Freitag, 25. Januar 2019
I don't ever wanna be your girlfriend at the time
Ich war am Dienstag Abend bei Naomi.
Da ihre Trennung von ihrem Ex noch frisch war und ich sie kenne, war ich auf das Schlimmste gefasst. Ich dachte, sie hätte versucht ihn zurück zugewinnen, ihren Exlover getroffen oder ein Tinderdate nach dem Anderen gehabt.
Umso schöner war es für mich, als ich sah, dass dem nicht so war.
Naomi ist seit sie sechzehn ist von einer Beziehung in die nächste gerutscht. Sie hat immer mit allen Mitteln um den Erhalt der Beziehung gekämpft und sich dabei ganz hinten angestellt. Aber wenn es selbst dann nicht mehr funktionierte, versuchte sie halt bei anderen Männern zu finden. Ich denke, sie hatte irgendwo Angst davor, alleine zu sein.
Ich kam ein wenig verfroren bei ihr an und dachte, ich müsste sie von dummen Sachen abhalten.
Stattdessen sagte sie Dinge wie:"Seit ich siebzehn bin, denke ich, ich bin bereit den Mann für's Leben zu finden. Aber ich bin zweiundzwanzig und ich bin viel zu jung für so was!"
Oder:"Sind wir überhaupt für Monogamie geschaffen?"
Ausgerechnet sie, die Verfechterin von Beziehungen, die regelmäßig den Begriff "unsterblich verlieben" verwendet, fragte mich, ob ich Monogamie realistisch finde.
Tue ich das? Nun ja, in einigen Fällen bestimmt. Andererseits bin ich auch nicht abgeneigt von der Vorstellung, dass ein Mensch mehrere Seelenverwandte haben kann. Ich denke, ich bin absolut zwiegespalten, was dieses Thema betrifft.
Gleichzeitig war ich überaus stolz auf Naomi. Ich befürchtete, sie würde um ihr Leben tindern, Typen treffen und sich in die nächste Beziehung stürzen. Nicht, dass das verboten wäre. Aber Naomi bräuchte glaub ich, wirklich mal Zeit für sich alleine. Um sich mich sich zu beschäftigen, mir sich alleine klar zukommen. Seit sie sechzehn ist, war sie nicht mehr alleine. Zumindest nicht auf eine Art und Weise, die ein gesundes sich mit der Situation auseinander zusetzen beinhaltet. Sie war so stark. Es ist unglaublich schön, sie so zu sehen und ich hoffe, dass es in diese Richtung weitergeht.
Natürlich erzählte sie mir auch von schwachen Momenten. Sie hat versucht ihren Ex zurückzubekommen. Sie hat überlegt ihrem Exlover zuschreiben, hat es aber nicht getan. Und sie hat sich mit einem Anderen getroffen.
Aber es wirkte alles sehr rational durchdacht. Soweit man das bei Naomi sagen kann. Sie ist das genaue Gegenteil von mir: Ein absoluter Gefühlsmensch. Sie handelt aus purer Emotion heraus. Ohne zu hinterfragen, ob es richtig oder rational ist.
Wir machen oft darüber Witze, dass eine Mischung von uns beiden die perfekte Frau ergeben würde.
Ein kleiner Punkt, den ich nicht ganz so gut fand ist der, dass sie mit einem vergebenen Typen schreibt. Nichts schlimmes, aber sie möchte mit ihm flirten. Ich versuche es ihr auszureden, aber wie es anschlägt, kann ich nicht wirklich sagen. Sie meinte, sie macht es, um Selbstbestätigung zu bekommen. Das mag für einige absolut unvorstellbar wirken, aber ich verstehe sie. Sie kommt frisch aus einer einjährigen Beziehung. Er hat sie betrogen. Ich weiß noch, wie es bei mir damals war. Ich hatte keine Ahnung wo mir der Kopf steht, mir war irgendwo auch alles egal. Umso dankbarer bin ich, dass ich so tolle Menschen in meinem Leben hab, die damals auf meinen Ruf aufpassten und mich von Dingen abhielten, als ich alles daran setzen wollte, Tornado zu spielen. Ich erinnere mich, als ich damals die Aktion plante, wie Franzi zu mir sagte:"Du musst schauen, wie DU am Besten aus der Situation rauskommst." Es ging nicht darum, dass ich das tat, was ihn am meisten demütigen würde. Sondern, dass ich der Situation so entwischen konnte, dass er mich nicht als verrückte Exfreundin darstellen konnte.
Ich bin abgeschweift. Auf jeden Fall, kann ich verstehen, dass Naomi gerade Selbstbestätigung braucht. Sie braucht Zeit, um sich selbst wieder zu finden, sich zu lieben. Das ist alles andere als einfach.
Natürlich werde ich - alleine aus Respekt vor allen Frauen - ihr diesen Typen ausreden bzw sie regelmäßig daran erinnern, dass er eine Freundin hat. Dennoch denke ich nicht, dass sie weiter als flirten gehen würde.
Wir haben viel geredet, Nudeln gekocht und "Sex Education" angeschaut. Wir waren aber beide relativ müde, weshalb wir schon um elf eingeschlafen sind.
Am nächsten Morgen haben wir einen Spaziergang zum Bäcker gemacht und dort gefrühstückt und wieder ausgiebig geredet.
Es stellte sich heraus, dass wir genau auf dem gleichen Level sind. Ihre sexuellen Anziehungen und Hormone spielen ebenfalls so verrückt wie meine. Sie möchte die selben Dinge wie ich. Und: sie hat richtig Lust feiern zu gehen.
Es scheint so, als wäre da doch wieder eine Person, mit der ich verrückte Dinge tun kann.
Ich hoffe nur, dass sie weiterhin so stark bleibt und sich Zeit für sich nimmt, um alles zu verarbeiten.
Als wir über Betrügen redeten, war sie total geflasht als ich sagte, dass es egal ist, wenn ein neuer Freund mich irgendwann betrügen würde. Es würde hart werden, aber ich werde es überleben. Männer können mich nicht zerstören.
Sie meinte, sie möchte auch an diesen Punkt kommen. Und ich werde ihr so gut es geht dabei helfen.
Der heutige Tag war nicht so einfach. Traurig.
Und dennoch wusste ich wieder, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als ein Sonnenstrahl aus dem bedeckten Himmel direkt auf uns schien, während der Pfarrer vor dem Grab stand und ein Gebet sprach.
Es war ein Zeichen von ihr.

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