“
Das hätte ich ihm wirklich nicht erzählen sollen. Dieses Lied ist sehr persönlich. Ich antwortete viel zu ehrlich auf seine Fragen.
Mittlerweile hatte auch ich meine Portion Spaghetti aufgegessen. Er nahm den Rest und wollte ihn auf einem Teller in den Kühlschrank stellen. Die Alufolie fiel ihm aus der Hand und rollte sich ca. einen Meter auf. Anstatt sie wieder aufzurollen, wie jeder normale Mensch, riss er das Stück ab, gab es mir und sagte, ich solle mir ein Spiel damit überlegen. Ich rollte die Alufolie zu einer langen Wurst, während er den Teller im Kühlschrank verstaute.
Er:“So what‘s your game?“
Ich:“I hit you until you die.“ und ‚schlug‘ ihn ein paar Mal meine Alufolienpeitsche gegen den Oberarm.
Er:“Wait.“ Er nahm sie mir aus der Hand, bog sie und kam auf mich zu. Er stand vor mir und legte mir meine einstige Peitsche wie eine Kette um den Hals.
Er:“It‘s like a wedding ring.“
Ich verdrehte die Augen. Dann legte ich meinen wunderschönen Ehering ab und formte ihn zu einer Peitsche zurück. Er fand, dass das kein richtiges Spiel war und holte sich ein eigenes Stück Alufolie, aus der er einen Ball formte. Obwohl er jetzt sein eigenes Spielzeug hatte, wollte er trotzdem meine Peitsche und zog daran. Ich sah es überhaupt nicht ein nachzugeben, weshalb ich sie festhielt. Sie riss. Er hatte sie kaputt gemacht. Aus Rache machte ich seinen Ball kaputt. :D
Wir tranken immer mehr Wein und plötzlich redeten wir über Kinder.
Er:“So, how are we gonna name our children?“
Ich:“I already have some names.“
Er:“Yeah, me too.“
Ich:“Go ahead.“
Er:“So if it‘s a girl, I wanna name her Beatrice.“
Ich verzog mein Gesicht.
Ich:“No. It sounds good in italian, but I don‘t like the way Germans pronounce it.“
Er:“What about you?“
Ich sagte ihm den Jungennamen, den ich aus einem Shakespearestück hatte und wegen dem mich alle stets aufzogen. Ich fand ihn schön und melodisch.
Er:“That sounds like the name of a bad guy in Harry Potter.“
Ich:“It‘s not. What about your name for a boy?“
Er:“If I had a boy, I‘d name him Leonardo.“
Ich:“I can live with that.“
Er:“So we‘re moving to Italy?“
Ich:“No way! I‘m gonna stay here! Maybe we can switch it up.“
Er:“Okay, let‘s say we spend ten months in Italy and two here.“
Ich:“No, I‘m sorry.“
Er:“I‘ll build you a castle.“
Ich:“No, I wanna build it on my own.“
Er:“Brick by brick?“
Ich:“Yes.“
Er:“I can imagine you taking one brick and then telling me to do it.“
Wir tranken weiter Wein, redeten über Fußball und andere Dinge. Dann kam er wieder auf die Idee ein Spiel zu spielen. Wahrheit oder Pflicht. Ich willigte ein, obwohl ich nicht gut darin war, mir kreative Fragen auszudenken, was ich ihm auch sagte.
Wir fingen an zu spielen, natürlich nahm ich nur Wahrheit. Es wurde natürlich ein wenig sexuell.
Irgendwann nahm er Pflicht und ich befahl ihm zu tanzen. Er zierte sich ein wenig, aber ich gab nicht nach. Dann meinte er, er bräuchte dazu ein Mädel, um die typische Club-Situation zu simulieren. Gnädigerweise stellte ich mich zur Verfügung. Wir tanzten ein wenig, was ein bisschen komisch war ohne Musik, aber ziemlich lustig.
Danach beschloss er, dass wir ein neues Spiel spielen sollten. Zwei Wahrheiten, eine Lüge. Auch etwas wofür man viel Kreativität aufbringen muss, was mir angetrunken nicht so gut gelingt. Ihm dagegen umso mehr. Ich erfuhr ziemlich krasse und verrückte Geschichten über ihn und stellte fest, dass mein erster Eindruck von ihm gar nicht so falsch war. Er ist in der Tat sehr gefühlskalt.
Ich war ziemlich schlecht in dem Spiel. Er war dafür umso besser, was ich komisch fand. Normalerweise fällt es Leuten eher schwer mich einzuschätzen, aber er lag jedes Mal richtig. Vielleicht hatte er irgendwelche psychologischen Tricks auf Lager an was man eine Lüge erkennt und war noch nicht angetrunken genug, um sie nicht zu benutzen. Noch dazu waren die Dinge, die ich sagte, nicht überaus kreativ.
Was mir Bedenken gab, war die Tatsache, wie gut er lügen konnte. Das ist normalerweise meine Stärke, aber wiedereinmal antwortete ich viel zu ehrlich.
Nach ein paar Runden fingen wir an über Filme und Kunst zu reden. Er fragte nach meinem Lieblingsfilm und schlug vor, dass wir einen seiner Lieblingsfilme anschauen sollten. Nightmare. Ein Horrorfilm. Ich sagte ihm, wie ich zu Horrorfilmen stand – nämlich gar nicht. Er zeigte mir den Trailer.
Ich:“No, I can‘t watch that movie. I‘m gonna have nightmares.“
Er:“I will protect you tonight.“
Ich:“It‘s not about tonight, it‘s about every night that follows.“
Er:“I can be there too.“
Ich:“Of course you will.“
Ich ließ mich zu einem anderen Horrorfilm überreden. Scream. Wir gingen in sein Zimmer und machten es uns auf seinem Bett gemütlich. Er legte den Arm um mich und startete den Film auf dem Laptop, der sich auf seinem Schoß befand. Ich glaube, wir sahen ungefähr zehn Minuten von dem Film. Ich fand ihn nicht so schlimm, weil die Spannung nicht so extrem war, aber das viele Blut (auch wenn es nicht besonders gut gemacht war) war nicht so meins. Dann beschloss er, dass wir uns bettfertig machen sollten. Er ging ins Bad, gab mir eine neue Zahnbürste und ließ mich allein, nachdem er sich die Zähne geputzt hatte. Nachdem ich ebenfalls fertig war, ging ich in sein Zimmer. Er hatte mir ein T-Shirt zum Schlafen hingelegt. Ich zog mich um, schlüpfte in sein T-Shirt und legte mich neben ihn.
Er fing an über seine Professoren zu reden und bezeichnete sie als dumm und rassistisch, weil sie ihm nicht helfen würden.
Ich:“Maybe you should learn a little bit of german just to break the ice.“
Dann übersetzte ich ihm ein paar Sätze, die er brav wiederholte. Ich konnte nicht widerstehen. Ich bat ihn „Tschechisches Streichholzschächtelchen“ zu sagen. „Tschechisches“ kriegte er ganz gut hin, beim zweiten Wort stockte er.
Er:“That‘s impossible. You Germans put like five words into one.“
Ich:“Yeah, we wanna be exclusive.“
Er:“I hate you Germans.“ Dann beugte er sich über mich und küsste mich. Wir machten rum, es ging auch ein bisschen weiter als das, aber mehr ist nicht passiert. Er ist ziemlich ausdauernd.
Die Müdigkeit traf uns wie ein Schlag, mittlerweile war es ein Uhr.
Er ging nochmal ins Bad, ich lag alleine in der Dunkelheit und dachte:“Das ist es nicht.“
Gott gab mir genau das, was ich haben wollte. Einen sehr attraktiven Kerl, der optisch total, aber charakterlich überhaupt nicht mein Typ war.
Als er wieder kam lagen wir nebeneinander im Bett und diskutierten darüber, wer das Licht ausmachen würde. Ich bot an, dass wir unsere Kräfte entscheiden lassen sollten. Also machten wir Armdrücken. Er gewann natürlich, obwohl ich beide Hände benutzte. Als ich meine Niederlage auf einen schlechten Tag schob, hob er mich über sich und auf die andere Seite, wo die Nachttischlampe stand. Ich gab mich geschlagen, machte sie aus und kletterte wieder über ihn auf die andere Seite des Bettes.
Wir redeten noch ziemlich viel. Irgendwie kamen wir auf das Thema Glaube zu sprechen.
Er:“Do you believe in God?“
Ich:“Yes. I‘m religious.“
Er:“Really? Like praying and going to church?“
Ich:“I went to church yesterday.“
Ich dachte zurück an die Predigt der Kirche und wie ich danach zu meiner Musik durch eine der schönsten Straßen dieser Stadt schlenderte. Das hatte mir gut getan.
Er:“I don‘t know anybody of our generation who goes to the church when they don‘t have to.“
Ich:“Me neither.“
Er:“How often do you pray?“
Ich:“Every day.“
Er:“At what time? Before going to sleep?“
Ich:“Yes.“
Er:“What are you praying for?“
Ich:“That‘s very personal.“ Ich dachte darüber nach, was davon ich ihm erzählen wollte. Es waren nur Bruchstücke. Ich antwortete:“First of all I thank God. Then I‘m praying for everyone who means something to me. And for the world.“
Er nahm meine Hand und sagte:“Let‘s pray together.“
Ich entzog sie ihm wieder und antwortete:“No. Do you even believe in God?“
Er:“I don‘t know. I used to until I was twelve. I was always praying for the poor. Now I only believe in things I can prove. But I don‘t know. Do you also believe in hell and heaven?“
Ich:“Yeah, but it‘s kind of difficult. I was just thinking about it the other day: What makes someone a bad person? Is ist just one really bad decision? Or many small decisions? I‘m not sure about that.“
Wir unterhielten uns noch über die Bibel, verglichen das Alte Testament mit dem Neuen und analysierten verschiedene Stellen. Dann beschlossen wir schlafen zu gehen.
Um das ein wenig zu erklären: Sein Bett beinhaltet zwei Matratzen, die oft auseinander rutschen, sodass in der Mitte eine Mulde ist. Damit keiner von uns in dieser Mulde schlafen musste, lagen wir beide auf der linken Bettseite.
Ich schlief ganz gut. Ab und an wachte ich auf, weil er wieder im Schlaf redete. Das meiste davon war italienisch, so dass ich nichts verstand. Ich war einmal im Halbschlaf und ich dachte, er wäre wach, denn er fragte:“Is there some room left on your side? I don‘t wanna sleep in the hole.“
Ich bejahte es verschlafen und rutschte ein Stück. Als ich merkte, dass er nicht nachrückte, fragte ich, ob es so besser wäre. Er antwortete nicht und mir war klar, dass er nur wieder im Schlaf geredet hatte. Also schlief auch ich weiter.
Das Klingeln des Weckers riss mich aus einer Tiefschlafphase. Ich blieb noch ein bisschen liegen, während er schon ins Bad ging. Dann zog ich mich ebenfalls an. Er fragte, ob ich einen Tee wollte, ich nahm das Angebot an. Er ging in die Küche, während ich einen Abstecher ins Bad machte. Meine Haare waren ein kleines Chaos, aber ansonsten hätte es schlimmer sein können.
In der Küche tranken wir unseren Tee, der noch sehr heiß war.
Er:“Did you sleep well?“
Ich:“Yes. What about you?“
Er:“I slept very well.“
Ich:“You were talking again.“
Er:“What did I say?“
Ich:“Most of it was in italian, I didn‘t understand. But you said something about sleeping in the hole.“
Er lachte und antwortete:“I don‘t remember any of it. I should record myself one day.“
Wir redeten noch ein bisschen über seine Gerede im Schlaf. Dann überraschte er mich, als er mich fragte:“Were you praying for me last night?“
Ich:“No.“
Er:“I thought you‘d pray for everyone.“
Ich:“Okay, in this case you‘re right. Did you pray?“
Er:“Yeah, I prayed:‘Please God, let me speak in Italian when I‘m sleeping so she doesn‘t understand‘.“
Ich:“I bet you were saying mean things about me.“
Er:“We both will never know.“
Dann wurde die Zeit knapp, weil er gehen musste, um mit seinen Professoren zu reden. Wir gingen noch mal ein paar deutsche Sätze durch, dann zogen wir uns an und machten uns auf den Weg zur U-Bahn. Es war komisch, den Weg, den ich sonst immer Musik hörend und selbst-reflektierend alleine ging, mit ihm zu gehen. Es regnete, was meine Haare noch wundervoller aussehen ließ. Wir unterhielten uns aber ziemlich gut, ebenso wie beim Teetrinken hatten wir viel zu lachen. Als meine U-Bahn einfuhr, redeten wir gerade über ein Restaurant, in dem er mit seinen Eltern war. Er meinte, er würde mir weiter davon erzählen, wenn wir uns das nächste Mal sehen würden. Zwei Küsschen auf die Wange, dann stieg ich in meine U-Bahn. Ich drehte mich nicht mehr um und sah auch nicht aus dem Fenster. Ich machte „Bad as the boys“ an und reflektierte die letzten Stunden. Aus mentaler Sicht war ich an einem besseren Ort. Er ist wirklich heiß, wir unterhalten uns gut und lachen auch viel, aber im Endeffekt ist er nichts für mich. Vor ein paar Jahren hätte ich mich vielleicht in ihn verliebt, weil er das komplette Gegenteil von mir war. Mittlerweile will ich niemanden, der absolut anders ist als ich. Ich weiß, was ich will und ich will ihn nicht auf diese Art und Weise.
Ich fuhr nach Hause, zog mich um, frühstückte Nudelsalat und frischte mich ein wenig auf. Dann ging ich zur Arbeit. Nachmittags trank ich noch mit Max einen Kaffee. Ich erzählte ihm von der Situation gestern und auch er verstand es nicht wirklich. Außerdem ist er der Überzeugung, dass Pietro ein Arschloch ist. Damit mag er ziemlich richtig liegen.
Max begleitete mich noch bis zu dem Raum, in dem ich meine nächste Vorlesung hatte. Nach der Vorlesung arbeitete ich noch eine Stunde. Dann traf ich mich mit Joschua. Er hatte mir während meines Praktikums ein paar Mal geschrieben und gefragt, ob ich mit ihm Mittagessen gehen wollte, aber ich hatte nie Zeit. Als er mich letzte Woche wieder anschrieb, sagte ich zu. Dumm war nur, dass er nur abends konnte. Auch Max meinte davor schon, dass Abendessen gehen ein wenig datingmäßig wäre.
Ich ließ es einfach auf mich zukommen. Ich hörte „Daylight“ als ich durch die nächtliche Straße zu dem Brunnen ging, an dem wir uns trafen. Er war schon dort. Er umarmte mich zur Begrüßung, dann schlug er vor, ob wir italienisch essen gehen wollten. Was wäre denn datingmäßiger?
Beim Italiener angekommen erfuhr ich, dass er sogar reserviert hatte. Nicht schlecht.
Der Kellner führte uns zu einem Tisch im hinteren Bereich des Restaurants. Wir bestellten eine Flasche Wasser, eine Pizza für ihn und Spaghetti für mich.
Wir unterhielten uns wirklich gut. Auch wenn viele düstere Themen wie Selbstmord, Tod und seine bizarren Familiengeschichten dabei aufkamen. Joschua ist sehr intelligent. Er mag auf den ersten Blick unschuldig (aber gut trainiert) und ein wenig streberhaft wirken, aber er ist das komplette Gegenteil. Er hat Eier. Ich weiß nicht, wie ich das anders beschreiben soll, aber er ist ziemlich männlich und selbstbewusst. Vielleicht auch ein bisschen machohaft, derbe Witze inklusive. Was man auf den ersten Blick überhaupt nicht von ihm erwarten würde.
Wir redeten ziemlich viel und ich war froh, dass uns keine Sprachbarriere trennte. So war es viel einfacher.
Wir analysierten das Phänomen, warum Männer nicht mehr so männlich waren. Er hatte ziemlich interessante Ansichten. Er meinte, dass hänge mit Handys zusammen, dass sie nicht auf eigenen Beinen stehen müssen und selten aus ihrer Komfortzone herauskommen. So hatte ich das noch gar nicht gesehen, aber es klang überaus logisch.
Ich erfuhr, dass Joschua schon sehr früh auf eigenen Beinen stehen musste. Er war 26 und hat schon sehr viel erlebt. Er fordert sich selbst stets heraus. Das formt und stärkt einen Charakter.
Als wir aufgegessen hatten, fragte der Kellner, ob wir noch einen Nachtisch wollten. Joschua bestellte Windbeutel mit Mascarponefüllung und Schokoüberzug.
Der Kellner sah mich fragend an.
Ich:"Oh, für mich nichts, danke, ich bin voll."
Kellner:"Ah, ich bringe noch eine zweite Löffel."
Den Nachtisch teilen. Datingmäßiger geht's wohl nicht mehr.
Die Windbeutel kamen und Joschua sagte, ich solle sie wenigstens probieren. Sie schmeckten wirklich gut, aber ich schaffte gerade einmal einen halben. Joschua aß die restlichen dreieinhalb.
Mittlerweile waren wir drei Stunden in dem Restaurant und ich spürte, wie ich langsam aber sicher müde wurde. Joschua fragte nach der Rechnung. Ich holte meinen Geldbeutel heraus, in der vollsten Überzeugung, dass ich meinen Teil zahlen würde, weil Max mit zuvor damit aufgezogen hatte. Ich bin jemand, der selten Bargeld dabei hat und fast alles mit Karte zahlt. Ich fand meine fucking Karte nicht. Ich konnte es nicht glauben. Das war mir noch nie passiert. Ich versuchte nachzudenken, wann ich sie das letzte Mal benutzt hatte: Am Supermarkt an der Kasse. Ich war so bepackt gewesen, dass ich die Karte kurzerhand einfach in meine Jackentasche anstatt in meinen Geldbeutel steckte. Genau in die Jacke, die ich heute natürlich nicht anhatte. Ich konnte es nicht fassen. Mein Bargeld betrug sich auf stabile sieben Euro. Hitze stieg mir in die Wangen. Das Ganze war mir so unangenehm, auch wenn Joschua mir versicherte, dass ich mir keinen Stress machen sollte und ihm das auch schon öfter passiert wäre.
Genau das wollte ich vermeiden. Ich wollte nicht, dass er zahlte. Und erst recht nicht wollte ich, dass er denken könnte, das wäre ein Trick, um mich von ihm einladen zu lassen. Joschua ging zum Kellner und bezahlte, während ich immer noch versuchte, diese Peinlichkeit zu verarbeiten. Wie konnte ich nur meine Karte einfach in meine Jackentasche stecken?
Ich entschuldigte mich mehrmals bei ihm und versprach, ihm das Geld so schnell wie möglich zurückzuzahlen. Er nahm es total gelassen, versuchte mich zu beruhigen und erzählte mir von Situationen, in denen er seine Karte vergessen hatte.
Er schlug vor, noch etwas trinken zu gehen.
Eigentlich war ich ziemlich müde und hatte nicht so Lust darauf, aber er hatte gerade mein Essen bezahlt, deshalb wollte ich mich nicht direkt danach verabschieden.
Er trinkt keinen Alkohol und kannte sich dementsprechend nicht aus, was Bars anging.
Ich führte ihn zu der einen Bar, in der ich einmal mit Pietro war. Den Weg, den ich heute morgen mit Pietro gegangen war, ging ich nun abends mit Joschua.
Die Bar war schon ziemlich voll, weshalb wir in die gingen, in der ich meinen Geburtstag gefeiert hatte. Wir bestellten eine Flasche Wasser, die ich zahlte und unterhielten uns noch. Es war ganz nett, aber irgendwann war ich mental sehr ausgelaugt. Seine Witze waren auch nicht mehr ganz so lustig und sie wurden immer derber. Ich hab grundsätzlich nichts gegen solche Witze, mein Humor geht ziemlich weit. Aber es war ein langer und anstrengender Tag, ich hatte nicht ausreichend geschlafen und wollte am nächsten Tag früh raus. Wir gingen zur U-Bahn, mittlerweile war es nach zwölf.
Wir verabschiedeten uns mit einer Umarmung und ich war so froh, als ich in der U-Bahn war und die Menschen mit Hilfe von Musik ausblenden konnte. Noch froher war ich, als ich zu Hause war, Tee trank und mein Makeup, das ich nun 28 Stunden trug, abmachen konnte.
Es war halb zwei, als ich schließlich einschlief.
Heute Abend kommt Macy vorbei. Wir kochen, dann gehen wir noch auf eine Studentenparty. Das wird bestimmt lustig.

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Freitag, 8. November 2019
This time I'll throw it back, boy, can you handle that?
Ich wollte gestern ursprünglich mit Macy und Fabi auf eine Verbindungsparty gehen, aber unsere Pläne haben sich ein wenig geändert.
Macy sagte im Vornherein schon ab, weil sie so viel zu tun hatte, also blieben erst mal nur noch Fabi und ich. Ich lud ihn zu mir zum Vorglühen ein. Mit ein wenig Verspätung und einem Rucksack voller Bier kam er schließlich bei mir an. Als wir zuvor geschrieben hatten war es schon ziemlich lustig und so ging es nun weiter. Wir spürten beide das erste Bier bereits und ich wusste, dass es eine gute Nacht werden würde.
Vielleicht hätte ich etwas bemerken müssen, aber ich dachte mir nichts dabei, als er versuchte – ganz erwachsen, so wie wir beide nun mal sind – die Deckel vom Bier in meinen Ausschnitt zu werfen. Ich warf zurück und im Gegensatz zu ihm traf ich wenigstens. :D Okay, nur ein Mal, aber ich war ziemlich stolz auf mich. :D
Wir haben uns richtig gut unterhalten und viel gelacht. Irgendwann schrieben wir mit Sevi, der mit ein paar Leuten bei Nico zum Vorglühen war und wollte, dass wir auch vorbeikamen. Also nahmen Fabi und ich unser zweites Bier in die Hand und zogen los. Wir schlenderten erst noch ein wenig durch meine Nachbarschaft, weil dort eine Veranstaltung war. Als wir aber niemanden sahen, den wir jagen wollten, gingen wir in Richtung U-Bahn.
Plötzlich deutete Fabi auf einen Kerl, der uns entgegen kam und fragte:“Waschbär oder Igel?“
Ich dachte, er hätte vollkommen den Verstand verloren. Der Typ hat ihn einfach ignoriert und da sah ich, wie sich an der Ecke des Hauses, wo der Typ gerade noch ging, etwas bewegte. Ein Igel.
Wie süß! Fabi und ich fielen in den Geheimagentenmodus und schlichen dem Igel nach. Und das sogar ziemlich lange. :D Als wir am Ende der Gasse angekommen waren, beschlossen wir den Igel in Frieden zu lassen und zur U-Bahn zu gehen. Gesagt getan. In der U-Bahn hörten wir mit seinen Kopfhörern Musik und tanzten ein bisschen. Die Leute werden sich auch was weiß ich gedacht haben, aber ich hatte sehr viel Spaß. :D
Wir hörten seine spanische Musik, dann meine spanische Musik und plötzlich machte er „Durch den Monsun“ von Tokio Hotel an. :D Es war wirklich lustig.
An der Uni stiegen wir aus. Fabi erklärte, dass wir ein Stück bis zu Nicos Wohnung gehen mussten. Wir schlenderten durch die Straßen. Irgendwann hatte ich für den Bruchteil einer Sekunde den Gedanken, dass wir uns in der Nähe von Pietros Wohnung und den ganzen Bars befanden.
Fabi und ich kamen irgendwie auf Avril Lavigne zu sprechen und er beschloss „Skater Boy“ anzumachen, damit wir dazu singen konnten. Er suchte auf seinem Handy nach dem Lied, im selben Moment gingen zwei Typen an uns vorbei. Mein Gehirn verstand es erst, als sie schon vorbei waren.
Ich hörte nur:“Hey.“
Fabi, der dachte, sie wollten uns anpöbeln, entgegnete ein wenig aggressiv:“HEY!“
Ich stoppte den schwungvollen Schritt, den ich drauf hatte, abrupt und drehte mich ebenso schwungvoll um.
Pietro und Houssan.
Auch die beiden hatten sich umgedreht. Pietro ging ein paar Schritte auf mich zu, ich auch auf ihn.
Zwei Küsschen auf die Wange, wie immer. Dieses schöne Gesicht.
Kurzer Einschub: Pietro hatte am Wochenende gefragt, ob ich in dieser Woche Spaghetti Carbonara mit ihm kochen wollte.
Ich testete ihn und sagte, ich hätte nur am Freitag Zeit.
Er hatte keine Zeit und fragte, ob ich nicht am Donnerstag könnte. Ich verneinte und wir verschoben es auf nächste Woche.
Nun war Donnerstag und er sah mich in Begleitung eines anderen Kerls. Noch dazu sieht Fabi ganz gut aus. Nicht mein Typ, aber der Typ vieler anderer Frauen.
Fabi stellte sich Pietro und Houssan vor, dann redeten wir darüber, was die jeweils anderen vorhatten. Bitte beachtetet, dass ich angetrunken war und deshalb mein teuflisches Ich zum Vorschein kam.
Pietro:“What are you doing?“
Ich:“We‘re going to a friend and afterwards to some dorm party.“
Pietro:“What dorm party?“
Fabi sagte ihm die Adresse.
Ich:“What are you guys doing?“
Houssan:“We‘re going to some bar and then to the club.“
Pietro:“You should come.“
Ich:“Oh, I can‘t go to the club tonight. I have class tomorrow at nine.“
Pietro:“Yeah, me too, at eight.“
Ich:“You guys are crazy!“
Wir redeten noch ein bisschen weiter, irgendwie kamen wir auf das Thema Bitches zu sprechen.
Pietro und ich diskutierten immer wer von uns wessen Bitch war. Ganz klar ist er meine Bitch.
Mit einem leichten Grinsen auf den Lippen, wohl wissend, dass er eine Diskussion starten würde, sagte er zu Houssan:“Yeah, she‘s my bitch and you‘re my bitch, so you come with us.“
Ich:“You‘re my bitch! The three of you are my bitches.“
Fabi setzte einen beleidigten Gesichtsausdruck auf.
Ich:“Okay, he‘s my wife and you‘re my bitches.“
Ich legte Fabi meine Hand auf die Schulter.
Pietro fragte leicht belustigt:“He‘s your wife?“
Zu Houssan sagte er:“I‘d rather be the bitch than the wife. Wifes don‘t get fucked.“ Houssan stimmte ihm zu.
Ich:“Yeah, he buys beer for me...“
Und ich spielte die Karte, von der ich wusste, dass sie seinem Ego vielleicht nicht gut tun würde. Das ist für den Jungen, der immer sagt „I don‘t care“.
Ich:“:...he‘s my soulmate!“
Bei unserem letzten Treffen hatte ich Pietro aus Spaß des Öfteren gesagt, dass wir Seelenverwandte wären.
Mit dem Hauch eines Lächelns fragte Pietro:“I thought we were soulmates.“
Ich:“Can we all be friends?“ Ich streckte die Arme nach einer Gruppenumarmung aus.
Es kam zu einer Gruppenumarmung, aber ohne mich. Die Jungs verbündeten sich gegen mich und schlossen mich aus der Gruppenumarmung aus. Aus Spaß legten sie die Arme umeinander, drehten sich um, gingen ein paar Schritte von mir weg und sagten:“Bye!“.
Ich drehte mich ebenfalls um und ging ein paar Schritte von ihnen weg. Fabi war wieder neben mir, ich drehte mich nochmal um und rief Pietro und Houssan, die sich ebenfalls noch einmal umgedreht hatten, „Bye, have fun!“ zu. Da ich währenddessen ging, lief ich direkt gegen ein abgesperrtes Fahrrad, woraufhin Fabi lauthals zu lachen anfing.
Dann gingen wir in entgegengesetzte Richtungen davon.
Was für ein kranker Zufall. Aber irgendwo hatte ich im Gefühl, dass ich heute auf ihn treffen würde.
Fabi, dem ich zuvor von „dem Italiener“ erzählt hatte, fragte:“DAS ist der Italiener? Alter, der ist eine Zehn! Gut, dass wir noch nicht gesungen haben!“
Ich:“Er ist eine Neun.“
Fabi:“Und der hat‘s nicht hinbekommen?“
Ich:“Psst, das muss unter uns bleiben.“
Erst war ich ein bisschen angepisst, dass ich auf ihn getroffen bin, weil er mir jetzt den ganzen Abend im Kopf herumspuken würde.
Aber dann machte Fabi wie versprochen „Skater Boy“ an und wir zogen singend und tanzend durch die Straßen. Fabi sang mit seiner tiefen Stimme voller Selbstvertrauen, aber sehr falsch. :D Ich hatte viel zu lachen. Wir sangen noch „This love“ und „Monsta“, dann waren wir auch endlich bei Nicos Wohnung angekommen.
Sevi machte uns auf, außer ihm waren noch Maxi und seine Fast-Freundin Sandra da, Nicos Schwester und ein gewisser Felix. Wir tranken Bier, redeten viel, spielten irgendwelche Trinkspiele. Fabi und ich spielten wie versprochen DJ und machten unsere spanische Musik an. Nico erzählte mir von seinem Safariurlaub im Sommer, Maxi und ich redeten über die Uni und Sandra, die die Süßheit in Person ist, überredete mich dazu, Tequilashots zu trinken. Alter. Tequila und ich sind alles andere als Freunde. Der bloße Geruch bringt die Erinnerungen an meine erste Studentenparty zurück, auf der ich nach zu vielen Shots mit Anna auf dem Klo landete.
Ich tat es trotzdem.
Und ich war wirklich gut dabei.
Irgendwann beschlossen wir, nicht mehr auf die Verbindungsparty zu gehen, weil wir so eine nette Runde waren. Trotzdem wollte ich die letzte U-Bahn nehmen, weil ich fest entschlossen war, in die Vorlesung zu gehen.
Fabi fragte, ob er bei mir schlafen könne. Ich sagte zu, ich war es ihm schuldig, da er Macy und mich nach meiner Geburtstagsfeier bei ihm schlafen ließ und sich sehr nett um uns kümmerte.
Ohne zu hinterfragen warum. Wir mussten die selbe U-Bahn nehmen, er musste lediglich ein paar Minuten länger fahren.
Ich war zu angetrunken, um irgendetwas zu ahnen. Ich weiß, dass das sehr naiv von mir war.
Im Schnellschritt gingen wir dann zur U-Bahn und fuhren zu mir nach Hause.
In der Wohnung zog ich die Couch aus, gab ihm Bettwäsche und eine Zahnbürste und erklärte ihm, er solle sich wie zu Hause fühlen.
Ich merkte, wie er ein wenig touchy wurde.
Er legte den Arm um mich und sagte:“Ich weiß, dass du schon eine Freundschaft Plus hast, aber ich würde dir auch gerne eine anbieten.“
Ich war zu angetrunken für einen geschockten What-the-fuck-Moment, deshalb sagte ich nur:“Bro, du musst schlafen.“
Bro? :D Mein Ernst? :D
Fabi gab sich geschlagen, wir machten uns bettfertig und gingen schlafen. Er auf der Couch, ich in meinem Bett.
Was zur Hölle? Wo kam das denn her? Wollte er deshalb bei mir übernachten?
Also hatte ich das im Oktober nicht falsch in Erinnerung, als ich dachte, dass er mir das angeboten hatte.
Zu seiner Verteidigung muss ich sagen, dass er betrunken war. Er hatte mehr Bier und sehr viel mehr Tequila als ich getrunken und seit Mittag nichts mehr gegessen.
Mein Wecker klingelte fünf Stunden später. Ich hatte so was von Restalkohol.
Ich machte mich fertig und trank noch einen Tee mit Fabi. Wir hatten wieder sehr viel zu lachen, was vermutlich auch am Restalkohol lag. Sein Angebot von letzter Nacht war vergessen.
Dann ging er, ich zog mich um und ging zur Uni.
Aus der Vorlesung nahm ich nicht wirklich viel mit, aber immerhin ein kleines bisschen was.
Mittags ging ich mit Max in die Mensa. Als wir danach noch einen Kaffee trinken waren, kam ein Freund von ihm vorbei und redete kurz mit uns. Arthur. Er war echt ganz süß. Ich bemerkte seine Blicke, war mir aber nicht sicher.
Max und ich gingen noch eine Runde spazieren, dann verabschiedeten wir uns. Vorher rief er mich an um mir zu sagen, dass Arthur ihn gefragt hätte, ob ich seine Freundin wäre und dass er total bemerkt hätte, dass Arthur mich gut fände. Er würde mich auf dem Laufenden halten.
Heute treff ich mich nach Ewigkeiten mal wieder mit Franzi. Ich freu mich schon sehr!
Was meinen Gemütszustand angeht, fühle ich mich heute sehr gut. Natürlich dachte ich zu oft über Pietro nach, deshalb bin ich auch froh, dass wir uns diese Woche nicht getroffen haben. Der Abstand tut mir gut. Ich fühle mich, als hätte ich seit letzter Nacht wieder die Oberhand. Ich liebe dieses Spiel. Ich weiß, es ist nicht risikolos, aber mein teuflisches Ich reibt sich die Hände in dem Wissen, dass ich gerade die Oberhand habe.
Ich habe mich bei unserem letzten Treffen vielleicht ein wenig zurückgehalten und das sollte sich ändern. Er sollte meine wilde und verrückte Seite kennen. Denn nur in diesem Zustand fühle ich mich frei.

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Dienstag, 5. November 2019
My Baby's fly like a jet stream, high above the whole scene
Das hatte ich nicht erwartet.
Ich versuche momentan mein Temperament zu zügeln, überlegt zu handeln und alles rational zu hinterfragen.
Emotionen bleiben dabei weitgehend außen vor.
Ich war am Wochenende in einem Musical. Eigentlich wollte ich es nie sehen, weil ich befürchtete, dass es meine Bild von ihm verändern könnte. Meine Vorstellung von ihm beruht auf einem Wissen, dass ich mir mit Hilfe von Sachbüchern angeeignet habe.
Ich bin praktisch mit seinen Geschichten groß geworden. An ein Leben ohne ihn kann ich mich nicht erinnern. Es wurde mir in die Wiege gelegt.
Der Grund, warum ich mich zu ihm so hingezogen fühlte, lag wohl in der Widersprüchlichkeit seines Charakters. Ebenso wie meines. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der in sich so gegensätzlich ist wie ich. Es ist tröstlich zu wissen, dass jemand - auch wenn es vor langer Zeit war - ganz ähnlich gefühlt hat. Nur schien er diese Zerrissenheit nie wirklich überwunden zu haben.
Gefangen in einer Welt, die an strengen moralischen Traditionen festhielt, während er sich von ihr verstoßen fühlte. Nur weil er fühlte, was er fühlte.
Eine bodenständige Gesellschaft, für die seine Zukunftsvisionen wie Spinnereien schienen. Er war seiner Zeit voraus.
Die Kunst, der er sich widmete, sein einziger Trost, während andere von ihm verlangten, in den Krieg zu ziehen.
Die Kunst, die einzige Möglichkeit, die er immer und immer wieder nutzte, um der Realität zu entfliehen.
Die Einsamkeit, die er irgendwann so sehr zu lieben begann, dass er die Anwesenheit von Menschen verabscheute.
Bis zu diesem Wochenende war mir gar nicht bewusst, wie einsam er wirklich gewesen sein musste. Weil die wenigsten ihn verstanden. Hätte ich ihn verstanden?
Ich hatte gute Dinge über das Stück gehört. Meine Erwartungen waren nicht allzu hoch, da ich wusste, dass ich sehr kritisch sein konnte.
Ich weiß nicht, wann meine Erwartungen das letzte Mal so übertroffen wurden.
Ein unglaublich tolles und modernes Bühnenbild, wundervolle Musik, grandiose Schauspieler und eine Geschichte, die Raum für eigene Interpretation lies.
Ich denke, es lag an der Musik und den Schauspielern, die Gefühle extrem gut transportieren konnten. Denn: Ich weinte. Ich weinte und weinte und weinte.
Nicht, weil es so traurig war. Ich weinte, weil es bedrückend war, romantisch, würdevoll, einsam, trotzig, brüderlich und verräterisch.
Mir wurden zwei Dinge bewusst:
1. Man sollte niemals gegen sein Gewissen handeln. Man könnte eine Kettenreaktion unbekannten Ausmaßes auslösen.
2. Ich weinte, weil ich mich durch die Geschichte an Emotionen erinnerte, die ich selbst einmal gefühlt hab oder die ich fühlen würde, wäre ich in der selben Situation.
Ich konnte mich sehr gut in den Protagonisten hineinversetzen, aber auch in Nebenrollen. Ich fühlte, was sie fühlten.
Ich hatte die Befürchtung, dass diese schon etwas romantisierte Version meine eigene beeinflussen könnte und ich mich womöglich sogar in den Protagonisten auf der Bühne verlieben könnte. Erstaunlicherweise war dem nicht so. Ich konnte die Version des Regisseurs sehr gut von meiner eigenen trennen.
Nach dem der Vorhang fiel, die Menschen von ihren Sitzen sprangen und ein tosender Applaus auf die Darsteller herabregnete, war ich nervlich ziemlich durch. Ich wurde sehr nachdenklich. War es gut, Emotionen so weit es ging außen vor zu lassen?
Leben wir nicht für die Emotionen?
Aber würde ich sie in einem solchen Extrema zulassen, müsste ich sowohl die positiven als auch die negativen Emotionen zulassen. Das würde einen einzigen sturm-und-drängerischen Höhen- und Tiefflug bedeuten. Das wäre sehr nervenaufreibend und ich würde mich selbst nicht so gut verstehen, wenn ich die Emotionen nicht hinterfragen würde.
Wollte ich jemanden, der derartige Emotionen in mir auslöste?
Die positiven vielleicht. Die negativen auf gar keinen Fall. Das entzöge mir jegliche Kontrolle.
Ich bin seit einiger Zeit davon überzeugt, dass Rationalität das Einzige ist, was mich weiterbringt und schützt.
An diesem Wochenende geriet diese Überzeugung ein wenig ins Wanken.

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Freitag, 1. November 2019
It's time for me to figure me out
Ich habe ja bereits erwähnt, dass ich momentan große Fortschritte im Hinblick auf mein Selbstbewusstsein und mein Selbstwertgefühl mache.
Der Unterschied zwischen beiden wird mir auch immer mehr bewusst.
Selbstbewusstsein kann man vortäuschen, Selbstwertgefühl weniger.
Selbstbewusstsein wird oft nach außen getragen, Selbstwertgefühl ist ein tiefes, internes Gefühl.
Selbstbewusstsein kann als Waffe benutzt werden, um andere Menschen abzuschrecken. Selbstwertgefühl wird dazu benutzt, Grenzen zu ziehen, um sich selbst zu schützen.
Ich habe gelernt, dass ein Selbstwertgefühl so viel wichtiger ist als Selbstbewusstsein. Und ich erfuhr, dass ich ziemlich gut darin war, Selbstbewusstsein vorzutäuschen. Es ist vor allem eine Sache der Körpersprache.
Je mehr Fortschritte ich mache, desto eher finde ich zu mir selbst und festige diese Vision.
Bevor ich jemals wieder eine Beziehung eingehe, möchte ich die beste Vision meiner Selbst sein. Vor allem romantische, zwischenmenschliche Beziehungen scheinen nicht gut für mich zu sein. Ich habe Zweifel, dass ich überhaupt jemals eine gesunde Beziehung führen kann. Damit das bzw. eher wenn das nicht passieren kann, möchte ich so gefestigt in meinem Charakter sein, dass mich nichts mehr aus der Bahn wirft.
Heute hat mir jemand ein Lied gezeigt, mit dem Hinweis, dass es sie an mich erinnern würde. "Ich müsste lügen" von Juju. Hatte ich davor nie gehört, erkannte aber ein Gefühl, das im Refrain beschrieben wurde, wieder.
"Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde: Du hast mir nicht weh getan
Du hast mir gezeigt, was ich nicht will und dafür dank ich dir jeden Tag"
Ich bereue nichts. Im Gegenteil, ich bin sogar dankbar für diese Erfahrung. Ich weiß, worauf ich in einer Beziehung (egal welcher Art) und wofür ich absolut keine Geduld mehr habe. Ich habe gelernt, dass ich alles verdiene, was ich will. Ich muss meine Erwartungen nicht herunterschrauben, denn ich will keinen Idiot zum Partner. Wer die Erwartungen nicht erfüllt, ist eben raus. Und wenn am Schluss alle raus sind, ist das auch kein Problem für mich. Denn ich liebe es, alleine zu sein.
Aber ich möchte mich nie wieder so fühlen, wie in meiner letzten Beziehung. Ich möchte mich nie wieder hassen, mich verlieren. Wie konnte ich nur? Und vor allem: Warum?
Ich bin nicht perfekt, aber ich bin ein verdammt toller Mensch. Ich mag ein wenig hart wirken, aber solange ich weiß, dass unter dieser Schale ein weicher Kern und ein guter Mensch steckt, ist alles gut.
Dennoch möchte ich an meinen Schwächen und den Dingen arbeiten, die ich gerne verändern möchte. Menschliche Charaktere sind so komplex, wir sollten sie bis zum Maximum ausfüllen, anstatt immer in unserer Komfortzone zu bleiben.
Ich bin jemand, der Sicherheit und Routinen liebt, aber das Leben spielt sich außerhalb davon ab. Genau in den Bereichen, die mir ein wenig Nervosität verleihen.
Ich möchte unbedingt finanziell komplett unabhängig sein. Momentan ist mir das leider nicht möglich, weil ich in einer sehr teuren Stadt lebe und nicht mehr arbeiten kann, als ich es eh schon tue, da ansonsten nicht genügend Zeit für die Uni bleiben würde.
Ich möchte auch viele Dinge alleine machen. Mehr in Museen gehen, durch Parks schlendern, Opern, Theateraufführungen, Gottesdienste und Kunstausstellungen besuchen. Alleine in die Sauna zu gehen bereitet mir noch ein wenig Unbehagen, aber es würde meinem Körper sehr gut tun. Zudem wäre es eine Möglichkeit meinen nackten Körper zu zelebrieren.
Ich wünsche, ich hätte mehr Zeit zu lesen. Ich möchte unbedingt alle Bücher von Dan Brown lesen, die restlichen Harry Potter Teile, die Schönen und die Verdammten, Sinn und Sinnlichkeit, Othello, die Leiden des jungen Wärter, die Bibel, Biographien über große Persönlichkeiten und Bücher mit historischem Hintergrund. Was bringen mir die klassischen Geschichten über gute Mädchen die sich in böse Jungs verlieben? Ich lese sie nur, um sie zu kritisieren. Es ist Zeit, meinen Horizont zu erweitern.
Ich möchte mehr Sport machen. Laufen gehen, aber vor allem etwas für meinen Rücken tun, der ein einziges verspanntes Chaos ist. Yoga oder Meditation würde mir bestimmt auch psychisch gut tun.
Ich werde an meinem Temperament arbeiten. Ich möchte so ruhig und geduldig sein, dass mich nichts aus der Bahn werfen kann. Egal wie respektlos, dumm oder falsch eine Person mir gegenüber tritt. Ich kann nicht kontrollieren, wie andere sich verhalten. Aber ich kann kontrollieren, wie ich mich verhalte. Ärger ist eine Selbstbestrafung für den Fehler einer anderen Person. Ruhe zeugt von Kraft und Überlegenheit.
Ich möchte an meiner Menschenkenntnis arbeiten. Ich sehe in den guten Menschen die Verbrecher und in den Bösen die Engel. Es mag mit einer Art Selbstschutz zusammenhängen, aber davon sollte ich Abstand nehmen und das Ganze aus einer entfernten, neutralen Perspektive betrachten.
Ich will mehr Dinge ausprobieren, die ich noch nie gemacht habe. Eine neue Tanzart, eine neue Sprache lernen.
Apropos Sprachen. Daran werde ich besonders arbeiten. Momentan spreche ich viel englisch, aber ich will mein Business-Englisch verbessern, ebenso wie mein Französisch. Ich lerne gerade ein paar Brocken Spanisch, meinen Kenntnisbereich dahingehend möchte ich ebenfalls erweitern.
Ich will mein Geschichtswissen, insbesondere was meine Heimatstadt angeht, verbessern. Ich weiß einiges über Städte, die ich schon besichtigt habe, aber wenn es um meine Heimatstadt geht, hapert mein Wissen ein wenig. Das geht so nicht weiter. :D
Ich möchte meine Kochkünste erweitern.
Ich will noch kreativer sein. Gerade habe ich wieder einen Schub, was das angeht, aber ich will mehr. Ich werde mehr schreiben, vielleicht auch wieder an etwas anderem als Songs und Gedichten. Was ist mit den ganzen Geschichten, die ich auf Eis gelegt habe? Das Potential ist nach wie vor da.
Ich würde mich nicht als überaus begabte Zeichnerin bezeichnen, aber es tut bestimmt gut, ein wenig zu malen, die Seele baumeln zu lassen und seine Gefühle auf andere Weise als durch Worte zu Papier zu bringen. Apropos, ich würde mich gerne malen lassen. Ich hatte ursprünglich an Fotografie gedacht, aber vor Kameras fühle ich mich nicht besonders wohl. Außerdem kann das schnell in die falsche Richtung gehen. Ein Gemälde nach dem Motto "Paint me like your French Girls, Piece by Piece" hat etwas Klassisches. An dieser Idee finde ich immer mehr Gefallen, aber auch sie liegt ein Stück außerhalb meiner Komfortzone.
Ich will neue, aufregende Leute aus den unterschiedlichsten Schichten und Ländern und mit den interessantesten Lebensgeschichten kennenlernen. Ich bewege mich hauptsächlich in meinem alten Freundeskreis, der schon zu Schulzeiten geschlossen wurde oder im Dunstkreis meiner Unileute, die sich in der Blase der Stadt befinden. Ich habe bereits ein paar Anfänge dahingehend gemacht, aber ich bin noch lange nicht fertig. Außerdem möchte ich mit mehr Leute aus meinen Vorlesungen kennenlernen. Man sitzt doch immer mit den selben zusammen, aber wann lerne ich jemals wieder so gut und offen neue Leute kennen, wie in der Uni?
Ich möchte mein Singleleben ausleben. Das heißt nicht, dass ich mit so vielen Leuten wie möglich schlafen will. Ich will feiern gehen, tolle Mädelsabende haben, zu Sonnenuntergängen trinken, tanzen, im Sommer in den Brunnen vor der Uni gehen, Erfahrungen sowohl mit Männern als auch mit Frauen machen, tiefsinnige Gespräche in dunkeln Nächten führen, Musik hören, Nacktbaden, Roadtrips und Reisen machen, Erinnerungen schaffen und das Leben lieben. Ich liebe es jetzt schon.
Ich bin absolut kein Mensch, der gerne im Mittelpunkt steht, im Gegenteil. Dementsprechend ist mir Aufmerksamkeit unangenehm und ich bin kein Fan davon, Vorträge halten zu müssen. Was nicht mit meinem Studium kompatibel. Man muss frei und vor vielen Menschen reden können, ohne sich zu kümmern was sie denken könnten. Ich werde die Aufmerksamkeit lieben lernen. Denn sie ist ein Kompliment.
Ich überlege mich, sozial zu engagieren. Ich weiß nicht, wie ich das in meinen Zeitplan unterbringen soll, aber ich spiele mit dem Gedanken. Ich war schon immer jemand, der Fälle aus der Opfer- anstatt der Täterperspektive gesehen hat und vielleicht ist es an der Zeit, diesen Opfern zu helfen - soweit mir das möglich ist.
Weiterhin überlege ich ein Praktikum bei der Polizei oder in der JVA zu machen, das wäre bestimmt interessant.
Ich möchte ein wenig ordentlicher werden. Ein bisschen organisierter und strukturierter.
Ich will mehr lernen, alles für mein Studium geben. Alles für meine Zukunft und meinen Traumjob geben. Ich möchte eines Tages ein kleines Häuschen auf dem Lande bauen und um das zu finanzieren, muss ich beruflich erfolgreich sein.
Ich möchte mehr reisen, auch alleine. Auch wenn mir das sehr viel Angst macht, Nicht das Alleinsein an sich, aber das Alleinsein in einer fremden (und womöglich gefährlichen?) Umgebung. Aber es würde mich charakterlich mit Sicherheit stärken, also werde ich es tun.
Ich werde mich selbst lieben, jeden Tag. Ich gebe mein Bestes.
Ich weiß, dass Selbstfindung in Verbindung mit Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl ein laufender Prozess ist, der vermutlich nie abgeschlossen wird, weil das Leben immer neue Herausforderungen parat stellt. Aber ich bin der Überzeugung, dass man sich selbst am besten kennenlernt, wenn man so viel wie möglich ausprobiert - insbesondere Dinge, die einem Angst einjagen. Niemand sollte in der Position sein, das Selbstbewusstsein einer anderen Person zu zerstören. Deshalb kann man mit Hilfe von Selbstwertgefühl Grenzen setzen und so bestimmen, wer dein Leben betritt.
Ich weiß, was ich will und ich bin nicht bereit, Abstriche zu machen.
Ich werde die beste Vision meiner Selbst sein.

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Mittwoch, 30. Oktober 2019
Like a white mercedes, always been running too fast
Ich: Will sein Schatten-Ich herausfinden, um die Oberhand zu haben.
Auch ich: Erzähle ihm Dinge, die ich sonst niemandem einfach so erzähle.
Klassisch. Applaus für mich.
Diesmal wollte ich wirklich pünktlich kommen. Ich war es auch, aber dann nahm ich die falsche Straße und kam somit doch zu spät. Er stand nicht draußen vor der Bar, deshalb rief ich ihn an. Er kam heraus, zwei Küsschen auf meine Wangen.
Wir gingen rein, die Bar war sehr voll. Es war Dienstag, was ist los mit den Leuten? :D Pietro erzählte mir, dass hier ziemlich viele Italiener wären. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Bar und zog mich an meiner Jacke näher zu sich. Oh. Direkt am Anfang.
Er:“How are you?“
Ich:“I‘m cold“ und legte meine eiskalten Finger an seinen Hals. Er zuckte nicht mal mit der Wimper, sondern erklärte mir, dass Italiener sehr stark wären.
Als wir Cocktails bestellt hatten, fing er direkt an mit ein paar Italienern zu quatschen. Ich verstand nur Bruchstücke, die ich aus dem Französischen oder Englischen ableiten konnte. Pietro machte anscheinend ein paar Witze. Die Leute lachten und auch er, Grübchen zeichneten sich auf seinen Wangen ab. Ich befand mich auf gefährlichem Terrain.
Relativ bald verabschiedete er sich von ihnen und führte mich in den hinteren Teil der Bar. Er erzählte mir, worüber er mit den Italienern geredet hatte (sie studierten an der selben mailänder Universität wie er) und meinte, ich sollte italienisch lernen.
Ich:“I should! You could teach me.“
Er:“I could teach you, of course!“
Er meinte außerdem, dass ihm die Italiener hier auf die Nerven gehen würden.
Wir standen an die Wand gelehnt und fingen an zu reden. Nach ein wenig Smalltalk über unseren jeweiligen Tagesablauf, redeten wir über ernstere Themen.
Zuerst redeten wir über das Studium.
Er:“So, you wanna be a lawyer one day?“
Ich:“Yes. But not the one who defends people. The one who puts them in jail.“
Er:“You like having the power?“
Ich:“It‘s not about power.“
Er:“Come on.“
Ich:“Okay, it‘s not only about power. I get so mad when something unfair happens. For example when people get away with a fine even though they did something very bad. Rapists tend to get a less hard punishment than people who didn‘t pay their taxes.“
Er:“In Italy, no one pays their taxes. You get away with it if it‘s the first bad thing you‘ve done. If it‘s not, you‘re gonna go to jail.“
Sehr interessant.
Wir fingen an über sein Studium zu reden. Ich wusste nicht, dass er im Raumfahrtbereich studiert. Er baut mehr oder weniger Raumschiffe. Er ließ anklingen, dass er nach mehr strebte.
Ich:“Do you wanna be an astronaut?“
Er:“Yeah. But it‘s very hard, you don‘t get in there easily. But if someone told me: tomorrow you‘ve got the chance to fly to the moon, I would take it. Even though there‘d be only a fifty percent chance I survived.“
Ich:“Really?“
Er:“Yes! Imagine standing on the moon and looking down to the earth. That must be so crazy. Would you ever do that?“
Ich:“No. I find the universe so interesting and I‘d love to be on the moon, but I‘m afaird of heights. And I heard the way up to the moon is not that comfortable.“
Er:“Are you afraid of airplanes?“
Ich:“No.“
Er:“Then you could manage being in a space shuttle.“
Ich:“I don‘t think so. I heard it‘s pretty rough. I would be too afraid to do it.“
Irgendwie kamen wir auf das Thema Ehe zu sprechen. Er meinte, dass er nicht an das Konzept Ehe glaube. Nach der Flitterwochenphase trete der Alltag ein und man akzeptiere es einfach nur wie es sei, ohne das man es richtig wolle.
Er:“Why do people even get married?“
Ich:“So they don‘t die alone.“
Er verstand den Punkt, meinte aber, dass er trotzdem eher an Polygamie glaube.
Ich glaube an beides. Ich sehe ein paar (wenn auch wenige) Beispiele, bei denen das Prinzip der Ehe sehr gut funktioniert. Andererseits entwickelt sich der Charakter ja ständig. Wer kann garantieren, dass der Charakter des Partners sich in die selbe Richtung entwickelt? Damit das funktionieren kann ist wahrscheinlich eine Menge an Kommunikation, Verständnis und Akzeptanz nötig. Kann oder sollte man diese Zeit nicht eher für sich nutzen? Wir sind doch nicht auf der Welt, um so viel Zeit an jemand anderen zu verschwenden.
Kurz darauf kamen wir auf Seelenverwandte zu sprechen.
Er fragte mich, ob ich daran glaubte.
Ich glaube an Seelenverwandte, wenn es um andere geht. Wenn es um mich geht, bin ich ein wenig skeptisch. Da mein Charakter teilweise in sich sehr widersprüchlich ist, könnte das einige Probleme erzeugen und bisher hab ich noch niemanden getroffen, der mir in dieser Hinsicht ähnlich ist.
Als ich die Frage an ihn zurückgab, verneinte er.
Ich:“Why? Have you been disappointed?“
Er:“Yes.“
Hallo Klischee, wie geht‘s?
Er fragte, wie lange meine längste Beziehung ging. Seine ging zwei Jahre, dann noch ein weiteres Jahr on-off. Er meinte, dass aber nur das erste Jahr schön gewesen wäre.
Er fragte mich, ob ich bereit für eine neue Beziehung wäre. Ich verneinte mit der Erklärung, dass ich erst die beste Version meiner Selbst sein müsse, bevor ich wieder eine Beziehung eingehen würde.
Er:“So you‘re not looking for something serious?“
Ich:“No.“
Wir kamen auf Orte zu sprechen, an denen der Prozess der Verschmelzung statt gefunden hatte. Er hat es ernsthaft in einem Flugzeug und im Pool eines öffentlichen Schwimmbads getan. Er fügte hinzu, dass Italiener da wohl sehr liberal seien und es nicht direkt anzeigen würden, wenn sie es bemerken.
Er kam auf meinen Job zu sprechen und die Dinge, die er gerne mit mir in der Bibliothek machen würde.
Er hatte bereits seinen Gin Tonic ausgetrunken und ich kippte gerade den letzten Schluck meines Wodka Bulls runter.
Er:“Come on, let‘s drink some wine at my place.“
Er führte mich durch die Menge, hielt mir die Tür auf und steuerte auf seine Wohnung zu, die in der selben Straße wie die Bar lag.
Wir sprachen ein wenig über die unterschiedlichen Straßenverkehrsregeln oder eher die unterschiedliche Interpretation davon in Deutschland und Italien.
Nach ein paar hundert Metern standen wir bereits vor seiner Haustür. Er sperrte sie auf und wir gingen in den ersten Stock. Nachdem wir uns unserer Schuhe und Jacken entledigt hatten, gingen wir in die Küche. Er holte eine Flasche Rotwein aus dem Kühlschrank und schenkte uns ein.
Wir tranken Wein und redeten echt viel.
Ich konnte nicht widerstehen. Ich fragte nach seinem Schatten-Ich.
Ich:“What‘s the greatest compliment you‘ve ever recieved?“
Er erzählte mir, dass ein Freund von ihm Depressionen hat. Als es diesem richtig schlecht ging, war Pietro für ihn da und er sagte ihm, dass er ein sehr guter Freund wäre.
Er fragte nach meinem. Vorbereitet auf diese Frage, erzählte ich ihm von dem zweitbesten Kompliment, das ich jemals bekommen hatte. Ich wollte nicht, dass er mein Schatten-Ich kannte.
Ich erzählte davon, dass mir ein achtjähriger Junge letztes Jahr gesagt hat, ich wäre so cool wie Hermine in Harry Potter (obwohl er sonst alle Mädchen doof fand).
Wir redeten ein wenig über Harry Potter und er fand Hermine nicht ansatzweise so cool wie ich. Er fand sie zu eingebildet und arrogant. Ich liebe sie.
Wir sprachen über Familie. Er scheint absolut kein Familienmensch zu sein. Er meinte, sie bedeute ihm schon viel, aber er vermisse sie nicht. Aus Italien vermisse er lediglich das Essen und seinen Hund.
Wir redeten über Orte, zu denen wir gerne reisen würden und machten Witze darüber, dass wir mal zusammen wegfahren sollte.
Dann fingen wir an über Musik zu reden. Er zeigte mir seine Playlist und sein Lieblingslied, „Wish you were here“ von Pink Floyd, weil er das als sechzehnjähriger immer auf der Gitarre gespielt hatte. Er fragte nach meinem. Angetrunken, wie ich bereits war, erzählte ich es ihm. „Figure me out“ von the Summer Set, weil es meinen Charakter ganz gut beschreibt. Warum sagte ich ihm das?
Glücklicherweise erzählte ich ihm nichts von „Love Story“. Er machte das Lied an und ich fühlte es.
Er hörte Musik von Fabrizio de André und plötzlich kamen wir auf schmutzige Songs zu sprechen. Ich zeigte ihm erst eine unschuldige Version, „Close my eyes“ von Hey Violet. Dann die harte Version, „Whoregasm“, welche mit zum Erröten brachte, als ich sie zum ersten Mal hörte.
Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob Folgendes vor oder nach unserem Gespräch über Musik passierte. Ich weiß auch überhaupt nicht mehr, wie wir darauf gekommen sind. Ich glaube, wir redeten über BHs. Er meinte irgendetwas davon, dass ich nackt sein solle. Ich erklärte mich natürlich nicht einverstanden. Er sagte, dass er im Gegenzug dafür auch nackt sein würde. Ich glaubte ihm nicht, deshalb zwang ich ihn zu einem Pinky Promise. Er wusste nicht, was das war, befolgte aber meine Anweisungen. Dann zog er seinen Pulli aus. Ein sehr schöner Anblick. Ich zierte mich ein wenig, es ihm nach zu tun. Aber als er sogar die Jalousie für mich schloss, damit die Nachbarn nichts sehen würden, kam ich nicht darum herum. Er trat hinter mich, zog mir mein Shirt über den Kopf und öffnete meinen BH. Dann saßen wir oben ohne in seiner Küche, tranken Wein und redeten. Sein Blick war von da an nicht immer auf mein Gesicht gerichtet. Er räumte die Flasche Wein zurück in den Kühlschrank und ich bemerkte, wie er ein wenig ungeduldig wurde. Er fragte, ob ich bleiben würde.
Ich:“Are you gonna steal another toothbrush from your roommate for me again?“
Er:“I still have the one you used the last time.“
Ich:“What? Are you keeping all the toothbrushes of all the girls that come here?“
Er:“No, I don‘t.“
Ich glaubte ihm nicht. Er ging mit mir ins Bad und holte die Zahnbürste aus seinem Kulturbeutel. Dann ließ er mich alleine. Ich konnte nicht widerstehen: Ich sah nach, ob in dem Kulturbeutel noch andere Zahnbürsten waren. Ich fand keine. Das scheint ein sehr ausgefuchster Plan zu sein. Er schien auch eine ordentliche Portion Selbstvertrauen zu haben, dass ich wieder bei ihm übernachten würde.
Einerseits konnte ich ihn mittlerweile ein wenig besser einschätzen, andererseits wurde ich überhaupt nicht schlau aus ihm.
Ich machte mich bettfertig und betrat sein Zimmer. Er lag auf dem Bett. Als ich meine Sachen ablegte, stand er auf und schlang von hinten die Arme um mich. Wir fingen an rumzumachen. Es war ziemlich heiß. Er ist sehr männlich und das finde ich unglaublich sexy. Dennoch spürten wir beide den Alkohol in unserem Blut, weshalb wir es irgendwann sein ließen. Danach lagen wir nackt nebeneinander und fingen plötzlich an Deep Talk zu machen.
Er redete wieder ein bisschen über seine Familie. Er erzählte mir von seinem Hund und seiner Katze. Er war ein Hundemensch, ich ein Katzenmensch. Er fragte nach, was wohl der einzige Grund war, weshalb ich ihm ein wenig Einblick in einen sehr persönlichen Teil meiner Familie gab. Ich redete nicht mal mit meinen Freunden darüber, was war los mit mir. Der Alkohol schien meine Zunge gelockert und ich schien vergessen zu haben, dass jede persönliche Information gegen einen verwendet werden kann. Wir redeten sehr lange, er berührte stets meine Schulter mit seinen Lippen. Er war so heiß.
Irgendwann beschlossen wir schlafen zu gehen. Er hatte mich bereits gewarnt, dass er manchmal im Schlaf reden würde. Letztes Mal ist mir nichts aufgefallen. Als ich einschlief spukte mir Charli XCX‘ „White Mercedes“ durch den Kopf.
Ich war im Halbschlaf, ich dachte, er wäre es ebenso, denn er fragte:“Are you okay?“
Verschlafen murmelte ich:“Yeah. Are you?“
Er:“Yes.“ Dann murmelte er etwas, was ich nicht verstand.
Ich:“What?“
Er:“Paint the town.“
Ich:“I don‘t get it.“
Er:“You know the people who paint the town by spraying?“
Ich:“Yeah.“
Er:“They‘re really brave.“
Ich fing leise an zu kichern. Er schien nicht ganz bei Sinnen zu sein.
Irgendwann in der Nacht murmelte er auch ein paar italienische Wörter, die ich nicht verstand.
Ansonsten schlief ich besser als letztes Mal. Ich wachte zwar ein paar Mal auf und hatte auch sehr leichte Halbschlafphasen, aber abgesehen davon schlief ich gut. Dieses Mal schliefen wir Seite an Seite. Ein Mal spürte ich, wie er kurz über meine Haare strich. Er war wieder ziemlich respektvoll. Er fasste mich nicht an, obwohl ich merkte, dass er sich zurückhalten musste. Ich hatte ihm erzählt, dass ich kuscheln nicht mögen würde (ich muss meinem Körper vor Oxytocinausschüttungen bewahren) und er respektiert das sehr.
In der Morgendämmerung wachte ich auf und betrachtete sein schönes Gesicht. Er schien überhaupt keine Poren zu haben, was ich wirklich unfair fand. :D
Als sein Wecker klingelte, war ich nicht bereit. Er zog (mit einem kurzen Blick darunter) die Decke über uns zurecht und begrüßte mich mit „Hey, naked Lady“.
Ich erzählte ihm, was er ihm Schlaf gesagt hatte und musste sehr lachen, als er mir erzählte, dass er sich an nichts davon erinnern konnte.
Er:“Don‘t laugh at me!“ und kitzelte mich, woraufhin ich nur noch mehr lachen musste.
Ich wollte nicht aufstehen. Ich wäre echt noch gerne neben oder eher unter ihm und seinem schönen Körper liegen geblieben, aber die Arbeit rief. Wir hatten erst Probleme meine Unterwäsche wieder zu finden, aber schließlich entdeckte er sie. Ich ging kurz ins Bad, richtete mich einigermaßen passabel her. Ich zog meine Jacke und meinen Schal an. Er verabschiedete sich mit zwei Küsschen auf meine Wangen und den Worten „See you in the libary“. Ich ging zu „I forgot that you existed“ und „Cruel summer“ durch die morgendlichen nebligen Straßen und prozessierte den Verlauf seit letzter Nacht. Ich fand unseren Abschied immer ein wenig kühl. Vielleicht ist kühl das falsche Wort. Der Abschied ist immer offen, weil wir nie darüber reden, ob wir uns wiedersehen.
Ich würde ihn gerne wiedersehen.
Es ist keine gute Idee, das weiß ich. Aber scheinbar liebe ich den Schmerz. Ich liebe es darüber zu schreiben. Trotzdem würde es mir gut tun, mal wieder feiern zu gehen, andere Leute kennenzulernen. Ich möchte mich nicht auf ihn versteifen und auf gar keinen Fall will ich an Silvester die Feuerwerke im Himmel explodieren sehen und an ihn denken.
Ich bewege mich auf gefährlichem Terrain und ich liebe es.

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Dienstag, 29. Oktober 2019
You know I've got a suit of armor on, you'll never see me cry
Am Sonntag erreichte mich eine Nachricht von Pietro, in der er vorschlug, in der kommenden Woche etwas trinken zu gehen.
Er formulierte es nicht als Frage, sondern als Aufforderung.
Miau.
Ich erklärte ihm, dass ich nur an zwei Abenden Zeit hatte und er gab sich mit Dienstag zufrieden.
Heute.
Ich kann gar nicht einschätzen, was mich erwartet. Naja, so ungefähr schon.
Das Problem ist, dass ich ihn überhaupt nicht einschätzen kann.
Ich bin mit einer Gabe gesegnet, die mich die Schwächen von Menschen sehr schnell erkennen lässt. Ich könnte nicht einmal eine Sache aufzählen, die ich bei Pietro als Schwäche einstufen würde. Er gibt in dieser Hinsicht nichts von sich preis und sein ständiges Pokerface macht die Sache nicht besser.
Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal auf einen Menschen getroffen bin, den ich so wenig einschätzen konnte.
Auf der einen Seite reizt es mich, auf der anderen nervt es mich.
Wir werden sehen. Ich spiele mit dem Gedanken, ob ich nach seinem Schatten-Ich fragen soll. Einfach nur, um die Oberhand zu bekommen?
Ich versuche es, so gut es geht, auf mich zukommen zulassen.
Gestern Abend war ich mit Fredrik ein Bier trinken. Er wollte ein typisch deutsches Erlebnis haben. Also schlug ich eines der touristischsten Lokale der Stadt vor.
Er schien Maria von unserem Treffen erzählt zu haben, denn letzte Woche erhielt ich folgende Nachricht von ihr:"Ohhhh, I heard you have a date?"
Ich stellte sofort klar, dass es kein Date war, auch in der Hoffnung, dass sie das Fredrik sagen würde.
Wir trafen uns gestern Abend an der U-Bahn und fuhren zusammen in das Lokal. Wir redeten viel, tranken Bier und ich lernte ihm deutsche und dialektische Wörter. Er ist wirklich ein sehr netter Mensch und ich hatte eine gute Zeit. ich sagte ihm, dass ich ihn einer Freundin vorstellen wollte, die ebenfalls ein sehr netter Mensch ist. Er war dabei.
Ich war ein wenig angetrunken und als ich auf die Uhr sah, war es halb zwölf. Ich musste heim, weil ich am nächsten Tag arbeiten musste.
Ich dachte, unser Verhältnis wäre geklärt, aber ein, zwei Mal nannte er mich "cute" und in der U-Bahn berührte er dabei kurz mein Knie. Ich erwiderte stets:"I'm not cute, I'm evil", aber ich kann nicht einschätzen, inwieweit das bei ihm angekommen ist.
Glücklicherweise kam er dieses Mal nicht auf die Idee, auch an meiner Station auszusteigen und mich nach Hause zu begleiten. So konnte ich in Ruhe Musik hören.
Ich hatte heute definitiv zu wenig Schlaf und hab dementsprechend auch nicht meinen besten Tag (wie man unschwer an meiner Schreibweise erkennen kann). Ich werde mich nochmal hinlegen müssen, bevor ich mich mit Pietro treffe.
Shallon macht gerade eine Evil Series und es juckt mich in den Fingern, diese Tricks auszuprobieren.
Wir werden sehen.

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